Cites - und ein paar Gedanken dazu

E

erniecaster

Power-User
19 Dez 2008
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Hallo,

die Debatte um die jetzt vielleicht nötigen Maßnahmen hinsichtlich Cites möchte ich nicht verwässern, daher ein neuer Thread.

Mich hat das ein bisschen durchgerüttelt. Okay, geht ja im Moment vielleicht nur um Bürokratie und vielleicht übertreiben ja einige auch. Aber was ist denn eigentlich passiert? Der Gesetzgeber sieht Palisander als ein gefährdetes Holz an, daher soll jetzt bewusster damit umgegangen werden. Mir war die Gefährdung nicht klar - wir reden ja nicht über Rio-Palisander. In Ost-Indien stehen doch unzählige Palisanderbäume, dachte ich. Naja, selbst das ist ein wenig gelogen, ich hab gar nicht drüber nachgedacht.

Es gibt offensichtlich nur noch wenige Palisanderbäume. Wie alt muss so ein Baum eigentlich werden, damit man daraus ein Griffbrett schnitzen kann? Sicherlich werde ich ein Palisandergriffbrett aus einem heute eingepflanzten Setzling nicht mehr erleben.

Vor einigen Wochen habe ich gelesen, dass die Menschheit etwa 300% der jährlich nachwachsenden Ressourcen der Erde abbaut. Diesen Satz, dass wir die Erde nur von unseren Kindern geliehen haben, fand ich immer plakativ, kitschig und gefühlsduselig. Dennoch ist klar, dass das so nicht lange weiter gehen kann. Aber was kann ich jetzt tun? (Der Zyniker aus Kalau hat natürlich direkt einen Vorschlag: Eine Tele mit Ahorngriffbrett kaufen!)

Das Modewort "Nachhaltigkeit" mag ich jetzt nicht bemühen. Sagen wir doch einfach mal "weniger" und "langsamer". Parallel läuft eine Diskussion um eine Westerngitarre von Harley Benton, in der darauf hingewiesen wird, dass man die wegen ihres niedrigen Preises quasi nebenbei für ein paar Euro kaufen kann, man allerdings schon mal eine oder zwei zurück schicken müsse, da nicht jedes Exemplar in Ordnung sei. Das kann es doch nicht sein. Auch diese Instrumente sind aus Ressourcen, vielleicht sogar das Griffbrett aus Palisander. Und kaum ein Kunde plant die Anschaffung unter dem Gesichtspunkt, diese Gitarre lange zu spielen - für den Anfang vielleicht, dann was Besseres, wenn man dabei bleibt. Oder für´s Lagerfeuer, wenn die gute Gitarre nicht mit soll. Hier würde ich mir wünschen, dass doch noch einmal ein, zwei Nächte drüber geschlafen wird. Müssen Ressourcen für so einen Schund verbraucht werden?

Ich bereite Fleisch immer mit viel Respekt zu. Ein zäh gebratenes Steak ist nicht nur nicht lecker sondern auch respektlos gegenüber der Kuh.

Wenn die olle Gitarre ein bisschen abgeranzt ist, kann ich sie vom Gitarrenbauer aufarbeiten lassen. Ich kann Küchenmesser auch mal schleifen (lassen) anstatt neue zu kaufen. Man kann sogar mal die Sohlen seiner Schuhe erneuern lassen. Wenn das Handy länger hält als der Mobilfunkvertrag, brauche ich auch nicht zwingend ein neues - wobei gerade diese Hersteller es schaffen, die Lebensdauer ihrer Produkte sehr genau zu timen. Und dass man nun wirklich zwei Strats, zwei Paulas, zwei ES etc. braucht, wage ich auch vorsichtig zu bezweifeln.

Ich hoffe, dass mir diese Gedanken wieder durch den Kopf gehen, wenn mir mal eine meiner Gitarren nicht mehr gefällt und ich mich dann dafür entscheide, mit der nicht ganz erreichten Perfektion zufrieden zu geben.

Gruß

erniecaster
 
Du hast recht. Ich hoffe auch, daß mir diese Gedanken präsent bleiben. Und es ist ja eigentlich noch "schlimmer": wir sind (ich vermute mal alle) mit unseren Gitarrenkäufen weit weg vom echten Bedarf. Also weit weg davon, daß wir diese oder jene Gitarre haben "müssten". Wir wollen einfach gern. Purer Konsum. Ich hab mir gerade ne Gretsch gekauft. Nein, zwei. Nicht weil ich sie brauche. Sondern weil ich sie geil finde. Leben und Gitarre spielen könnte ich genauso gut auch ohne sie. Solange damit nicht irgendwelche Ressourcen-Engpässe verbunden wären, könnte man sagen: Und? Kurbelste halt die Wirtschaft an. Ist doch gut. Aber so...oh Mann...gute Vorsätze fürs neue Jahr?
 
Guter Thread und gute Gedanken.
Mir sind diese Gedanken nicht fremd, da mich pures Konsumieren nicht glücklicher macht.
Ich habe 2016 vier Gitarren verkauft und eine gekauft.
Ich hoffe, dass ich noch mehr ausdünnen kann, ( weil das ein gutes Gefühl war/ist), allerdings wird es jetzt deutlich schwieriger, da die verbliebenen Instrumente mehr (mit mir verbundene) Geschichte haben.
 
erniecaster schrieb:
Ich bereite Fleisch immer mit viel Respekt zu. Ein zäh gebratenes Steak ist nicht nur nicht lecker sondern auch respektlos gegenüber der Kuh.

Hallo Matthias,

Ich denke, das Steak an sich ist respektlos gegenüber der Kuh. Aber das nur als Vorlagenverwertung am Rande.

Alles Gute!

Jonas
 
JohnnyT schrieb:
erniecaster schrieb:
Ich bereite Fleisch immer mit viel Respekt zu. Ein zäh gebratenes Steak ist nicht nur nicht lecker sondern auch respektlos gegenüber der Kuh.

Hallo Matthias,

Ich denke, das Steak an sich ist respektlos gegenüber der Kuh. Aber das nur als Vorlagenverwertung am Rande.

Alles Gute!

Jonas

Die Evolution ist respektlos.
Aber sowas von.

Und dabei so natürlich !!
 
Hallo!

Ich will es mal so formulieren: der moderne Ablasshandel ist, dass, wenn ich einen Flug buche, ich eineCO2-Ausgleich-Abgabe entrichten kann.
Ob ich nun vier Gitarren verkaufe und nur eine neu hinzukaufe, kann ein Schritt in die richtige Richtung sein. Aaaber....

vor Jahren gab es in einerm GEO-Magazin einen Artikel zur "Überbevölkerung". Ist ein Land wie Bangladesh überbevölkert und Deutschland (bspw.) nicht; weil doch hier tendeziell die Bevölkerung schrumpft (was eventuell durch Zuwanderung augeglichen werden kann).

Im Artikel wurde das, was ein Single in Deutschland und das, was eine mehrköpfige Familie in einem "Entwicklungsland", ohne fließend Wasser und umfangreiche Elektiztätversorgung, tat, verglichen. Als Rechnungsgr0ße nahm man "Erdöleinheit".

In Deutschland schläft ein Mensch in seiner Wohnung; Kühlschrank läuft, Hzg. läuft, Elektrowecker läuft, usw. usf. = nn Erdöleinheiten.
Im Entwicklungsland schläft eine n-köpfige Familie in ihrer Hütte = 0 Erdöleinheiten.

In Deutschland klingelt der Wecker. Licht wird eingeschaltet, Dusche wird aufgedreht, Kaffemaschine eingeschaltet, usw. = nn Eröleinheiten.
In der Hütte wacht jemand auf, legt Holz zusammen, entzündet ein Feuer, etc. = nn Erdöleinheiten.

So ging das weiter. Und am Ende kam heraus, dass wir, mit unserer Lebensweise, weitaus mehr Energie benötigen, selbst wenn wir in Niedrigenergiehäusern leben, Elektoautos fahren, ja selbst zu Fuß gehen, als eine 10-köfige Familie im fernen Bangladesh; und WIR es sind, die i.d.S. überbevölkert sind.

Unsere gesamt Infrastruktur (Straßen, Verkehrsysteme, Arbeitsstätten, eben alles um uns herum) folgt überhaupt nicht dem Prinzip "nur soviel entnehmen, wie wir brauchen bzw. nachwachsen kann".
Wenn wir DAS ändern wollten, müssten wir vielleicht nicht zwangsläufig wieder in Höhlen leben; aber es wäre sehr, sehr viel nötig. Weitaus mehr, als wir uns vorstellen können und als jeder von uns, der zum Bioladen latscht, am Ende bereit wäre zu tun.

Damit will ich nicht sagen: "ej egal, lass Palisander abholzen" oder "lasst soviel billige Kühe essen, wie geht, Hauptsache günstig". Nein, ich bin der Meinung, dass all das Sinn macht - und nicht "Bürokratie" ist.

Klar, das mit dem Palisander ist jetzt hopplahopp, keiner weiß was wie wo richtig ist; aber es ist dem Umstand geschuldet, dass wir in so einer Art "Adhockratie" leben und agieren; wir alle - jeden Tag. Der eine mehr, der andere etwas weniger. Aber gemessen am Gedanken "im Einklang mit meiner Umwelt/der Natur" jeder über dem Maß, was man regenerativ" nennt.

Jeder hat seine Ansichten; und jeder hat in puncto: "ich will die Umwelt schützen"; "ich will nachhaltig sein"; "ich will nicht mehr verbrauchen, als ..." SEINE Geschwindigkeit.
So schimpft man gemeinhin über den, der langsamer ist als man selbst und fühlt sich von dem belästigt, der einen kritisert "nur'n Moralapostel zu sein" !

Nochmal: ich finde es wichtig und richtig, sich Gedanken zu machen, sein Verhalten zu reflektieren und umzusteuern. Und wer eine CO2 Abgabe für seinen Flug geben möchte, der soll das tun.

Kurz: der Maßstab MUSS und MÜSSTE nicht sein, OB ICH NUR ZWEI anstatt 10 Gitarren benötige; sondern: wenn ich eine kaufe, was das bedeutet für "die Welt"; für die Menschen, in den Ländern, wo die Rohstoffe herkommen usw. Und: ist der Preis (nicht nur das Geld) ein ausgeglichener Gegenwert für das, was weg ist bzw. was regenerieren muss.

Gruß
Ralph
 
erniecaster schrieb:
Hallo,

...
Das Modewort "Nachhaltigkeit" mag ich jetzt nicht bemühen. Sagen wir doch einfach mal "weniger" und "langsamer". Parallel läuft eine Diskussion um eine Westerngitarre von Harley Benton, in der darauf hingewiesen wird, dass man die wegen ihres niedrigen Preises quasi nebenbei für ein paar Euro kaufen kann, man allerdings schon mal eine oder zwei zurück schicken müsse, da nicht jedes Exemplar in Ordnung sei. Das kann es doch nicht sein. Auch diese Instrumente sind aus Ressourcen, vielleicht sogar das Griffbrett aus Palisander. Und kaum ein Kunde plant die Anschaffung unter dem Gesichtspunkt, diese Gitarre lange zu spielen - für den Anfang vielleicht, dann was Besseres, wenn man dabei bleibt. Oder für´s Lagerfeuer, wenn die gute Gitarre nicht mit soll. Hier würde ich mir wünschen, dass doch noch einmal ein, zwei Nächte drüber geschlafen wird. Müssen Ressourcen für so einen Schund verbraucht werden?


Gruß

erniecaster

Vielleicht denkst du da einfach zu viel als "richtiger Musiker". Andere Wortwahl fiel mir nicht ein und ich meine das wederpositiv, negativ oder gar sarkatisch. Peace !!
Ich kenne wesentlich mehr Leute, die Gitarre spielen wirklich als Hobby betreiben, niemals auftreten oder es als Lebensmittelpunkt/Selbstverwirklichung betrachten. Die kaufen sich so´n Teil zwischen 59 und 99 Euro, je nach Anbieter, auf jeden Fall für die nächsten 10 Jahre oder länger.
Allein die Anzahl der Bewertungen bei T. oder anderen Händlern spricht Bände.
Und es gibt "dort draussen" auch viel mehr Menschen als man denken möchte, die einfach nicht mehr Geld zur Verfügung haben. Eine meiner alten Nachbarinnen z.B. : Alleinerziehend, 2 Kinder, Anwaltsgehilfin. Beide Kinder spielen Gitarre. Sie verdient gerade so viel das es für unteres Preissegment langt und so eine Gitarrre mit Tasche Stimmgerät und Co. für 100 Euros ist Limit und mehr geht nicht für die beiden Kiddies bis sie sich selber was verdienen können und den "Schund" dann als Ersatz benutzen. Viellleicht wolllen sie das aber gar nicht, sondern spielen nur so als Ausgleich für 20 Minuten am Tag und das 3 x die Woche. Einfach nur so wie " mal ´n Buch lesen".

Ich habe 9 Saiteninstrumente. Eines davon ist die 75 Euro - Gitarre.Dazu 2 Tasteninstrumente. Ich spiele jedes dieser Instrumente. Dazu habe iich weiteres Equipment wie 4 Amps, ca.30 Effektgeräte, Studiozeugs etc.Ich könnte auch mit einer Western - einer Konzert - und einer E-gitarre und ´nem Modeller leben. Aber warum? Mir macht es Spaß Auswahl zu haben. Bin ich unmoralisch? Was das betrifft klares JA. Aber muss man bzw. muss ich alles hinterfragen? In jedem Smartphone stecken wertvolle Rohstoffe, von der Herstellung und Ausbeutung der Arbeiter mal ganz zu schweigen. Jeder NIKE-Schuh, jedes Sportdress, egal welches Produkt hat irgendetwas unmoralisches. Kauft jeder nur Fairtradeprodukte? Hinterfragt woraus die Dichtungen im Motor seines Autos sind oder ob der Oelfilter wiederverwendet werden kann?
Ich fahre viel Fahrrad oder gehe zu Fuß. Im Jahr komme ich mit dem Auto wenn´s viel ist auf 5500 Kilometer. ich nutze auch keine Flugzeuge. Fahre nicht weit weg in den Urlaub sondern gehe wandern im Harz. Direkt vor der Haustür. Fleisch esse ich kaum. Jahrelang habe ich gar kein Fleisch gegessen. Und jeans und T-Shirts trage ich als Modemuffel jahrelang. Meine CO2 Bilanz ist daher vielleicht zufriedenstellend und gleicht mein unmoralisches Kaufverhalten wieder aus ;-)
Das nächste Instrument ist auch schon ausgesucht. Kawai MP7.
 
Ich wünschte auch es wäre statt unseren formellen Schwierigkeiten lieber mehr Thema, dass da eine Ressource langsam wegsackt die einem bisher selbstverständlich war.

Ja, klar. Nicht jede Unterart davon. Aber ein erster Vorgeschmack.


Es ist absehbar, dass das Rumsauen mit allerlei Resourcen dazu führt, dass viele Gegenstände sich ändern müssen.

Undenkbar war auch mal, dass man passionierten Billard-Spielern Kugeln aus was anderem als Elfenbein zumutet. Scheint aber zu gehen.

Dann werden sich Gitarren eben auch ändern. Finde ich okay und spannend.

Oder bestimmte Gitarren werden eben teurer und bestimmte Merkmale eben was Besonderes.

Finde ich auch ganz tragbar. So ein Musikinstrument darf ruhig auch was besonderes sein. Billig genug sind sie ja. Im Vergleich zu vielen anderen Instrumenten. Darf man kaum sagen, gilt als lustfeindlich und Dinge kaufen ist Breitensport.

Aber finde ich schon.
 
Ich bin vor Zeiten von meiner Handwerkskammer mit der Bitte angeschrieben worden, mich zur WEEE-Richtlinie zu positionieren.

Ich stand und stehe auf dem Standpunkt, dass wir Instrumentenmacher im Handwerk Kultur - und kein Konsumgut herstellen. Es wird also gar nicht auf dem Hintergrund hergestellt, dass man es eines Tages wieder abwracken und zerlegen soll. Es soll nicht verschrottet, sondern vererbt werden.

Für Instrumente, die auf diese Weise hergestellt, erworben und weiter gegeben werden, besteht kein drängendes Umweltproblem. Es wäre in meinen Augen somit sinnvoll und hilfreich, möglichst wertige und wertvolle Instrumente herzustellen.

Das Problem: Unser Wohlstand und die entsprechende Steigerung ist nicht durch Erhöhung unserer Einkommen, sondern durch die massive VERBILLIGUNG von Konsumgütern entstanden! Ein Shirt, ein paar Schuhe, ein Fernseher, eine Gitarre... kosten nur noch einen Bruchteil von dem, was sie in vor 30 Jahren kosteten.
Der Preis ist Raubbau an Ressourcen und Natur, sowie Lohnsklaverei mit der Folge von großen Flüchtlingsbewegungen.

Wir hätten die Wahl, nur noch exquisit zu konsumieren. Dinge für das Leben kaufen. Bei der Gitarre und dem Kunstwerk geht das noch. Aber bei Konsumgütern? Welch eine Revolution! Das Auto, was 30 Jahre fährt, das Sofa bis zur Rente! Da haben wir gar nicht das Geld für! Und wer will das? 10 Jahre ein Paar Schuhe?!

Also einfach nur maßvoll und zurückhaltend konsumieren? So geht das System nicht! Ohne min. 8% Dividende schmeißt jeder Geldgeber das Geschäft hin und sucht sich etwas anderes. Die ganze Licht- Strom - Energie- und was auch immer - Sparerei war ein Hütchenspiel. Am Ende muss ein Gewinn und eine Steigerung von 8% drin sein, sonst wandert das Kapital ab.
Ich habe keine Idee, wie man diese Krux auflösen soll. Ich weiß nur: So lange einzelne Menschen Gewinne erzielen müssen, werden diese durch Verluste des Kollektivs finanziert.
 
W°° schrieb:
So lange einzelne Menschen Gewinne erzielen müssen, werden diese durch Verluste des Kollektivs finanziert.

Das ist so schön gesagt, da möchte ich glatt nen Glückskeks drumrumbacken...
 

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