Music collaboration

earforce

earforce

Bekanntes Mitglied
25 Mai 2009
163
3
Südliches Ost-Westfalen
Seit ca. 2 Jahren beschäftige ich mich mit Music Collaboration. Viele von Euch kennen das wahrscheinlich nur dem Namen nach. Daher möchte ich euch von meinen total subjektiven Erfahrungen berichten.

Wo findet es statt?

Für die musikalische Zusammenarbeit gibt es einige Plattformen im Netz. Man meldet sich an und kann mitmachen. Englisch sollte man verstehen und schreiben können. Oft bieten die Plattformen verschiedene Mitglieder Status an. Je nach monatlichem Einsatz stehen dir nur eingeschränkte oder alle Features der Plattform zur Verfügung. Das fängt an bei den Dateiformaten und geht bis zu der Anzahl von Dateien, die du hochladen kannst. Weitere Einschränkungen sind das Einstellen eigener Projekte oder die Übernahme bestimmter Rollen wie Administrator eines Projekts zu werden.

Einige allgemeine Musiker Plattformen und Foren bieten ebenfalls Music Collaborations an. So gibt es beispielsweise im REAPER Forum ein Unterforum dafür. Nachteil, man muss den Austausch der Dateien irgendwie selbst organisieren. Die spezialisierten Plattformen sorgen zum einen für die Community, bieten aber auch die technische Infrastruktur zum Dateiaustausch, Diskussion und Bewertung und gegebenenfalls den Vertrieb der entstandenen Werke.

Wer macht mit?

Alle. Das ist für mich ein fetter Pluspunkte bei dieser Art zu arbeiten. Man weiß es nie so genau, aber nach meiner Einschätzung sind es Menschen, die mindestens ca. 10 Jahre Erfahrung im Musikmachen haben. Bei den meisten dürfte es jedoch deutlich länger sein. Außer den Karteileichen alles Enthusiasten, so wie hier. Wie überall gibt es bessere und schlechtere Musiker. Totalausfälle sind mir nicht begegnet.
Außer Instrumentalisten und Vokalisten findet man aber auch Texter dort. Eine weitere Gruppe sind die Mischer. Viele davon sind auch Musiker, manche machen aber auch nichts anderes als mischen oder mastern.

Das wirklich Spannende ist, die Mitglieder kommen aus der ganzen Welt, mit den dadurch verbundenen, verschiedenen musikalischen Sozialstationen, Prägungen und Erfahrungen. Ferner sind alle möglichen musikalischen Schwerpunkte vertreten. Von den Urformen wie Jazz, Blues, Rock über Singer/Songwriter bis hin zu elektronischer und Weltmusik ist alles vertreten. Und das mischt sich im Idealfall miteinander.

Ich habe jetzt keine Zählung durchgeführt, aber meiner Einschätzung nach sind es ca. 90 % Männer und 10 % Frauen. Dabei sind die Frauen hauptsächlich als Vokalistinnen aktiv. Einige davon texten auch oder spielen ein frauentypisches Instrument wie Klavier, Querflöte oder Oboe. Eine Saxofonistin und eine Gitarrera sind mir begegnet.

Geografisch liegen die Schwerpunkte klar in Nordamerika und Europa. Ich bin aber auch auf Musiker aus Südamerika, Israel und Dubai getroffen.

Wie ist der Beginn eines Projekts?

Das Prozedere ist so einfach wie flexibel. Wer möchte, kann ein Projekt starten. Das Ergebnis des Projektes ist dann, wenn es gut läuft, ein fertiger Song. Der, der das Projekt beginnt, ist der Creator und hat die Kontrolle über das Projekt. Je nach Lizenzmodell, das er auswählt, liegen alle Rechte bei ihm oder auch bei den Mitmusikern. Wenn man mitmacht, akzeptiert man die Lizenzvereinbarungen.
Grundsätzlich hat der Projektstarter die Möglichkeiten Beiträge Anderer zu löschen oder zu präferieren. Das Löschen hab ich bisher jedoch nicht mitbekommen.

Manche Creator geben nur eine Akkordfolge vor oder gar nur einen Text. Meist ist es aber eine Klavier-, Gitarren- oder Keyboardspur. Einige sind Multiinstrumentalisten, da gibt es oft schon mehrere Instrument Spuren und weiter ausgearbeitete Arrangements. Zum Teil sind die Instrumente schon gebrauchsfertig eingespielt oder mittels virtueller Instrumente grob skizziert. So bekommt man eine Idee, was sich der Creator vorstellt. Darüber hinaus kann der Creator noch Wünsche angeben, welche Instrumente und Stimmen er gerne im Projekt hätte. Möchte der Creator eine weibliche Stimme haben, kann man aber auch als Sänger seinen Beitrag dazu leisten.

Was passiert, wenn das Projekt gestartet ist?

Ist das Projekt eingestellt, kann jeder mitmachen. Man sieht sich an, welche Instrumente oder Gesangsspuren bereits zum Projekt hochgeladen wurden. Neben den einzelnen Spuren gibt es meist schon so genannte Scratch Demos. Da wurden vom Creator oder einem anderen Teilnehmer die vorhandenen Spuren in eine gemischt. So bekommt man einen Überblick über Art und Stil des Songs.

Was man benötigt, Instrumentenspuren oder Scratch Demo, lädt man sich runter. Den Download holt man in seine DAW Software und beginnt mit dem Recording der eigenen Ideen. Ist man damit fertig, lädt man seine Spuren ins Projekt hoch. Wer möchte erstellt dann noch ein neues Scratch Demo, wo natürlich der eigene Beitrag enthalten ist.

Über die Zeit wird der Song immer kompletter, wenn man Glück hat. Es gibt auch unvollendete Projekte, weil sich z.B. niemand fand, der was einsingen wollte.

Wann endet das Projekt?

Einfache Antwort, wenn der Creator es beendet. Die meisten Projekte werden nicht beendet. Man kann sich auch nach 2 Jahren noch beteiligen. Ist das Ergebnis besonders gut gelungen, wird das Projekt meist beendet. Dabei entscheidet der Creator, welche Spuren und welchen Mix er für die Endfassung verwenden will. Ist der Plattform ein Online Shop angeschlossen, kann man den Song dort direkt zum Download-Kauf anbieten.

Wie beteilige ich mich?

Ich bin meist als Mischer unterwegs. Darin habe ich in den letzten Jahren, vor allem im letzten Jahr viel Zeit und Energie gesteckt. Wie bei einem Instrument will das gelernt sein und erfordert viel Übung.

Aus dem Angebot von Songs suche ich mir das aus, was mir gefällt, egal ob es schon einen guten Mix gibt. Dabei gehe ich durch fast alle Stilrichtungen, aber hauptsächlich welche, wo ich auch über ein gerüttelt Maß an Hörerfahrung verfüge. Sachen wie Metal, House, Techno usw. fallen da raus.

Zuweilen kommt es vor, dass es bei Songs Instrumente oder Spuren gibt, die mir überhaupt nicht gefallen. Die ersetze ich schon mal durch eigene Aufnahmen. Meist sind das Drums, da die häufig schlecht aufgenommen sind. Gitarre habe ich recht wenig beigesteuert, es gibt einfach zu viele gute Gitarristen da draußen.

Bin ich mit meiner Arbeit zufrieden, lade ich meinen Mix hoch. Auch beim Mischen stellt sich ein Effekt ein, den die meisten wohl kennen. Hört man sich das Werk mit zeitlichem Abstand an, fallen einem 100 Sachen auf, die man besser machen sollte. So kommt es vor, dass ich ein Projekt pausiere, um später mit frischen Ohren wieder dran zu gehen.

Warum mache ich da mit?

Der wichtigste Grund ist das Lernen. Wie oben schon gesagt, auch beim Mischen ist Übung die halbe Miete. Dazu braucht es Aufnahmen. Im Netz gibt es zwar einige Übungssongs für Mischer. Aber man möchte nicht immer dieselben 3 Songs mischen. Stelle ich meinen Mix ein, kriege ich eine Rückmeldung von den beteiligten Musikern, was mir wichtig ist.

Zweiter Grund ist die Vielfalt. Alle Musikstile, die mich reizen, sind vertreten. Das schafft Abwechselung und öffnet den Horizont.

Dritter Grund - es bestehen gute Chancen, dass am Ende ein guter Song entstanden ist und das bei den Hemmnissen, die diese Produktionsweise nun mal mit sich bringt. Menschen aus der halben Welt, unterschiedlichen Sprachen und Fähigkeiten schaffen es, sich in einem hohen Maß zu organisieren und ein gemeinsames Werk zu erschaffen. Das finde ich toll.

So, das war jetzt ein bisschen lang für einen Forumsbeitrag der kein Gear Review ist. Wer bis hier hin gelesen hat, dem verleihe ich virtuell die Hartnäckigkeitsmedaille am Bande. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Ich habe gerade einige Beispiele hochgeladen. Wer auch was hören will, der klickt hier.
 
Hi!

Find ich cool, nix für mich im Moment, ich hätte Arbeit en masse an Aufnahmen und Songs, aber wer weiß..? Jedenfalls eine sehr coole Art, Musik zu machen!

Jab
 
Wow - für mich als Recordingdepp ist das ziemlich abstrakt.
Aber der Ansatz, mit total Fremden Leuten gemeinsam tolle Musik zu produzieren, finde ich MEGA!

Vielen Dank für die sehr ausführliche Erläuterung zum Thema, das macht echt neue Türen auf ...
 
Prima.

gitarrenruebe schrieb:
Wow - für mich als Recordingdepp ist das ziemlich abstrakt.
Aber der Ansatz, mit total Fremden Leuten gemeinsam tolle Musik zu produzieren, finde ich MEGA!
Vielen Dank für die sehr ausführliche Erläuterung zum Thema, das macht echt neue Türen auf ...

Also mit einer DAW Software sollte man sich zumindest in soweit auskennen und draufhaben, dass man bei Aufnehmen der eigenen Idden nicht überlegen muss. Wenn du gerade gute Ideen hast, sitzt dann am Rechner und irgendwas klappt mit der Technik nicht oder man muss erst noch suchen "Wie ging das nochmal?", nichts ist nervtötender. Wie beim Gig, wenn man sich nicht hört oder die Technik streikt - wird meist suboptimal. Und macht kein Spaß.
 

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