B
Banger
Guest
Times are a-changin' und grau ist alle Theorie - vor gut zwei Jahren schrieb ich noch sinngemĂ€Ă, eine Röhrenendstufe hinter einen Modeler zu hĂ€ngen, grenze an Volksverdummung - nachzulesen hier.
Nachdem ich beim Kabeltest auf der Wildenburg wider Erwarten und mit massivem Erstaunen feststellen musste, dass Gras mitunter laut und deutlich wÀchst, ist es fast schon ein wenig Zufall, dass sich seitdem ein Atomic Reactor 112-50 in meinem Besitz befindet und naheliegend konsequent, auch die o.g. Aussage in der Praxis noch einmal unter die Lupe zu nehmen.
Prinzip und Konstruktion
Kurzfassung: Modeler + Reactor = Modeling-Combo mit Röhrenendstufe.
Die Reactor-Amps gehen eine perfekte Symbiose mit den Desktop-AusfĂŒhrungen der gĂ€ngigen Modeler (Pod, Pod XT, V-Amp und Tonelab) ein: mithilfe entsprechenden Templates fĂŒr die Docking-Station lassen sich die Modeler in die Oberseite des Reactors versenken.
Pfiffig: mit den Templates bekommt man ein Kabelkit, mit dem sowohl die Ein- und AusgĂ€nge als auch die Stromversorgung des Modelers bestĂŒckt werden. Die ĂŒbrige Anschlussperipherie (MIDI etc.) kann weiterhin benutzt werden; die Docking-Station ist nach hinten hin offen.
Wer's braucht: die Docking-Stations lassen sich im laufenden Betrieb austauschen; entsprechend bestĂŒckt, kann man also auch noch stĂ€ndig die Modeler wechseln.
Von hier aus lÀuft das Signal noch wahlweise durch einen Stereo/Mono-umschaltbaren Effektloop und von da aus in die Endstufe.
Besitzt man, so wie ich (V-Amp Pro), keinen passenden Modeler, kann man die Docking-Station mit einer geschlossenen Abdeckung verschlieĂen und stöpselt sein Maschinchen einfach in den FX-Return ein.
Kommen wir zum HerzstĂŒck des GerĂ€ts: ein Trio bestehend aus 1x 12AX7 (Phaseninverter) und 2x 6L6 (JJ) glĂŒht heimelig vor sich hin und bekommt von einem kleinen und leisen LĂŒfter fleiĂig frische Luft zugefĂ€chert.
Von dort aus gelangt das Signal zu einem 12"-Breitbandspeaker aus dem Hause Eminence, der lt. Herstellerangeben bis zu 18kHz (subjektiv eher weniger) wiedergibt. Das Prinzip lautet: der Reactor soll das Ausgangssignal des Modelers samt dessen Lautsprechersimulation weitestgehend unverfÀlscht wiedergeben.
Sofern es beliebt, kann man noch einen externen Speaker mit 8 Ohm anschlieĂen.
Das GehĂ€use ist geschlossen, besteht aus Birke-Multiplex und ist mit Kunstleder ĂŒberzogen. Dank zweier Griffschalen an den Seiten lĂ€sst sich die Kiste bequem zu zweit tragen, aber auch allein hat man so die knapp 25 Kilo gut im Griff.
Die Verarbeitung ist einwandfrei und macht einen sehr soliden Eindruck, durch Metallecken besteht auch keine Gefahr fĂŒr den Amp, wenn man mal das Auto der Schwiegermutter anrempelt.
Bedienung
...auf das wesentliche beschrÀnkt: auf der Oberseite befinden sich die Eingangsbuchse sowie die Netz- und Standby-Schalter.
Auf der RĂŒckseite findet man den Regler fĂŒr die Master-LautstĂ€rke sowie die Schalter fĂŒr die Mono-/Stereo-Umschaltung des FX-Loops und die Abschaltung des internen Lautsprechers. Letztgenannte sind als Druckschalter ausgelegt, und hier wird's haarig: beim Transport kommt man schnell mal daran, was insbesondere bei der Lautsprecherabschaltung fatal sein kann, weil dann die volle Endstufenleistung ohne weitere Sicherheitsschaltung ins Leere lĂ€uft - was prompt beim ersten Test auf der Wildenburg passierte und mich zum GlĂŒck nicht direkt den AusgangsĂŒbertrager kostete. Hier besteht eindeutig Verbesserungsbedarf in Form eines nicht so leicht und aus Versehen zu betĂ€tigenden Schalters!
Auch ragt der Master-Regler zur HÀlfte seiner Höhe aus der Hinterwand heraus und lÀdt dazu ein, sich in einem ungeschickten Moment zu verabschieden.
Jetzt aber mal Saft aufs System!
Um einen Vergleich zu haben, lieĂ ich den Reactor mit einem Marshall AVT-50-Combo, dessen (nominell gleich starke) Transistorendstufe samt 12"-Speaker ich zuletzt zwecks BĂŒhnenverstĂ€rkung nutzte, antreten.
Ein kleiner Exkurs: Modeller sind fĂŒr den Mann am Mischpult eine feine Sache. Einfach per DI-Out in die PA und der Drops ist gelutscht. Mit dem BĂŒhnensound ist es aber nicht ganz so einfach; wĂ€hrend der zurechtemulierte Sound ĂŒber die FOH klasse und homogen klingt, kommt er ĂŒber die Monitore zu indirekt und oft schwer ortbar, was sich mit einem Wohlbefinden des Gitarristen beiĂt. Auch die zwischenzeitlich favorisierte Lösung per Aktivmonitor direkt am V-Amp war nicht ganz das Gelbe vom Ei, da der Sound immer noch zu ausgeglichen war und sich somit zu sehr mit dem Gesamtgeschehen vermischte - ein Fullrange-Monitor klingt halt zu wenig "gitarristisch".
Der AVT war da schon ein Schritt in die richtige Richtung; ich konnte mich gut hören und der Sound war trotz EigenfÀrbung des Marshalls noch mehr als nur zweckdienlich.
Also: mal schauen, was der Reactor kann...
Hui! Laut! Die Röhrenendstufe schiebt die Transe gnadenlos weg. Zudem betreibt sie eine wirklich angenehme SchönfĂ€rberei: Besonders in den Regionen, wo der V-Amp an sich etwas schwĂ€chelt, nĂ€mlich im Clean- und Crunch-Betrieb, greift ihm der Reactor ordentlich unter die Arme. Der Sound wird dynamisch, krĂ€ftig und bekommt richtig Punch - das meint Atomic mit dem Slogan "give your modeler some balls"! Die zuvor empfundene Indirektheit ist wie weggeblasen, als wĂŒrde der Reactor die "typischen" Nachteile einer Digitalkiste gekonnt ausbĂŒgeln.
Hier ist es insbesondere interessant, mit der Speakersimulation zu variieren: cleane und crunchige Sounds klingen mit aktivierter Speakersimulation recht matt und tot; deaktiviert man diese jedoch, geht die Sonne auf und es ist, als zöge man eine Wolldecke vom Amp. Selbst gitarrenruebe lieĂ sich auf der Wildenburg nach anfĂ€nglicher Abneigung zu dem Statement hinreiĂen, dass der Behringer "richtig nach Amp" klingen kann. ;-)
Geht es jedoch in höhere Gaingefilde, muss man aber wieder zur Speakersimulation greifen, sonst wird's zu harsch und kratzig.
Dazwischen gibt es eine Unsumme von Möglichkeiten; viel lÀsst sich auch mit dem Master-EQ des V-Amps bewerkstelligen.
Dieses Verhalten macht den Gedanken reizvoll, das o.g. Prinzip der unverfĂ€lschten Wiedergabe ĂŒber Bord zu werfen und den Reactor mal an einem gitarrenspezifischem Lautsprecher zu testen - yrrkon, wir mĂŒssen mal Deine EV12L-Thiele daran anschlieĂen! ;-)
Die Endstufe verhĂ€lt sich, wie ich es angesichts der 6L6-BestĂŒckung erwartete, recht "fendrig", also nahezu ohne Kompression mit viel Headroom. Auch Lautsprecher und GehĂ€use verhalten sich tadellos; erst bei sehr hohen Pegeln resoniert das GehĂ€use hier und da in den BĂ€ssen mit, das allerdings durchaus im grĂŒnen Bereich.
Fremdgegangen
Auf der Wildenburg haben wir direkt mal getestet, wie sich der Reactor auĂerhalb seines natĂŒrlichen Lebensraumes verhĂ€lt, indem wir einen GT Trio daran anschlossen. Meinen Ohren und dem zufriedenen Gesichtsausdruck vom mad cruiser nach schlĂ€gt sich der Amp auch dort ziemlich gut!
Fazit
Das Konzept geht auf: eine Röhrenendstufe an einen digitalen Modeler anzuschlieĂen bedeutet nicht, Perlen vor die SĂ€ue zu schmeiĂen. Glaubenskrieg und Theorie hin oder her - was zĂ€hlt, ist der Eindruck am Ohr, und der lĂ€sst mich die eingangs zitierte Kritik voll zurĂŒcknehmen.
Der von G66 aufgerufene Preis von 649,- Euro bewegt sich sicherlich nicht gerade im Billigsegment - der Amp aber auch nicht.
Nachdem ich beim Kabeltest auf der Wildenburg wider Erwarten und mit massivem Erstaunen feststellen musste, dass Gras mitunter laut und deutlich wÀchst, ist es fast schon ein wenig Zufall, dass sich seitdem ein Atomic Reactor 112-50 in meinem Besitz befindet und naheliegend konsequent, auch die o.g. Aussage in der Praxis noch einmal unter die Lupe zu nehmen.
Prinzip und Konstruktion
Kurzfassung: Modeler + Reactor = Modeling-Combo mit Röhrenendstufe.
Die Reactor-Amps gehen eine perfekte Symbiose mit den Desktop-AusfĂŒhrungen der gĂ€ngigen Modeler (Pod, Pod XT, V-Amp und Tonelab) ein: mithilfe entsprechenden Templates fĂŒr die Docking-Station lassen sich die Modeler in die Oberseite des Reactors versenken.
Pfiffig: mit den Templates bekommt man ein Kabelkit, mit dem sowohl die Ein- und AusgĂ€nge als auch die Stromversorgung des Modelers bestĂŒckt werden. Die ĂŒbrige Anschlussperipherie (MIDI etc.) kann weiterhin benutzt werden; die Docking-Station ist nach hinten hin offen.
Wer's braucht: die Docking-Stations lassen sich im laufenden Betrieb austauschen; entsprechend bestĂŒckt, kann man also auch noch stĂ€ndig die Modeler wechseln.
Von hier aus lÀuft das Signal noch wahlweise durch einen Stereo/Mono-umschaltbaren Effektloop und von da aus in die Endstufe.
Besitzt man, so wie ich (V-Amp Pro), keinen passenden Modeler, kann man die Docking-Station mit einer geschlossenen Abdeckung verschlieĂen und stöpselt sein Maschinchen einfach in den FX-Return ein.
Kommen wir zum HerzstĂŒck des GerĂ€ts: ein Trio bestehend aus 1x 12AX7 (Phaseninverter) und 2x 6L6 (JJ) glĂŒht heimelig vor sich hin und bekommt von einem kleinen und leisen LĂŒfter fleiĂig frische Luft zugefĂ€chert.
Von dort aus gelangt das Signal zu einem 12"-Breitbandspeaker aus dem Hause Eminence, der lt. Herstellerangeben bis zu 18kHz (subjektiv eher weniger) wiedergibt. Das Prinzip lautet: der Reactor soll das Ausgangssignal des Modelers samt dessen Lautsprechersimulation weitestgehend unverfÀlscht wiedergeben.
Sofern es beliebt, kann man noch einen externen Speaker mit 8 Ohm anschlieĂen.
Das GehĂ€use ist geschlossen, besteht aus Birke-Multiplex und ist mit Kunstleder ĂŒberzogen. Dank zweier Griffschalen an den Seiten lĂ€sst sich die Kiste bequem zu zweit tragen, aber auch allein hat man so die knapp 25 Kilo gut im Griff.
Die Verarbeitung ist einwandfrei und macht einen sehr soliden Eindruck, durch Metallecken besteht auch keine Gefahr fĂŒr den Amp, wenn man mal das Auto der Schwiegermutter anrempelt.
Bedienung
...auf das wesentliche beschrÀnkt: auf der Oberseite befinden sich die Eingangsbuchse sowie die Netz- und Standby-Schalter.
Auf der RĂŒckseite findet man den Regler fĂŒr die Master-LautstĂ€rke sowie die Schalter fĂŒr die Mono-/Stereo-Umschaltung des FX-Loops und die Abschaltung des internen Lautsprechers. Letztgenannte sind als Druckschalter ausgelegt, und hier wird's haarig: beim Transport kommt man schnell mal daran, was insbesondere bei der Lautsprecherabschaltung fatal sein kann, weil dann die volle Endstufenleistung ohne weitere Sicherheitsschaltung ins Leere lĂ€uft - was prompt beim ersten Test auf der Wildenburg passierte und mich zum GlĂŒck nicht direkt den AusgangsĂŒbertrager kostete. Hier besteht eindeutig Verbesserungsbedarf in Form eines nicht so leicht und aus Versehen zu betĂ€tigenden Schalters!
Auch ragt der Master-Regler zur HÀlfte seiner Höhe aus der Hinterwand heraus und lÀdt dazu ein, sich in einem ungeschickten Moment zu verabschieden.
Jetzt aber mal Saft aufs System!
Um einen Vergleich zu haben, lieĂ ich den Reactor mit einem Marshall AVT-50-Combo, dessen (nominell gleich starke) Transistorendstufe samt 12"-Speaker ich zuletzt zwecks BĂŒhnenverstĂ€rkung nutzte, antreten.
Ein kleiner Exkurs: Modeller sind fĂŒr den Mann am Mischpult eine feine Sache. Einfach per DI-Out in die PA und der Drops ist gelutscht. Mit dem BĂŒhnensound ist es aber nicht ganz so einfach; wĂ€hrend der zurechtemulierte Sound ĂŒber die FOH klasse und homogen klingt, kommt er ĂŒber die Monitore zu indirekt und oft schwer ortbar, was sich mit einem Wohlbefinden des Gitarristen beiĂt. Auch die zwischenzeitlich favorisierte Lösung per Aktivmonitor direkt am V-Amp war nicht ganz das Gelbe vom Ei, da der Sound immer noch zu ausgeglichen war und sich somit zu sehr mit dem Gesamtgeschehen vermischte - ein Fullrange-Monitor klingt halt zu wenig "gitarristisch".
Der AVT war da schon ein Schritt in die richtige Richtung; ich konnte mich gut hören und der Sound war trotz EigenfÀrbung des Marshalls noch mehr als nur zweckdienlich.
Also: mal schauen, was der Reactor kann...
Hui! Laut! Die Röhrenendstufe schiebt die Transe gnadenlos weg. Zudem betreibt sie eine wirklich angenehme SchönfĂ€rberei: Besonders in den Regionen, wo der V-Amp an sich etwas schwĂ€chelt, nĂ€mlich im Clean- und Crunch-Betrieb, greift ihm der Reactor ordentlich unter die Arme. Der Sound wird dynamisch, krĂ€ftig und bekommt richtig Punch - das meint Atomic mit dem Slogan "give your modeler some balls"! Die zuvor empfundene Indirektheit ist wie weggeblasen, als wĂŒrde der Reactor die "typischen" Nachteile einer Digitalkiste gekonnt ausbĂŒgeln.
Hier ist es insbesondere interessant, mit der Speakersimulation zu variieren: cleane und crunchige Sounds klingen mit aktivierter Speakersimulation recht matt und tot; deaktiviert man diese jedoch, geht die Sonne auf und es ist, als zöge man eine Wolldecke vom Amp. Selbst gitarrenruebe lieĂ sich auf der Wildenburg nach anfĂ€nglicher Abneigung zu dem Statement hinreiĂen, dass der Behringer "richtig nach Amp" klingen kann. ;-)
Geht es jedoch in höhere Gaingefilde, muss man aber wieder zur Speakersimulation greifen, sonst wird's zu harsch und kratzig.
Dazwischen gibt es eine Unsumme von Möglichkeiten; viel lÀsst sich auch mit dem Master-EQ des V-Amps bewerkstelligen.
Dieses Verhalten macht den Gedanken reizvoll, das o.g. Prinzip der unverfĂ€lschten Wiedergabe ĂŒber Bord zu werfen und den Reactor mal an einem gitarrenspezifischem Lautsprecher zu testen - yrrkon, wir mĂŒssen mal Deine EV12L-Thiele daran anschlieĂen! ;-)
Die Endstufe verhĂ€lt sich, wie ich es angesichts der 6L6-BestĂŒckung erwartete, recht "fendrig", also nahezu ohne Kompression mit viel Headroom. Auch Lautsprecher und GehĂ€use verhalten sich tadellos; erst bei sehr hohen Pegeln resoniert das GehĂ€use hier und da in den BĂ€ssen mit, das allerdings durchaus im grĂŒnen Bereich.
Fremdgegangen
Auf der Wildenburg haben wir direkt mal getestet, wie sich der Reactor auĂerhalb seines natĂŒrlichen Lebensraumes verhĂ€lt, indem wir einen GT Trio daran anschlossen. Meinen Ohren und dem zufriedenen Gesichtsausdruck vom mad cruiser nach schlĂ€gt sich der Amp auch dort ziemlich gut!
Fazit
Das Konzept geht auf: eine Röhrenendstufe an einen digitalen Modeler anzuschlieĂen bedeutet nicht, Perlen vor die SĂ€ue zu schmeiĂen. Glaubenskrieg und Theorie hin oder her - was zĂ€hlt, ist der Eindruck am Ohr, und der lĂ€sst mich die eingangs zitierte Kritik voll zurĂŒcknehmen.
Der von G66 aufgerufene Preis von 649,- Euro bewegt sich sicherlich nicht gerade im Billigsegment - der Amp aber auch nicht.