Die klassische Lehre im Gitarrenbau

W°°

Power-User
4 Feb 2002
4.954
3
1
Dübelhausen
Hallo Kollegen,

Jedes Jahr erhalte ich Dutzende Bewerbungen zur Ausbildung in meinem Beruf.
Wir haben auch in den vergangenen 25 Jahren viele Gitarrenbauer auf den Weg gebracht.
Jedoch nicht ohne den Widerstand meines Berufsverbands, der andere Pläne hat.
Nun ist ein Punkt gekommen, an dem die klassische Lehre am Ende zu sein scheint.

http://www.kraushaar-gitarren.de/cms/Lehre.html
 
Wenn da schon steht, dass Mitglieder dieser Innung an einen Biertisch passen, also Zupfinstrumentenmachermeister, die überhaupt eine offizielle Ausbildung zum Zupfinstrumentenmacher anbieten könnten,...

Wieviele von dieser Handvoll bilden realiter tatsächlich aus? Eine Handvoll dieser Handvoll? Also zwei oder so? Es geht um ein Problem betreffend zwei, drei Lehrstellen im gesamten Land?

Da beschriebenen Argumente beziehen sich auf Ausbildung in einem Kleinbetrieb. Könnte ein Aspirant diese Ausbildung auch z.B. bei Warwick/Framus machen? Düsenberg hat doch bestimmt auch kleinere deutsche Handwerksbereiche. Oder einem anderen größeren Betrieb, mir fällt da nicht viel mehr ein. Bilden die denn aus?
 
groby schrieb:
Wenn da schon steht, dass Mitglieder dieser Innung an einen Biertisch passen, also Zupfinstrumentenmachermeister, die überhaupt eine offizielle Ausbildung zum Zupfinstrumentenmacher anbieten könnten,...

Wieviele von dieser Handvoll bilden realiter tatsächlich aus? Eine Handvoll dieser Handvoll? Also zwei oder so? Es geht um ein Problem betreffend zwei, drei Lehrstellen im gesamten Land?

Da beschriebenen Argumente beziehen sich auf Ausbildung in einem Kleinbetrieb. Könnte ein Aspirant diese Ausbildung auch z.B. bei Warwick/Framus machen? Düsenberg hat doch bestimmt auch kleinere deutsche Handwerksbereiche. Oder einem anderen größeren Betrieb, mir fällt da nicht viel mehr ein. Bilden die denn aus?

Niemand bildet (nach meinem Kenntnisstand) aus.
Die Innungsmeister schon seit Ewigkeiten nicht mehr.
Die Hand voll waren bei meinem letzten Treffen mit dem Berufs Bildungs Ausschuss 4 - mit meiner Person als berufener Innungs-fremder. Framus und Duesenberg kann und will nicht ausbilden.
Christian und ich waren die letzten privaten Ausbilder in Deutschland.
Es gibt nur noch die vom Land finanzierten Innungsschulen in Mittenwald und Klingental. Punktlandung.
 
W°° schrieb:
Es gibt nur noch die vom Land finanzierten Innungsschulen in Mittenwald und Klingental.
Wurde Klingental nicht gerade deshalb ins Leben gerufen, damit die Framus-Azubis das quasi direkt vor der Haustür haben?
Ich meine mich zu erinnern, dass Framus ein recht großes Ausbildungszentrum aufgebaut hat:
Ob es hinterher interessant ist, dort zu arbeiten? Man ist ja dann immer genau nur an einem Produktionsgang beteiligt,
also Du bundierst, oder Du machst Sättel oder was auch immer ...


Und Höfner? Bilden die nicht mehr aus?

Fakt ist halt, dass es in DE die Tradition der Zünfte/Innungen gibt. In DE hat man auch in vieler Hinsicht den Eindruck,
dass das Papier mit irgendwelchen Ausbildungsnachweisen wichtiger ist als zB Erfahrung im Job.
Hat Paul Reed Smith das gelernt? Nein, und der baut ja ganz schicke Möbel!
Leo Fender? Fehlanzeige?

Ein super Beispiel dafür, was in der Praxis geht, ist das Formentera-Model:
Einst von Atze ins Leben gerufen, (ich meine) später erst durch Stratmann unterstützt, bis hin zu Erkki, der das heute macht:
Keine Ausbildung als Zupfinstrumentenmacher, war zuerst selbst Schüler bei Atze, hat aber einen Background aus dem Elektro/Physikbereich, und macht heute was:
Betreibt eine Schule, wo man in ca. 3 Wochen sein fertiges Instrument macht.
Wenn man dann nicht untalentiert ist, handwerkliches Geschick mitbringt, dann hat man da doch schon ziemlich viel mitgenommen.

Eine Alternative zum "starren Ausbildungsschema von Anno Dazumal" ist nötig. Wenn dann jemand außer E-Gitarren noch ins Akustikfach einsteigen will, wird halt eine Zusatzausbildung nötig.
 
Hanika hat einen Auszubildenden (http://www.hanika.de/de/manufaktur.html#team).

Mann, das reißt die Statistik aber rasant nach oben! :roll:
 
gitarrenruebe schrieb:
Fakt ist halt, dass es in DE die Tradition der Zünfte/Innungen gibt. In DE hat man auch in vieler Hinsicht den Eindruck,
dass das Papier mit irgendwelchen Ausbildungsnachweisen wichtiger ist als zB Erfahrung im Job.
Hat Paul Reed Smith das gelernt? Nein, und der baut ja ganz schicke Möbel!
Leo Fender? Fehlanzeige?

Eine Alternative zum "starren Ausbildungsschema von Anno Dazumal" ist nötig. Wenn dann jemand außer E-Gitarren noch ins Akustikfach einsteigen will, wird halt eine Zusatzausbildung nötig.

Wahre Worte. :top:

Das beste Beispiel ist doch C.F. Martin, der aus ähnlichen Gründen in die USA ausgewandert ist.
Sowas wie Bill Gates wäre in D deshalb nicht möglich, weil es für "reichster Mann der Welt" keinen Ausbildungsberuf gibt.
Diese Art der Ausbildung über starre Ausbildungsbilder ist doch Anachronismus, der nur dazu dient, bestimmten Institutionen die Pfründe zu erhalten.
Das Handwerk hats ja sogar verstanden, den Meisterbrief in D exklusiv gegen EU-Recht durchzusetzen.

Aber bis sich daran in D etwas ändert, dauert das noch 500 Jahre. Zumindest glaube ich nicht, das ich das noch erlebe.
 
Niemand bestreitet, dass man auch ohne Meisterbrief meisterhafte Arbeit machen kann und dass es - wie eigentlich überall - Reformbedarf gibt.

Aber wenn man etwas Ansprüche hat, ist das schon schön wenn man mit größeren Problemen, Wünschen oder (finanziell oder ideell) wertvolleren Instrumenten zu jemandem gehen kann, von dem es mehr als nur Hören-Sagen zur Empfehlung gibt.

Ich habe jedenfalls schon genug erlebt von diversen Gitarrenreparateuren. Meist war es "akzeptabel" bis "gut". Aber so richtig "Geil, perfekt! Hier, Alter, fühl mal!" war es nur von wenigen, die dann auch - nicht überraschend - Zupfinstrumentemachermeister waren. Der Zusammenhang ist nicht zwingend aber nachvollziehbar kausal.

Und nicht zuletzt ist es auch eine Sache von Selbststolz wenn ein echter, wirklicher, gelernter Musikinstrumentemacher sich durch Zertifikat und Titel nicht sofort von jedem, der mal vier Halsschrauben schräg reingedreht hat, in denselben Topf werfen lassen muss. Dieser Titel und diese Ausbildung müssen realiter möglich sein. Sonst schafft sich ein Beruf hinterrücks selber ab und überlässt die Lücke jedem Stümper und Amateur.

Schade dass Leute ihre eigene Expertise so gering schätzen, dass sie an seiner Erhaltung nicht interessiert sind.
 
Die deutsche Bürokratie - der deutsche Klüngel - der deutsche Lobbyismus

Das sind kulturelle Errungenschaften, die noch ergänzt werden durch den kommunalen und den europäischen Klüngel, Bürokratie, .........

Denke, die meisten, die in Lohn und Brot stehen können Stunden darüber reden - egal welche Branche.

Das einzig Positive ist: es gibt kaum Kontrollinstanzen. So hat man dann wieder selber die Verantwortung und kann flexibel agieren. Bestimmt gibt es kreative Lösungen, zum Beispiel mit Arbeits- oder Ausbildungsverträgen im EU-Ausland. Werksverträge. Leiharbeiter. Wer will, kann sich schon selber helfen.
 
Aus erster Hand weiß ich, dass man beim Leben in einem anderen Land zwei Dinge feststellt:


1. Deutsche Gründlichkeit (leider mit all ihren peniblen formellen Peinlichkeiten) hat auch nette Nebeneffekte. Zum Beispiel sind viele "Experten" hier tatsächlich sowas wie Experten. Das ist schön. Man denke an Elektriker. Oder Feuerwehrleute. Oder genau genommen eigentlich an alle.

(Das mit den Elektrikern und leider auch den Feuerwehrleuten sind insgesamt vier längere Stories aber auch das durfte ich mal selber sehr eindringlich vergleichen.)

2. Es gibt in jedem verdammten Land Klüngel, Idiotien und Sinnlosigkeiten gerade bei allem Formellen. Das Phänomen ist eindeutig nicht spezifisch deutsch. Nur dabei über sein Land zu jammern und zu behaupten, das gäbe es nur hier, das ist durchaus typisch deutsch.
 
groby schrieb:
Aus erster Hand weiß ich, dass man beim Leben in einem anderen Land zwei Dinge feststellt:


1. Deutsche Gründlichkeit (leider mit all ihren peniblen formellen Peinlichkeiten) hat auch nette Nebeneffekte. Zum Beispiel sind viele "Experten" hier tatsächlich sowas wie Experten. Das ist schön. Man denke an Elektriker. Oder Feuerwehrleute. Oder genau genommen eigentlich an alle.

(Das mit den Elektrikern und leider auch den Feuerwehrleuten sind insgesamt vier längere Stories aber auch das durfte ich mal selber sehr eindringlich vergleichen.)

2. Es gibt in jedem verdammten Land Klüngel, Idiotien und Sinnlosigkeiten gerade bei allem Formellen. Das Phänomen ist eindeutig nicht spezifisch deutsch. Nur dabei über sein Land zu jammern und zu behaupten, das gäbe es nur hier, das ist durchaus typisch deutsch.

Beides völlig richtig. Zustimmung. In italienischen Hotels z. B. sieht viel sehr gut aus, funktioniert aber wenig. In Portugal hab ich ein halbes Jahr gelebt und was dort am Bau gepfuscht wird, ist hier zum Glück unvorstellbar.
 
groby schrieb:
Schade dass Leute ihre eigene Expertise so gering schätzen, dass sie an seiner Erhaltung nicht interessiert sind.

Nach meiner Einschätzung ist hier mit der Europäisierung der deutschen Handwerksordnung eine Mischung aus Fatalismus und Ignoranz entstanden, so dass sich die Innungen nicht mehr um den Beruf, sondern ausschließlich um sich selber kümmern.
Das ist jedoch nicht in allen Berufen gleich. In Nischenberufen, deren Prüfungsauschüsse am Republikrand liegen, scheint es besonders schwierig - zumal es praktisch keine Kontroll-Instanzen gibt.
Die Situation ist aber auch - das muss man mal erwähnen - durch die bestehende Gesetzgebung extrem verfahren und niemandem fallen hier spontan kluge Dinge ein.

So wie bisher geht es jedoch nicht mehr weiter.
Ich stehe im Dialog mit einigen Kollegen und wir müssen uns neue Konzepte der Ausbildung überlegen, die wieder für beide Parteien "angemessen" erscheinen.
Da man mit dem DGB und der Innung nicht diskutieren kann, ist für mich das Thema "Gesellenbrief", wie man ihn früher kannte, vom Tisch.

Ich vertrete aber schon lange die Überzeugung, dass ein qualifiziertes Zeugnis eines namhaften Gitarrenbauers mehr aussagt, als der "Gesellenbrief" eines gnorzigen Prüfungsausschusses.
Ein Abschluss von einer der Innungsschulen ist sogar , das weiß ich aus mehreren Gesprächen mit einflussreichen Leuten aus der Musikalienbranche, bei Bewerbungen ein Ausschlusskriterium.
 
W°° schrieb:
Ein Abschluss von einer der Innungsschulen ist sogar , das weiß ich aus mehreren Gesprächen mit einflussreichen Leuten aus der Musikalienbranche, bei Bewerbungen ein Ausschlusskriterium.
Ist ein wenig wie in meiner Branche: In den 11 Jahren, die ich mittlerweile als Anwendungsentwickler in der Firma bin, waren ausgerechnet die mit der höchsten theoretischen Bildung (Uni-Diplom) diejenigen, die in der Praxis am wenigsten brauchbar waren. Die konnten theoretisch alles ganz prima (ohne Ironie), sind am nicht-idealen Umfeld der Praxis mit Kundenwünschen, die sich nicht an theoretische Denkmodelle halten, angeeckt bis gescheitert.

Andererseits, und auch hier sehe ich eine Parallele zum Gitarrenbau, habe ich mittlerweile eine unfassbare Menge an Bewerbern gesehen, die sich ihr Wissen per Copy and Paste zusammengeklaubt haben und auf den ersten Blick ganz tolle Sachen fabrizieren, aber an unserem Einstellungstest (ein seit 12 Jahren unverändertes PHP-Script mit handelsüblichen Fallstricken, eigentlich sehr simpel) mit Pauken und Trompeten scheitern, weil das entsprechende Grundlagenwissen fehlt.
 
über welche Beträge reden wir denn da bei der empfohlenen Ausbildungsvergütung Tischler vs. Gitarrenbau-Lehrling bisher ?
 
@ banger:

Und wer taugt dann eigentlich?

Ich halte grundsätzlich eine fundierte theoretische Ausbildung (oder nennen wir es besser Grundlagenausbildung) für die notwendige Basis für Topleistungen, ganz egal in welcher Branche. Hochhqualifikation (ob Uni, FH, sonst was) alleine ohne Anleitung in der praktischen Umsetzung ist aber eben zu wenig. Und gerade da ist in der akademischen Ausbildung ein Umdenken nötig. Teilweise wird das bereits vollzogen (Paradebeispiel Medizin: der Top - Wissenschaftler kann natürlich trotzdem keine OP durchführen, wenn er dies nie auch praktisch gelernt hat), teilweise besteht noch viel Handlungsbedarf.
 
Schnabelrock schrieb:
Beides völlig richtig. Zustimmung. In italienischen Hotels z. B. sieht viel sehr gut aus, funktioniert aber wenig. In Portugal hab ich ein halbes Jahr gelebt und was dort am Bau gepfuscht wird, ist hier zum Glück unvorstellbar.

Der Metaller misst in Millimetern, der Tischler in Zentimetern und der Maurer ist froh, wenn er auf dem Grundstück bleibt!

Es geht nicht darum, ob oder das etwas vermittelt werden soll, sondern um das wie!
Konkret:
Ich kenne jemanden, der ein gutes Brot bäckt. Um das zu verkaufen, müsste er in Deutschland 3 Jahre eine Bäckerlehre und dann noch 2 Jahre die Meisterprüfung machen. Macht zusammen 5 Jahre.
Im Ausland könnte er den Laden sofort aufmachen.

Warum ist das so?
Und muß das so sein?
Oder ist das nur in Deutschland so?
Wenn ja, warum?
 
Django Telemaster schrieb:
Warum ist das so?

Weil ich nicht unversehens Brot kaufen möchte von einem, der sich mal eben selbst zum Bäcker ernannt hat.

Ich kann die nicht alle vorher kennenlernen wie du deinen einen Bekannten.

Ich möchte gerne, dass die vorher in irgendeiner Form Fachwissen bewiesen haben bevor sie meine Bremsen reparieren, Gasbrenner einstellen oder ich verderbliche Lebensmittel von denen kaufe.

Was privat funktioniert ("Ich kenne einen, der...") ist keine gesellschaftliche Basis.

Nein, das ist nicht nur in Deutschland so. Das mag hier manchmal strenger sein aber das gibt es in jedem entwickeltem Land.
 
groby schrieb:
Was privat funktioniert ("Ich kenne einen, der...") ist keine gesellschaftliche Basis.

Gerade das ist wohl in Amerika gängige Handwerkspraxis. Allerdings sollen gerade dort Auswanderer mit einer deutschen Handwerksausbildung sehr gefragt sein.

Just my 2 Cents

JerryCan

p.s.: Und Leo Fender ist ein Sachen "Do it yourself-Handwerker" IMHO nicht das beste Beispiel: Mit etwas mehr theoretischen Hintergrundwissen hätte er das Vibratosystem seiner Gitarren nicht "Tremolo" genannt und den Tremoloeffekt seiner Verstärker nicht "Vibrato". ;-)

scr
 
powerslave schrieb:
@ banger:

Und wer taugt dann eigentlich?

Die Antwort hast Du eigentlich schon selbst gegeben:

powerslave schrieb:
Ich halte grundsätzlich eine fundierte theoretische Ausbildung (oder nennen wir es besser Grundlagenausbildung) für die notwendige Basis für Topleistungen, ganz egal in welcher Branche.

Die beiden Szenarien, die ich zuvor beschrieb, sind Extrema. Was wir haben wollen (bzw. die Leute, mit denen wir bisher am besten gefahren sind) sind Menschen, die über anständiges Grundlagenwissen verfügen, darüber hinaus aber noch flexibel genug sind, in der agilen Realität zurecht zu kommen.
 
W°° schrieb:
Hallo Kollegen,

Jedes Jahr erhalte ich Dutzende Bewerbungen zur Ausbildung in meinem Beruf.
Wir haben auch in den vergangenen 25 Jahren viele Gitarrenbauer auf den Weg gebracht.
Jedoch nicht ohne den Widerstand meines Berufsverbands, der andere Pläne hat.
Nun ist ein Punkt gekommen, an dem die klassische Lehre am Ende zu sein scheint.

http://www.kraushaar-gitarren.de/cms/Lehre.html


Nun,........."6-8 Gitarren und ein paar Reparaturen" - vielleicht ist dies
das Problem.
Ein gut geführter Betrieb, der wirtschaftlich orientiert denkt und arbeitet sollte hier mehr schaffen - sofern der Markt da wäre -DENN:
Leider ist aber (scheinbar) deutsche Qualitätshandarbeit zum
HALBEN-PREIS-WIE-CNC-MASSENWARE-MIT-BIRDS nicht gefragt.
Wer was auf sich hält spielt USA-Ware und wer sich das nicht leisten kann
China-Kracher.
Sicher gibt es viele Nischen-Player wie Huber, Hartung und Co.; es sprießen ja monatlich neue "Gitarrenbauer" aus dem Boden, heute mit Spielkarten im Neck und morgen nix mehr wert.

Im Ernst, da werden für Gibsons 8000 € aufgerufen weil sie nun WIRKLICH wie eine 59er klingen (gähn) und zusammengenagelte Fenderbretter jetzt in "Klobrillenbeige over Güllengrün" kaputt geaged kosten in der SESSION-Sonderauflage von "Ja hier ist der Olli" tiefgefroren nur 5.000 €......... :shock:

Irgendwas ist schiefgelaufen mit Made in germany; und dies lange vor VW.
 
groby schrieb:
Niemand bestreitet, dass man auch ohne Meisterbrief meisterhafte Arbeit machen kann und dass es - wie eigentlich überall - Reformbedarf gibt.

Aber wenn man etwas Ansprüche hat, ist das schon schön wenn man mit größeren Problemen, Wünschen oder (finanziell oder ideell) wertvolleren Instrumenten zu jemandem gehen kann, von dem es mehr als nur Hören-Sagen zur Empfehlung gibt.

Ich habe jedenfalls schon genug erlebt von diversen Gitarrenreparateuren. Meist war es "akzeptabel" bis "gut". Aber so richtig "Geil, perfekt! Hier, Alter, fühl mal!" war es nur von wenigen, die dann auch - nicht überraschend - Zupfinstrumentemachermeister waren. Der Zusammenhang ist nicht zwingend aber nachvollziehbar kausal.

Und nicht zuletzt ist es auch eine Sache von Selbststolz wenn ein echter, wirklicher, gelernter Musikinstrumentemacher sich durch Zertifikat und Titel nicht sofort von jedem, der mal vier Halsschrauben schräg reingedreht hat, in denselben Topf werfen lassen muss. Dieser Titel und diese Ausbildung müssen realiter möglich sein. Sonst schafft sich ein Beruf hinterrücks selber ab und überlässt die Lücke jedem Stümper und Amateur.

Schade dass Leute ihre eigene Expertise so gering schätzen, dass sie an seiner Erhaltung nicht interessiert sind.

Sehe ich eigentlich genauso.

Zwar bedeutet eine entsprechende Ausbildung (oder allgemeiner ein Studium) nicht unbedingt automatisch höhere Kompetenz, die Wahrscheinlichkeit dafür (oder von mir aus statistische Häufigkeit) aber steigt.

Davon abgesehen finde ich es schade, wenn denjenigen, die sich für diesen Weg entschieden haben, durch solche Vorgaben diese Möglichkeit genommen wird.
 
Hai!

Wir (HTBLA Hallstatt) sind übrigens die einzigen in Österreich, die überhaupt Geigen- und Gitarrenbauer ausbilden. Die einzige weitere Lehrstelle beim Innungsmeister im Nachbarbundesland scheint nicht so das Wahre zu sein, von ihm haben wir schon drei Lehrlinge übernommen, die dort die Brocken hingeworfen haben....

Morgen ist Aufnahmeprüfung, es haben sich 23 Leute angemeldet, sieht so aus, als würde wir wieder zwei erste Klassen mit jeweils sieben Schülern eröffnen...

Wenn wir mit jedem Kandidaten nur zehn Minuten reden, dauert allein der Spaß schon vier Stunden, zuzüglich Zeichnen, Musiktheoretische Prüfung und Vorspielen.
:shock:

Man darf gespannt sein!

Beste Grüße,
Jab
 
FreiBlues schrieb:
W°° schrieb:
Hallo Kollegen,

Jedes Jahr erhalte ich Dutzende Bewerbungen zur Ausbildung in meinem Beruf.
Wir haben auch in den vergangenen 25 Jahren viele Gitarrenbauer auf den Weg gebracht.
Jedoch nicht ohne den Widerstand meines Berufsverbands, der andere Pläne hat.
Nun ist ein Punkt gekommen, an dem die klassische Lehre am Ende zu sein scheint.

http://www.kraushaar-gitarren.de/cms/Lehre.html


Nun,........."6-8 Gitarren und ein paar Reparaturen" - vielleicht ist dies
das Problem.
Ein gut geführter Betrieb, der wirtschaftlich orientiert denkt und arbeitet sollte hier mehr schaffen - sofern der Markt da wäre -DENN:
Leider ist aber (scheinbar) deutsche Qualitätshandarbeit zum
HALBEN-PREIS-WIE-CNC-MASSENWARE-MIT-BIRDS nicht gefragt.
Wer was auf sich hält spielt USA-Ware und wer sich das nicht leisten kann
China-Kracher.
Sicher gibt es viele Nischen-Player wie Huber, Hartung und Co.; es sprießen ja monatlich neue "Gitarrenbauer" aus dem Boden, heute mit Spielkarten im Neck und morgen nix mehr wert.

Im Ernst, da werden für Gibsons 8000 € aufgerufen weil sie nun WIRKLICH wie eine 59er klingen (gähn) und zusammengenagelte Fenderbretter jetzt in "Klobrillenbeige over Güllengrün" kaputt geaged kosten in der SESSION-Sonderauflage von "Ja hier ist der Olli" tiefgefroren nur 5.000 €......... :shock:

Irgendwas ist schiefgelaufen mit Made in germany; und dies lange vor VW.

Das mag so aussehen, aber so einfach ist die Betrachtung nicht!

Die Gitarre ist ein Populär - aber kein Orchester Instrument.
1. Das Populär Instrument steht in großem Konkurrenz Druck mit zahllosen Mitbewerbern aus allen Preisklassen. Reparaturen können nicht nach handwerklichen Gemeinkosten Kalkulationen berechnet werden, wie es der Installateur beim lecken Siffon macht, sondern müssen sich (leider) oft am Wert des Instruments bemessen. Die Gitarre ist ein Luxusartikel - Bespaßungs-Spielzeug für (meist) den Mann; anders, als das kaputte Dach. Auch hier muss sich der Preis am Markt orientieren und muss dann noch den Familienrat passieren. Da gibt es klare Obergrenzen.
Orchster Instrumente kosten das 10-fache! Warum? Weil es für Orchestermusiker feste Verträge und Saitengeld gibt. Weil mit Orchester Instrumenten Geld verdient wird.

Wir Gitarrenbauer stellen darum schon eine Sondergruppe unter den Instrumentenbauern dar. Überleben kann nur der, der sich große Märkte erschließt, oder Kostengünstig arbeitet, oder ein sehr breites Angebot hat. Idealismus und Selbstausbeutung gehören immer dazu!
 

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