Spielen mit Vision?

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Anonymous

Guest
Hi,

ich bin gerade wieder beim Einsteigen in mein zweites Hobby, dem Knipsen. Als Fotograf möchte ich mich noch nicht bezeichnen, vielleicht auf dem Weg dazu. Beim Stöbern im Web sind mir ein paar Statements aufgefallen, die mich zum Nachdenken angeregt haben, auch was das Gitarrspielen betrifft.

"...As Ansel Adams so truly observed, there's nothing worse than a sharp picture of a fuzzy idea..."
Oder musikalisch von mir ausgedrückt: "Es gibt nichts Schlimmeres, als einen tollen Sound zu einer schwammigen, undeutlichen Idee." - oder so ähnlich.

Zweiter Satz:
"...Cameras are not like stereo equipment, cell phones, GPSs, FAX machines and scanners. While all this tends to come from the same stores and is purchased by the same sorts of people, all of this other consumer electronic equipment is used merely to reproduce the works of others, while cameras are tools used to create works out of nothing..."

Oder: "... während Gitarren Werkzeuge sind, um Etwas aus dem Nichts zu erschaffen."

Mir ist in diesem Zusammenhang wieder mal klar geworden, dass der beste Amps und die tollsten Effekte nichts nützen, wenn ich ideenlos spiele, keine Vision von meinem Ton habe und mir nicht klar ist, was ich mit meinem Spielen ausdrücken möchte. Das beruhigt dann doch etwas, wenn mal wieder so ein Tag ist, an dem mir mein Sound überhaupt nicht gefällt.

Wie seht Ihr das?

Grüße
 
riliho schrieb:
"...there's nothing worse than a sharp picture of a fuzzy idea..."

"Es gibt nichts Schlimmeres, als einen tollen Sound zu einer schwammigen, undeutlichen Idee." - oder so ähnlich."
Abgesehen davon, dass die Analogie zur Fotografie nur bis zu einem bestimmten Punkt tragfähig ist (d.h., es gibt zwar Ähnlichkeiten, aber diese sollten nicht dazu verleiten, die Unterschiede zwischen Fotografie und Musik zu ignorieren), würde ich das "sharp picture" hier nicht mit einem "tollen Sound durch Equipment" gleichsetzen (mir scheint, dass Du das so auffasst), sondern einen Schritt davor ansetzen, nämlich bei der "handwerklichen Ausführung", die schon vor dem Einsatz von technischem Equipment beginnt. Also: Das Zusammentreffen von handwerklicher Perfektion mit einer undeutlichen (oder nicht vorhandenen) Idee ist besonders schlimm.

Ob ich das unterschreiben würde, weiß ich nicht, denn das Zusammentreffen von handwerklichem Pfusch mit einer schlechten, undeutlichen oder nicht vorhandenen Idee ist wahrscheinlich nicht grundlegend besser. Aber man kann sich natürlich trotzdem vorstellen, wie die Aussage gemeint ist.

Mir ist in diesem Zusammenhang wieder mal klar geworden, dass der beste Amps und die tollsten Effekte nichts nützen, wenn ich ideenlos spiele, keine Vision von meinem Ton habe und mir nicht klar ist, was ich mit meinem Spielen ausdrücken möchte.
Das war schon immer so. Aber man kann glaube ich zum Trost sagen, dass man umgekehrt allein mit Visionen, Ideen und Ausdruck auch nicht so recht zum Ziel kommt. Zumal letztere auch dann und wann gern mal ausbleiben und man trotzdem weiterspielt.
 
"Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen."

H. Schmidt

Gruß,

P.S. Ken Rockwell ist ein Marketing-Genie, kein Fotografie-Genie.
 
riliho schrieb:
Mir ist in diesem Zusammenhang wieder mal klar geworden, dass der beste Amps und die tollsten Effekte nichts nützen, wenn ich ideenlos spiele, keine Vision von meinem Ton habe und mir nicht klar ist, was ich mit meinem Spielen ausdrücken möchte.

Ich habe keine Ahnung, was ich mit meiner Musik ausdrücken will. Ich möchte Musik machen, die mir Spaß macht und mich bewegt, aber was ich damit ausdrücken will, woher soll ich das wissen?
 
Nashorn schrieb:
riliho schrieb:
Mir ist in diesem Zusammenhang wieder mal klar geworden, dass der beste Amps und die tollsten Effekte nichts nützen, wenn ich ideenlos spiele, keine Vision von meinem Ton habe und mir nicht klar ist, was ich mit meinem Spielen ausdrücken möchte.

Ich habe keine Ahnung, was ich mit meiner Musik ausdrücken will. Ich möchte Musik machen, die mir Spaß macht und mich bewegt, aber was ich damit ausdrücken will, woher soll ich das wissen?

Huhu,
mhhhh, also ich weiß auch genau was ich ausdrücken will, nämlich was ich gerade empfinde. Und das kann dann melancholisch, albern, fröhlich, nervös, gelassen oder was auch immer klingen.... Für mich ist das der Grund, warum ich überhaupt Musik mache. Equipment ist mir dahingehend fast wurscht, es soll gut funktionieren und mich wenn es geht inspirieren toll zu spielen.
 
Danke für Eure Rückmeldungen, ich wollte kein Fass aufmachen...

Auch wenn Ken Rockwell ein Marketing-Genie sein sollte, irgendwie hat er nicht Unrecht, finde ich.

Aber dazu passen auch so manche Äußerungen von Gitarristen, die sagen, man sollte sich schon vor dem Spielen eines Tones darüber Gedanken gemacht haben... Also eher nicht gedankenlos rumfiedeln.

Ich fand den Gedankenansatz einfach mal anders und in dem Zusammenhang sehr interessant.

Wir müssen es aber nicht vertiefen, es gibt Wichtigeres im Leben :)
 
Der Vergleich zwischen Fotografie und Gitarre spielen erscheint mir nicht weit hergeholt. Es gibt eine Masse Menschen, die, fasziniert von Technik und deren Möglichkeiten eine sauteure Profikamera kaufen um damit unendlich langweilige und technisch schlechte Bilder zu machen.

Es gibt eine Masse Menschen, die sich, fasziniert von Design, Technik und Namen eine sauteure Gitarre kaufen, um darauf unendlich langweilige Musik zu machen.

Eine Kamera ist nur ein technisches Gerät mit einem künstlichen Auge, das keine Intelligenz und keine Kreativität besitzt. Komponist eines faszinierenden Bildes ist das Auge hinter der Kamera, vernetzt mit dem Gehirn und dem Gefühl für eine Bildkomposition.

Eine Gitarre ist auch nur ein technisches Gerät. Erst in den Händen eines Menschen, der die Technik des Spielens beherrscht und der das untrügliche Gefühl für das Setzen (oder Weglassen) von Tönen besitzt, die sich zu Musik formen, hinter der man die Technik vergisst, erst in den Händen dieses Menschen wird sie zu einem „Musik“instrument.

Ein großer Teil zeitloser Musik wurde auf primitiven Gitarren gespielt. Zeitlose Bilddokument mit primitiven Plattenkameras fotografiert.

Entscheidend für das Ergebnis war immer der künstlerisch veranlagte, begabte oder auch begnadete Mensch. Nie das technische Gerät.

Tom
 
little-feat schrieb:
Der Vergleich zwischen Fotografie und Gitarre spielen erscheint mir nicht weit hergeholt. Es gibt eine Masse Menschen, die, fasziniert von Technik und deren Möglichkeiten eine sauteure Profikamera kaufen um damit unendlich langweilige und technisch schlechte Bilder zu machen.

Es gibt eine Masse Menschen, die sich, fasziniert von Design, Technik und Namen eine sauteure Gitarre kaufen, um darauf unendlich langweilige Musik zu machen.

Eine Kamera ist nur ein technisches Gerät mit einem künstlichen Auge, das keine Intelligenz und keine Kreativität besitzt. Komponist eines faszinierenden Bildes ist das Auge hinter der Kamera, vernetzt mit dem Gehirn und dem Gefühl für eine Bildkomposition.

Eine Gitarre ist auch nur ein technisches Gerät. Erst in den Händen eines Menschen, der die Technik des Spielens beherrscht und der das untrügliche Gefühl für das Setzen (oder Weglassen) von Tönen besitzt, die sich zu Musik formen, hinter der man die Technik vergisst, erst in den Händen dieses Menschen wird sie zu einem „Musik“instrument.

Ein großer Teil zeitloser Musik wurde auf primitiven Gitarren gespielt. Zeitlose Bilddokument mit primitiven Plattenkameras fotografiert.

Entscheidend für das Ergebnis war immer der künstlerisch veranlagte, begabte oder auch begnadete Mensch. Nie das technische Gerät.

Tom

So ganz stimmt das aber auch nicht:
Mit der technischen Einführung bewegter Bilder entstand die neue Kunstorm "Film" - die es bis dato nicht gegeben hatte.
Mit der Einführung der E-Gitarre verhält es sich ähnlich.
In wie weit sich ein technisches Gerät im Vergleich zum Vorgänger verändern muss, bis es "neue Kunstformen" abwirft, da kann man drüber streiten. Dass neue Kunstformen über neue Geräte entstanden sind, nicht...

(Okay, trifft jetzt zwar nicht den Kern des Threads, ich wollte es aber der Vollständigkeit wegen mal erwähnt haben. ;-) )
 
little-feat schrieb:
Entscheidend für das Ergebnis war immer der künstlerisch veranlagte, begabte oder auch begnadete Mensch. Nie das technische Gerät.

Hübsch, aber zu einfach.




Kreativität wird paradoxerweise begünstigt durch zwei konträre Aspekte:

1.) Dem notwendigem Werkzeug. Es ist nämlich doch wichtig.

Ich konnte zum Beispiel ein Großteil meiner Ideen in der Fotographie oft nicht umsetzen, weil eben das technische Gerät, was in dem Moment vor Ort mir zur Verfügung stand, seine Grenzen hatte, z.B. lichtschwache Objektive, ungünstiger Film oder zu kleine Blenden. Das kann man kreativ kompensieren aber dennoch stehen einem bei besten theoretischen Können nicht alle Türen offen.
Und manche Gitarren, bestimmte Effekte oder technische Systeme sind zum Beispiel nicht immer nur Zuckergruß oder Krücke. Sie sind als Teil des instrumentalen Feldes "E-Gitarre" so legitim wie die Saiten selbst. Sie bedingen gewisse Möglichkeiten und Formen erst, für die sie zwingend notwendig sind.
Purisms klingt nämlich als Slogan schön markant. Es ist aber per Definition eine Sackgasse. Und jede Reduktion auf vermeintlich Wesentliches ist immer willkürlich und damit albern.



2.) Dem Fehlen gewisser Werkzeuge und dem Problem, sich mit Limitierungen auseinanderzusetzen (oder: Der Grenzzaun als Baugerüst).

Ich konnte (siehe oben) viele Arten normaler Fotos nicht machen, musste daher anders fotographieren und habe viel Anerkennung bekommen für Bilder die entstanden weil die "eigentlichen" Bilder nicht möglich waren. Ich konnte nicht konkurieren, musste also mit was anderem aufwarten.
Und viele haben bestimmte Techniken auf der Gitarre entwickelt, die eigentlich als Kompensation für etwas Anderes, Besseres aber nicht Vorhandenes standen. Saitenziehtechniken z.B. weil niemand wusste, dass die Originalaufnahme eine Lapsteel war.
Ich weiß nicht ob es war oder Legende ist, dass die Chinesen dasselbe Wort für "Krise" und "Gelegenheit/Chance" verwenden (vielleicht kann unser Korrespondent aus Peking dazu Stellung nehmen). Selbst wenn es Legende wäre, ist es doch eine inspirierende Maxime.



Werkzeug ist wichtig. Dass es gut ist, ist wichtig. Dass es das richtige ist, kann enorm wichtig sein. Es kann die conditio sine qua non sein.

Wer nicht mehr braucht, hat anscheinend schon alles, darf aber nicht verkennen, dass andere Menschen eben anderes, besseres oder mehr brauchen weil es sie dahin treibt, weil sie eben etwas Besonderes damit vorhaben.
Das heißt es, künstlerisch veranlagt, begabt oder auch begnadet zu sein.
Nicht weniger.
 
groby schrieb:
dass andere Menschen eben anderes, besseres oder mehr brauchen weil es sie dahin treibt, weil sie eben etwas Besonderes damit vorhaben.
Das heißt es, künstlerisch veranlagt, begabt oder auch begnadet zu sein.

Soweit ich weiß, hat Beethoven seine größten Werke nach Verlust seines wichtigsten Instrumentes geschaffen - dem Gehör.

van Gogh unter Abwesenheit seines Verstandes, Toulouse Lautrec ebenfalls, Horst Jannsen im Zustand ständiger Volltrunkenheit usw.

Meine frühen Jahre habe ich als Pressefotograf verbracht, mit einer gebrauchten Olympus OM-1, ohne Belichtungsmesser, ohne Zoom, mit ständiger Unterbelichtung und Blitzlicht am Tage. Brennweite, Schärfentiefe, Tiefenschärfe...alles intuitiv. Manchmal heißt Kunst eben, das Beste aus bescheidenen Mitteln zu machen.

Wenn man gut ist, ist man besser als der, der aus dem Vollen schöpft, aber nicht den Kick hat. Ist arrogant, aber halt meine Wahrheit.

Die Fotos liegen heute noch im Archiv des größten......

Ach egal, bringt nix. Lassen wir es sein.

Tom
 
@Tom: Sehe ich auch so.

Es ist aus meiner Sicht genug Input gewesen. Danke für Eure Anregungen, hat mich nur bestätigt :)
 
groby schrieb:
Ich weiß nicht ob es war oder Legende ist, dass die Chinesen dasselbe Wort für "Krise" und "Gelegenheit/Chance" verwenden (vielleicht kann unser Korrespondent aus Peking dazu Stellung nehmen). Selbst wenn es Legende wäre, ist es doch eine inspirierende Maxime.

Hi,

ich muss Dich enttaeuschen, die Begriffe sind im Chinesischen unterschiedlich.

Krise: weiji
Chance: jihui

Gruss
Der Nominator
 
Hallo!

Wenn ich mich richtig erinnere und richtig informiert bin, war "Krise" das griechische Wort für "Entscheidung". Immerhin.

Gruß

e.
 
die so benannte Plattenkamera ist sicher nicht primitiv, damit muss man erst mal umgehen können. Gitarre und Kamera ist in diesem Zusammenhang ein Medium, wenn man mit den Geräten nicht umgehen kann, kann man die Vision nicht umsetzen. Selbst wenn die Kamera (oder Gitarre) primitiv sein sollte, ist es der Anspruch, das Beste aus der Situation mit dem Gerät herauszuholen. Das ist dann die Kunst an der Sache.
 

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