Wer von euch denkt/Improvisiert in sog. Upper Struktures?

auge

Moderator
Teammitglied
9 Okt 2006
5.713
2
81
zwischen Tür und Angel...
Liebe Jazzfreunde,

ich war heute auf der Jazzuni und hatte eine interessante Stunde. Dabei haben wir uns mit verschiedenen etwas jüngeren Jazzstandards befasst.
In der Improvisation stellte sich heraus, dass es erst ab der 7 aufwärts Spannend wird (7,9,11,13 in verschiedenen b,# Ausprägungen ).
Jetzt hab ich mir selber folgendes zusammengestrickt.

1) Ich kann alle Akkorde bis zur 13 aus dem ff
oder
2) Ich denke in dem Akkord der sich von der 7 weg ergibt (Bei Dominant C ein Bbj7)

Ist jemand von euch dabei, der in diesen sog. Upper Struktures denkt und diese auch spontan anwenden kann?

Bin gespannt.
Lg
Auge
 
Ich möchte kurz mit eine Gegenfrage antworten.

Könntest Du bitte erläutern, was Du genau mit Punkt 2 meinst?

Punkt 1 ist klar, aber Punkt 2 habe ich nicht geschnallt.

THX
 
DocBrown schrieb:
Ich möchte kurz mit eine Gegenfrage antworten.

Könntest Du bitte erläutern, was Du genau mit Punkt 2 meinst?

Punkt 1 ist kalr, aber Punkt 2 habe ich nicht geschnallt.

THX

Ich versuchs mal, bin aber nicht von der Jazzpolizei!!

Also wenn du eine Terzschichtung auf C machst dann erhältst du:

C-E-G (Durakkord)
wenn du weiterschichtest:
Bb (Dominant 7) D (9) F (11) A (13).
Um modernere Farben in die Improvisation zu bekommen meidet man Grundton, Quinte. Auch die Terz ist nicht besonders spannend. Dafür sind das dann 7, 9, 11 (oft #11) und 13. Wenn du jetzt die Töne Bb-D-F-A (7-9-11-13) aneinanderreihst hast du einen Bbj7 Akkord. Das heisst du kannst mit diesen Akkordtönen Improvisieren (Ich würde wohl #11 nehmen).

Hoffe es geht einigermassen. Am Klavier kann man sich das sehr schön ansehen. Spiel mit der Linken Hand einen C7 und mit der rechten einen D. Dann hörst du sehr schön was ich meine (Mit #11 in diesem Fall).

Lg
Auge
 
Meinst Du das etwa so:

Am in dorischer Funktion: 7 - 13 = G H D Fis = Gmaj7

Am in phrygischer Funktion: 7 - 13 = G Bb D F = Gm7

Schon einen Rollkragenpullover an ? (SCNR) ;-) ;-) ;-) ;-)

Jazz is not dead, it just smells funny (F.Z.) :cool:
 
Aah, okay. Jetzt habe ich es, glaube ich verstanden.
Das bedeutet also, wenn Du über C7 ein Bb7 ARp. spielst, "verpasst" du dem eigentlich zu Grunde liegenden C7 Vierklang die Optionstöne bzw. die Intervalle

9, 11 und 13 ?

Richtig?

DAS kenne ich so nicht, hört sich aber erstmal interresant an.
Hat dann wahrscheinlich so ein bisschen was von "inside" - "outside".
 
auge schrieb:
Also wenn du eine Terzschichtung auf C machst dann erhältst du:

C-E-G (Durakkord)
wenn du weiterschichtest:
Bb (Dominant 7) D (9) F (11) A (13).

Das gildet aber nur, wenn Du den C mixolydisch denkst.

Ich hätte ja bei C-E-G zunächst mal ionisch als 7 ein B genommen
Dann landest Du mit der Schichtung auch bei nem ganz anderen Akkord, namlich B°7 ....

Pure Mathematik

BTW. wenn Dich sowas interessiert, solltest Du vllt mal in die Bücher von Steve Khan reingucken. zB Pentatonik Khancepts. Da schichtet der Pentatoniken über verschiedene Stufen.
 
DocBrown schrieb:
Hat dann wahrscheinlich so ein bisschen was von "inside" - "outside".

Nein, hat es nicht:

http://www.pagex.info/old_server/akustik-gitarre.com/archiv/1-03/modblues1-03.htm

Das, was der Auge meint, ist nur eine alternative Denke für die Kirchentonleitern.

Eine beliebige Kirchentonleiter, in Terzen umstrukturiert, ergibt einen Akkord mit all seinen Erweiterungen:

Ionisch = I = C E G H D F A = 1 3 5 j7 9 11 13
davon die ersten vier Töne = Cmaj7
die letzten vier Töne = B°7

Dorisch = II = D F A C E G H
D F A C = Dm7
C E G H = Cmaj7

usw ...

Aus diesen Erweiterungen ergibt sich auch, dass, je nach Akkordfunktion eine b9 oder #11 die "richtige" Erweiterung sein kann. (Phrygisch hat b9, lydisch #11)
 
Ja, schon...

aber sind diese Schichtungen über Dom7 nicht viel öfter zu hören?
Gerade was die alterierten Töne angeht?

Also das Dom 7 bietet einem doch immer gute Möglichkeiten skalenfremd zu arbeiten.
Eben mit #11 , b9, usw...


Äh... ich glaube ich probier den Kram jetzt mal aus. Ich spiele normalerweise kein Jazz, aber das hier interessiert mich jetzt...

EDIT: Sorry habe deinen Post erst jetzt gelesen...

Klar, so wie Du es beschreibst ist es ja rein diatonisch...
 
Diatonisch ist das richtige Stichwort.

Inside outside sind ja licks, die zuerst in, sagen wir mal Am gespielt werden, dann einen Bund weiter, also Bbm und dann wieder zurück.

Was ich meinte, sind die jeweils "korrekten" Erweiterungen der Stufenakkorde:

Ionsich: 1 3 5 j7 9 11 13
dorisch 1 b3 5 7 9 11 13
phrygisch 1 b3 5 7 b9 11 13
lydisch 1 3 5 j7 9 #11 13
usw ...
 
Also bei einer II V I in c-Dur wäre das dann:

Dmoll7 : C (7) E (9) G (11) B (13) = Cmaj 7 Arp.
G7 : F (7) A (9) C (11) E (13) = Fmaj 7 Arp.
Cmaj7: B (7) D (9) F (11) A (13) = Bmoll7/b5 Arp.

Richtig?

Na, das wird ja spannend... ;-)
 
Was mich jetzt daran interessiert ist wer jetzt soweit in der Lage ist nach einem Chordsheet zu Improvisieren und in dessen Kopf diese Upper Structures ablaufen und funktionieren.
 
Keine Chance, zumindest nicht frei nach Sheet...

Mit Vorbereitungen, würde ich das wohl irgendwie hinkriegen, kommt aber auch auf den Schwierigkeitsgrad des Stückes an...

Aber danke für den Thread, ich finde das echt interessant und werde das mal ausprobieren.
 
DocBrown schrieb:
Also bei einer II V I in c-Dur wäre das dann:

Dmoll7 : C (7) E (9) G (11) B (13) = Cmaj 7 Arp.
G7 : F (7) A (9) C (11) E (13) = Fmaj 7 Arp.
Cmaj7: B (7) D (9) F (11) A (13) = Bmoll7/b5 Arp.

Richtig?

Na, das wird ja spannend... ;-)

Bei einer II-V-I würde ich (und auf der Gitarre ist das eh ein bissl gschickter als auf anderen Instrumenten) die V7 durch den Tritonus ersetzen. Also statt G7 eben dann Db7/C#7 (C#-F-Ab-H) was automatisch schöne Spannungstöne zum G7 ergibt (#11, b9) und auch einen schönen chromatischen Approach in den Arpeggios ergibt. Hat aber für mich dann nix mit Upper Structures zu tun. Ja und ein wenig ausgelutscht ist es auch schon, mir gefällts trotzdem.
 
Ich finde es hilfreich, sich Stücken mal so zu nähern. Z.B. um Strukturen zu verstehen und sich mit dem Tonmaterial vertraut zu machen.

Bei manchen Stücken findet sich die Melodie in den Erweiterungen (Sexte und Septime) der Begleitakkorde. Wenn man will, kann man die Nonen usw. dazu nehmen.
Will man so ein Stück komponieren, dann könnte man die Melodie mit den Drei- oder Vierklängen der UpperStructures harmonisieren, anstatt mit den zugrundeliegenden Dreiklängen.
Das könnte bei der Analyse von Stücken helfen und wiederum beim Spielen in der Improvisation.

Vorbereitung auf Improvisation ist übrigens sinnvoll (und ist eigentlich garnicht anders möglich.) Und mit reichlich Praxiserfahrung geht es dann auch 'ohne', weil man sich eben schon jahrelang vorbereitet hat.

Bei der Improvisation denke ich aber nicht in Ton- oder Akkordbezeichnungen, da spiele oder singe ich die Töne, die passen - und die höre ich 'im Kopf' und fühle sie 'im Körper' (meine Hand greift den Ton, weil ich weiß wo der Ton auf dem Griffbrett ist. Und manchmal greife ich auch daneben... :oops: )


viele Grüße,
der StratDrache
 
StratDrache schrieb:
Vorbereitung auf Improvisation ist übrigens sinnvoll (und ist eigentlich garnicht anders möglich.) ....

Da sagst du was. Das finde ich wichtig. Danke!
Bin leider relativ alt geworden bis ich mich jetzt dem Jazz auch annähere...

Einerseits die Basics (Alle Akkordtöne, alle Tonarten) andererseits auch Stücke analysieren, erarbeiten und verbessern.

Daraus resultiert eben auch meine Frage. Wenn ich ein Miles Davis Stück erarbeite (Blue in Green o.ä.) steh ich vor der Entscheidung (wenn ich mir nicht ewig Zeit nehme) nach welcher Logik ich es angehe. Und drum bin ich eben daran interessiert wer in diesen Strukturen zu denken/spielen vermag.
 
auge schrieb:
DocBrown schrieb:
Also bei einer II V I in c-Dur wäre das dann:

Dmoll7 : C (7) E (9) G (11) B (13) = Cmaj 7 Arp.
G7 : F (7) A (9) C (11) E (13) = Fmaj 7 Arp.
Cmaj7: B (7) D (9) F (11) A (13) = Bmoll7/b5 Arp.

Richtig?

Na, das wird ja spannend... ;-)

Bei einer II-V-I würde ich (und auf der Gitarre ist das eh ein bissl gschickter als auf anderen Instrumenten) die V7 durch den Tritonus ersetzen. Also statt G7 eben dann Db7/C#7 (C#-F-Ab-H) was automatisch schöne Spannungstöne zum G7 ergibt (#11, b9) und auch einen schönen chromatischen Approach in den Arpeggios ergibt. Hat aber für mich dann nix mit Upper Structures zu tun. Ja und ein wenig ausgelutscht ist es auch schon, mir gefällts trotzdem.

Mein "spannend" war gar nicht ironisch gemeint, wie der Smiley vielleicht impliziert hat.
Ich finde es tatsächlich spannend und eigentlich auch logisch. Ich habe mich der Thematik so noch nie genähert. Habe gerade eben die ganze Zeit über einen Vamp in C7 gedudelt.
Vierklang auf der Septime, also Bbmaj7 Arp. Kommt gut. Hat was, Wenn man dann immer zwischen einem C7 Arp. und dem Bbmaj7 Arp. hin und herswitcht kommen nette Spannungsbögen zustande. Das werde ich mal weiter verfolgen.
 
muelrich schrieb:
[Eine beliebige Kirchentonleiter, in Terzen umstrukturiert, ergibt einen Akkord mit all seinen Erweiterungen:

Ionisch = I = C E G H D F A = 1 3 5 j7 9 11 13
davon die ersten vier Töne = Cmaj7
die letzten vier Töne = B°7

)

Hi,

was ist schon ein Halbton unter Freunden (hatten wir das nicht schon einmal....?)

Die letzten vier Toene ergeben Bm7♭5 oder Bm7 -5 oder BØ

B°7 hat die Toene H(B) D F G#

Gruss
Der Nominator
 
auge schrieb:
Was mich jetzt daran interessiert ist wer jetzt soweit in der Lage ist nach einem Chordsheet zu Improvisieren und in dessen Kopf diese Upper Structures ablaufen und funktionieren.

Hi,

das laeuft bei mir eher im Unterbewusstsein ab.
Wenn man sich z.B. die Voicings anschaut dann kommt man von allein drauf das Am79 das selbe ist wie Cj7/A und dann spielt man das automatisch, und A11 ist wie G/A...usw.
Das laeuft wirklich automatisch bei mir- ich habe mich aber nie mit Skalentoenen beschaeftigt, mein Ausgangspunkt waren und sind immer die Akkorde.

Gruss
Der Nominator
 
Mir geht es wie Nominator. Ich habe mich in den letzten Jahren viel mit Fingerpicking beschäftigt / gespielt und das hat meine Art der Improvisation dahingehend geändert, sehr stark von Akkordbilder auszugehen. Meine Spiel hat dies sehr erweitert und geöffnet.
 
Hallo auge,

nö, kann ich nicht.
Ich halte solche Geschichten aber auch mehr für Vehikel zum Üben, um Sounds in die Ohren zu bekommen.
Ich kann entweder spielen oder analysieren,
Beides gleichzeitig ist Mist.
Wobei ich beim Begleiten schon zum Teil in Slashchords empfinde,
und z.B. Dreilklänge über Basstöne lege.
Dann ist man aber auch schnell bei so constant structure-Kram und outside.
Aber ich fake mich im Jazz ehrlich mehr plausibel durch, als dass ich das alles bewusst beherrsche.


Viele Grüße,
woody
 
Hallo!

Nominator schrieb:
Das laeuft wirklich automatisch bei mir- ich habe mich aber nie mit Skalentoenen beschaeftigt, mein Ausgangspunkt waren und sind immer die Akkorde.

Das geht mir ganz und gar genauso. Ich tummele mich im Rock- und Pop-Bereich, wo es sowieso nur um maximal drei, vier Soli am Abend geht - da reicht das, wenn man es mit ein paar Effekthaschereien garniert.

Gleichzeitig stelle ich aber auch fest, dass das nicht besonders spannend ist und ich dringend was anderes lernen und tun müsste.

Aus diesem Grund habe ich ein paar etwas ältere aber immer noch schlaue Bücher über das Gitarrenspielen rausgeholt und mir schonmal die Bilder angesehen. In einem ist ein so cooles Foto von Scofield, dass ich dringend eine ES brauche. Gut - das Ansehen von Fotos und der Plan eines Gitarrenkaufs helfen beim Solieren so noch nicht wirklich.

Im übrigen bekam ich während der letzten Proben häufiger mal einen Rüffel, ich solle aufhören zu gniedeln. Der Rüffel war berechtigt. Ich übe jetzt wieder mehr Rhythmus.

Tja, es bleibt schwierig.

Gruß

erniecaster
 
Jedem das seine, ich finds spannend, euch "Jazzakkord(er)kennern" beim fachsimpeln zu folgen, es bringt mir aber persönlich nichts. Da wo ich herkomme, wird alles über dem 7er Akkord eh schon für Jazz erklärt, bei einem eingeschobenen sus-Akkord werde ich schief angeschaut und wenn ich einen Song auf A7/9 mal enden lassen möchte...

Mein Credo: alles, was nach einem Septakkord kommt, ist unnötiger Ballast Luxus.


Macht weiter...
 

Beliebte Themen

Zurück
Oben Unten