Die britische Methode

kiroy

Power-User
28 Dez 2008
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Reutlingen
Hallo zusammen,

gestern hatte ich ein interessantes Gespräch mit einem Musiker-Kollegen. Er spielt derzeit noch in einer anderen Band und hat Interesse gezeigt, bei uns einzusteigen. Er fragte mich ziemlich ausführlich nach unserem Proberaum. Wie groß er wäre, mit welchen Kosten zu rechnen wäre und vieles mehr. Auf meine Frage, wieso er sich so danach erkundige, antwortete er "naja, wir proben nach der britischen Methode". :shock: Das hatte ich noch nie gehört und ließ es mir erklären.

Die Band probt in einem ganz normalen Lokal (Vereinslokal, am Stadtrand). Dort haben sie einen relativ großen Raum (im UG), wo sie ihre Sachen aufgebaut lassen können und in den auch noch Gäste zum Zuhören hineinpassen.

Einmal die Woche ist "öffentliche Probe"! Das heißt, die Band probt und es kommen relativ viele (fremde) Leute, die sich das bei einem Bier anhören. Der Wirt macht damit Umsatz und der Proberaum ist kostenlos. Ein entsprechendes Plakat hängt im Eingangsbereich des Lokals und weist auf den Musik-Abend hin. Zwar müssen sich die Leute damit abfinden, dass gelegentlich ein Song abgebrochen wird und bestimmte Stellen mehrfach geübt werden, das scheint aber niemand zu stören.

Offenbar ist das in England/GB sehr verbreitet.
Also jetzt nicht eine bunt zusammengewürfelte Session bei irgendeiner Open-Stage, sondern eine feste Band die immer(!) öffentlich probt und bei der Publikum ausdrücklich erwünscht ist.

Ich habe so etwas noch nie gehört. Aber die Idee gefällt mir. Da wird dann auch in jeder Probe konzentriert gearbeitet, keiner kann sich erlauben, unvorbereitet zur Probe zu kommen und der "Publikums-Schock", wenn es zum Gig geht, ist für Anfänger auch nicht so groß, weil man es ja schon vor Publikum geprobt hat.

Was meint Ihr? Kennt Ihr das? Macht das hier noch jemand?
Bin gespannt.

Grüßle
kiroy
 
Moin,

ich habe in den 80ern sporadisch mit einer Irish Folk Band gespielt die es so ähnlich gemacht haben. Allerdings gab es keine festen Termine, sondern es gab eine Handvoll Kneipen die man, wenn man sich zum proben traf, abklapperte und fragte ob es passte. In irgendeiner der Kneipen ging es immer und dann wurde geprobt. Meist direkt im Schankraum und meist zum Vergnügen der Gäste.
Allerdings kamen ausschliesslich akustische Instrumente zum Einsatz, was die Sache doch arg vereinfachte.
Ich fand das damals ziemlich nett, stelle mir das aber mit einer Rockband schwierig vor.
Ich kenne hier in der Gegend keine Kneipe wo das gehen würde.

Schöne Grüße

Ralf
 
kiroy":1iwuqwfo schrieb:
Was meint Ihr? Kennt Ihr das? Macht das hier noch jemand?
Bin gespannt.

In etwas abgewandelter Form kenne ich das auch.
Bei meiner früheren "Wirkungsstätte", der Band Cold Friday aus Gevelsberg, war/ist es ähnlich. Die hatten und haben zwar einen großen Proberaum (Loft, ausreichend begedämpft), aber die Proben sind quasi "öffentlich". Es ist fast immer Publikum da, die kommen, hören zu und nehmen ein bis mehrere Biere zu sich. Der "Bierverkauf" stichert auch den Großanteil der Miete. Highlight war mal eine Gruppe von 20 Amis, denen es wohl Freitag abend in Gevelsberg zu langweilig war und die in einer Kneipe einen Insidertip bekamen.
 
Hi,

kenne ich auch so nicht und spontan habe ich gerade gedacht "gute Idee".

Beim drüber Nachdenken kamen neben den von Dir genannten Vorteilen aber auch durchaus ein paar Nachteile:

- die Gefahr, schwierige Passagen nicht evtl. notwendigerweise 20x, sondern nur 2x durchzuspielen (man will ja dem Quasi-Publikum vermutlich nicht vollends auf den Sack gehen) scheint mir gross.
- reine Gesangsproben (die man durchaus mal zwischendurch einlegen sollte um mal Chöre usw richtig durchzupauken) sind da vermutlich auch weniger gern genommen.

Klar, wenn der Deal ist, Proberaum gegen Publikum kann sich theoretisch keiner über millionenfache Wiederholungen beschweren; aber unbewusst würde sicherlich manches eher nicht richtig vertieft geprobt und stattdessen weiter zum nächsten gegangen.

Nichstdestotrotz, interessante Sache.

Gruss

Juergen2
 
Moin,

beim Erarbeiten von eigenen Songs fände ich omnipräsentes Publikum störend.

Wenn ich mit der Band mal verschiedene Varianten eines Songs durchgehen will,
dann will ich das mit Ruhe machen, ohne eine Horde Biertrinker.

Ich könnte mir auch vorstellen, dass sowohl Pegel als auch sonstige Störungen
(oh, sorry, da bin ich wohl übers Gitarrenkabel gestolpert ...) immens zunehmen.

Ich wollte dieses Probemodell nicht ...



... obwohl ich auf britische Sounds stehe !
 
ojc":332behyf schrieb:
Charmante Idee, das.


Allerdings geht bei mir automatisch die Gema-Warnleuchte an.

Ohne Eintritt gibts glaube ich keine Warnleuchte. Und bei eigenem Material sowieso nicht.

Ich könnte mir das nur in Kombination mit Proben ohne Publikum vorstellen. Das wäre ja eventuell an einem Sperrtag oder ausserhalb der Öffnungszeiten machbar (Samstag Vormittag, Sonntag Nachmittag).

Lg
 
auge":3t82yuuy schrieb:
ojc":3t82yuuy schrieb:
Charmante Idee, das.


Allerdings geht bei mir automatisch die Gema-Warnleuchte an.

Ohne Eintritt gibts glaube ich keine Warnleuchte.

Ähm, Christian, wir haben Sonntag ein Hoffest gemacht, wo wir gespielt haben. Ohne Eintritt. Das habe ich bei der GEMA angemeldet und eine Rechnung erhalten. Obacht also !
 
muelrich":395xvrqa schrieb:
auge":395xvrqa schrieb:
ojc":395xvrqa schrieb:
Allerdings geht bei mir automatisch die Gema-Warnleuchte an.

Ohne Eintritt gibts glaube ich keine Warnleuchte.

Ähm, Christian, wir haben Sonntag ein Hoffest gemacht, wo wir gespielt haben. Ohne Eintritt. Das habe ich bei der GEMA angemeldet und eine Rechnung erhalten. Obacht also !

Gutenmorgen zusammen,

die Gema neigt vielleicht dazu, eher eine Rechnung zu viel als eine zu wenig zu stellen.

Jedenfalls ist diese Frage bestimmt durch den Begriff der "Öffentlichkeit". Nur öffentliche Darbietungen sind urheberrechtsrelevant.

Öffentlichkeit hängt wiederum von der persönlichen Bindung ab: Wenn alle miteinander persönlich verbunden sind, ist's nicht öffentlich. Da gib'ts schon mal Hochzeiten mit 200 Leuten, auf denen keine Abgabe anfällt, weil alle zum Clan gehören und draußen die Security aufpasst, dass keiner reinkommt, der nicht eingeladen ist.

(Das erklärt möglicherweise auch die Hofsache: Da kommt ja jeder rein, der die Straße entlangläuft und die Musik hört).

Gruß,

Michael (Jacuzzi)
 
gitarrenruebe":20r60lc0 schrieb:
beim Erarbeiten von eigenen Songs fände ich omnipräsentes Publikum störend.
Heinz Waescher bringt es auf den Punkt:

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=-MPgvw4gri0&feature=related[/youtube]
 
Oha,
diese Art der Probe scheint doch nicht ganz unbekannt zu sein.

juergen2":33f3hjed schrieb:
- die Gefahr, schwierige Passagen nicht evtl. notwendigerweise 20x, sondern nur 2x durchzuspielen (man will ja dem Quasi-Publikum vermutlich nicht vollends auf den Sack gehen) scheint mir gross.
- reine Gesangsproben (die man durchaus mal zwischendurch einlegen sollte um mal Chöre usw richtig durchzupauken) sind da vermutlich auch weniger gern genommen...
Ja, diese Bedenken hatte ich auch. Der Kollege meinte, es hätte bisher keine Probleme gegeben.

Die Band covert ziemlich originalgetreu. Ein Erarbeiten eigener Songs fällt daher weg, das ginge wahrscheinlich wirklich nicht.

Ja, GEMA könnte tatsächlich ein Thema sein, an das die Band und der Wirt sicher nicht gedacht haben.

Irgendwie hat das was. Zumindest als Band, die schon aufeinander eingespielt ist und mit ihren Cover-Songs die entsprechende Zielgruppe anspricht. Und wenn jeder seine Songs vorher daheim gut vorbereitet hat, darf eigentlich nichts groß schief gehen. Im Notfall muss man sich eben (auch als Publikum) darauf einlassen, dass tatsächlich mal stundenlang an einem Song rumgedoktort wird. Sicher wird man sich dabei auch in der Wortwahl etwas zurücknehmen und nicht durchs Mikro brüllen "Eh, Du A****, was spielst denn da wieder für'n Sch***!" :shock: ;-)

Mich hat vor allem erstaunt, dass dies (nach Auskunft des Kollegen) in England fast der Normalfall wäre.
 
Grundsätzlich keine schlechte Idee, auch im Hinblick auf Proberaumknappheit und -kosten. Allerdings schließe ich mich den Vorrednern an, dass wir nicht immer Publikum bei allem haben wollen und (mir ganz wichtig) die Auswahl selbst bestimmen möchten.

Nun bezahlen wir aber 50€ im Monat incl. all (Heizung, Strom, Toilette) im modernen Speditionsgebäude, wo selbst die Erweiterung der Schließanlage + Schlüssel + Toröffner (für alle) mehr als eine Jahresmiete verschlang... ;-)
 
Hallo!

Meine These: Das funktioniert nicht.

"Öffentliches Proben" kann okay sein, noch "klappernde" Songs öffentlich spielen für alle ein Spaß. Manche Gigs mit wenigen Zuhörern sind ja nichts anderes.

Das ist aber nicht der Punkt. Die Leistung einer Band ist die eines Teams. Und Teambildung funktioniert nicht in der Öffentlichkeit. Da können auch mal wilde Diskussionen passieren, vielleicht Brüllerei mit Wörtern, nicht in Kinderbücher gehören. Das gehört sich nicht, wenn Publikum da ist.

Kurz: Ich halte davon gar nichts.


Gruß

erniecaster
 
Denke, das kommt sehr auf die Mucke an, die man macht. Ne öffentliche Probe ist bestimmt für vieles sehr gut, weil man direkt die Publikumsreaktion mitbekommt. Ist dieser oder jener Teil besser lässt sich dann relativ leicht ausmachen. Ich könnte mir vorstellen, wenn man sich nicht noch groß einspielen muss, kann man in so einem Zusammenhang auch Songs erarbeiten. Und dass die dann meist ziemlich auf die zwölf gehen, erlebt man ja immer wieder bei Erstlingsalben von der Insel. Arctic Monkeys z.B.

Bin allerdings selbst eher von der introspektiven Fraktion, für mich wär das nix.
 
Ich finde die Methode sehr interessant. Ich hab früher in einer ziemlich krawalligen Metal/Rock Combo gespielt. Damals hatten wir einen Probenraum bei unserem Gitarristen im Keller in dem wir einmal Donnerstags nachmittags und Samstags Abends (ab17Uhr) geprobt haben.

Donnerstags haben wir Material geschrieben, das aber teilweise auch im Park, oder beim Umtrunk in irgendwelchen Kneipen...

Samstag war dann eher Party angesagt. Der Git. hatte auch mehrere Brüder, die mit vielen Leten das HAus bevölkert haben. Wenn wr geprobt haben war immer irgendwer da, teilweise bis zu 60Leuten... Das hatte den Vorteil, das uns relativ viele Leute immer gesehen haben. Das hatte auf jeden Fall eine lebhafte Mundpropaganda zur Folge, die sich mit vielen fertigen Party-Geschichten verbunden hat. ("Du der Olli der hat am Samstag mies gefeiert, weißt doch hier bei der Band da")

Das war eine schicke Zeit auf jeden Fall!! ;)
Aber ich freu mich immer wenn ich in meinen kleinen Raum komme und da meine Ruhe hab, den Luxus will man auch nicht missen...
 
Moin,

was nicht ausser Acht zu lassen ist, ist das Publikum an sich. Die Pappnasen aus unseren Gefilden kannst du ja mit nichts beeindrucken, aber die Kollegen von der Insel sind schon begeistert, wenn du als Band auch nur halbwegs zusammen spielst.
Selbst erlebt auf einer Überraschungs "Irische Methode" Probe in unserem damaligen Proberaum im Saal eines Hotels. Normalerweise nicht zugängig für Publikum, Ausnahme wegen der letzten Fussball EM in Deutschland.

Ciao
Monkey

P.S.: Ja, ist schon was her... ;-)
 
Kommt sehr auf die Mucke drauf an...ein Beispiel aus meiner letzten Progband:

..."Ich hab da nen geilen Lauf für die Stelle..."
1. Lauf vorgespielt.
2. Wasn das fürn Takt?
3. ??
4. Lauf auszählen.
5. Lauf sind 37 Sechszehntelnoten.
6. ??
7. Easy...das isn 3/4 + 4/4 + 9/16 Takt.
8. Streit wie man das zählt.
9. Dann eine Stunde Lauf geübt, synchron.
10. Streit, um Fähigkeit von Musiker X.
11. Dann eine Stunde Übergang von Refrain im 7/4 Takt zu Lauf zu Strophe im 5/8 Takt...
12. Dann Streit um Fähigkeit von Musiker X.
13. Eine Stunde passenden Keyboardsound für Lauf gesucht + Streit um Ohren von Musiker X.
14. Halbe Stunde Refrain-Lauf-Strophe geübt.
15. Nochmal nen alten Song gespielt.
16. Heim

Das will keiner hören...wobei es natürlich ein gewisses Komödiantisches Potential hat...
 
Schrummel":2f3bqci1 schrieb:
Kommt sehr auf die Mucke drauf an..

Da gebe ich Dir völlig recht. :cool:


Hmmm.......... bei dem was wir gerade versuchen zu machen, komplett akustisch, mit Gitarre, Madoline, Akordeon und Cajon, vom alten deutschen Schlager über den bekannten Gassenhauer zum Rock und Blues (also quer Beet), könnte ich mir das schon vorstellen. :-D
 
"Öffentliche Probe" ist ein Paradoxon, ein Widerspruch in sich.
Wer vor Publikum "probt", der absoviert, bewusst oder unbewusst, dann bereits einen "inoffiziellen Auftritt".
Ein konstruktives Arbeiten, und das sollte eine Probe stets sein, ist vor herumlungernden Zuhörern nicht möglich. Man wird sich immer auf die fertigen, sicheren, präsentationswürdigen Songs limitieren, weil man meistens eben doch nicht den Mumm hat, den Pöbel wirklich völlig zu ignorieren und stur auch seine musikfachlichen Diskussion, Gefrickel, Sounddsuche, Arrangements, usw. durchzuführen.
Eine Band, die immer nur öffentlich probt, würde permanent auf der Stelle treten und für alle Ewigkeit die gleichen Songs runterspielen. Hausaufgaben sind ja schon so nötig, um die Probearbeit auf ein Minimum zu reduzieren, aber die Praxis zeigt, dass so ein Abend auch mal zu zwei Dritteln ohne gespielte Töne auskommen muss, um vorrangehde Fragen unter den Musikern zu klären. Publikum hemmt, stört, verängstigt und nimmt den Freiraum für konzentriertes Arbeiten.

Ash
 
Für Leute, die Publikum als "Pöbel" :facepalm: einstufen ist das mit Sicherheit nichts ............................




PS:
Gibt es eigendliche einen Smilie für fremdschämen?
 
Es wurde im Thread mehrfach von biertrinkendem Kneipenvolk berichtet, welches eben nicht explizit von der Band eingeladen wurde......da viel mir halt dieseer Begriff ein...;) Oder soll ich besser "Lausch-Mob" sagen..?
 

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