Orion-Motor-Fuzz / EH Little Big Muff / MEK Classic Fuzz

Rabe

Power-User
12 Apr 2007
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Frankfurt
Liebe Gemeinde,

um der häuslichen Arbeit zu entgehen, kämpfte ich mich heute durch umgefallene Container (Sturmschäden) in den im Osthafen gelegenen Proberaum, da ich dort wichtige Tests mit den oben genannten Effekten vornehmen musste. Big Muff und Classic Fuzz (Fuzz Face-Clone) dürften ja bekannt sein, ich habe sie trotzdem für Fuzzeinsteiger noch einmal beschrieben.

Allgemeines:
MF und CF verfĂĽgen ĂĽber Germanium Transitoren, das BM ĂĽber Silizium Transitoren.
Das Classic Fuzz ist ein Nachbau des Dallas Arbiter Fuzz Faces, mir gefiel es besser als die meisten Dunlop FFs und etwa genauso gut wie das Fulltone '69.
Das Little Big Muff ist (laut Electro Harmonix) ein Nachbau des 1970er BMs und soll klanglich zwischen dem aktuellem amerikanischen und dem russischen liegen. Mir gefällt es von den momentanen BMs am besten, vor allem der mechanische Aufbau ist solide (was man leider vom aktuellem russischen nicht sagen kann).
Das MF ist kein Nachbau eines Klassikers sondern ein eigenständiges Gerät.
Alle drei Geräte sind in Aludruckgussgehäusen untergebracht. OMF und BM haben eine 3pdt-Bypass Schalter, das CF (wie bei MEK üblich) einen 2pdt und eine Millenium Bypass Schaltung, im Bypass-Verhalten macht das m.E. keinen Unterschied. Die Gehäuse von BM und OMF haben die BB-Größe, das Gehäuse des CF die kleinere B-Größe (MXR-Größe). Alle drei lassen sich mit 9V-Netzteil (Standard-Stecker) und Batterie betreiben und haben eine rote Status LED. Das BM wird in den USA hergestellt, MF und CF in Deutschland. MF und CF werden laut Herstellerangaben 'handgefertigt'.

Zu den Preisen:
EH Little Big Muff: 59,90 Euro
MEK Classic Fuzz: 115,00 Euro
Orion Motor Fuzz: 189,00 Euro

Regler:
Auf dem Gehäuse haben alle drei Geräte drei Drehknöpfe mit denen sich auch immer dasselbe regeln lässt, auch wenn es immer anders heißt:
Verzerrung, Klang und Lautstärke. Bei MF und CF befinden sich noch Regler im Inneren. Beim MF kann mit diesem Regler die LED-Helligkeit geregelt werden, um so evtl. Batterie zu sparen. Die Trimpotis beim CF sind für Pregain, Volume und Gegenkopplung zuständig, für den Test habe ich sie in der Werkseinstellung belassen.

Testaufbau:
Alle drei Geräte verfügen über True Bypass, daher habe ich einfach den ganzen Krempel hintereinander geschaltet um ohne umstöpseln vergleichen zu können.
Dieser Fuzznachtszug wurde auf der einen Seite in meinen 1959 SLP gestöpselt (dann TAD Silencer und 1960A 260Watt) auf der anderen Seite wurde ein Morley Wah-Wah (aus den 80ern, entspricht glaube ich dem heutigem Classic) und eine PRS SE One oder eine Höfner Colorama (wegen Hals PU) angeschlossen.
Da der CF m.E. nur mit Single Coils richtig gut klingt, wählte ich meine beiden SC-Gitarren. Am Schluss kamen alle noch einmal an meinen Petersburg P-100 (2203 Clone, auf EL 34 umgerüstet).

Trotz gleicher Regelmöglichkeit und wahrscheinlich recht ähnlicher Schaltungen sind die drei Fuzzes recht verschieden. Es geht daher auch nicht um besser oder schlechter, sondern um ihren optimalen Einsatzzweck.
Also hier die Stärken und Schwächen der Geräte:

Classic Fuzz:
Genau wie man es von einem FuzzFace erwartet. Vor einem cleanem Amp recht harsch und wenig attraktiv. Vor einem verzerrten Amp wird es dann weicher und dichter, besonders gut kommt das CF mit dem Hals PU, hier singt es wirklich schön. Da das CF verfügt nicht über übermäßig viel Bass verfügt, versteht es sich mit dem rumpeligen Plexi besser als mit dem scharfen P-100. Komplexe Akkorde werden mit dem CF mitunter FF-typisch dünn, da irgendwelche Phasenauslöschungen stattfinden.
Den attraktivsten Ton liefert das CF m.E. vor einem angezerrten Amp, wenn es mit dem HalsPU einer Singlenote spielenden Gitarre angesprochen wird. Wie es sich für ein FF gehört arbeitet das CF vorbildlich mit dem WahWah zusammen.
Das CF verfügt (im Unterschied zum Original) über reichlich Pegelreserven, so dass man es sehr gut zum Boosten eines Amps verwenden kann. Das klingt dann auch sehr fein, durch Kompression wird der mitunter bröselige Ton dicker und auch der Bridge PU lässt sich schön einsetzen ...
Little Big Muff:
Das BM hat v.a. zwei Dinge: Kompression und Bässe! Von den drei Geräten ist es m.E. dasjenige, welches vor einem cleanem Amp den besten Bridge PU-Sound für Singlenotespiel liefert. Auch für Powerchord-Wände kann man das BM in Verbindung mit einem recht cleanen Amp ganz gut verwenden. Dabei versteht sich das BM m.E. besser mit kratzigen Petersburg, als mit dem rumpeligen Plexi.
Vor einem verzerrten Amp wird der Ton des BM m.E. zu undifferenziert, für langsame Singlenotes geht das gerade noch, für Akkorde ist das ganze aber zu weich und breiig und für schnelle Läufe fehlt der Attack.
Das BM kommt vor einem cleanen 2203 am besten, für cremige Singlenotes kann man den Hals PU nutzen, für Akkorde könnte das schon zu weich sein. Dafür also lieber den Bridge PU.
In Zusammenarbeit mit dem BM wird das sowieso schon dezente Morley noch dezenter.
Das BM hat genug Lautstärkereserven um einen Röhrenamp zu boosten, es komprimiert aber von sich aus so stark, dass das glaube ich niemand will.

Orion Motor-Fuzz:
Das MF wirkt auf mich wie eine gelungene Kreuzung aus BM und FF. Vor einem cleanen Amp kann man es gerade so aushalten. Der Sound ist ziemlich höhenreich und komprimiert. Die Verzerrung ist ähnlich stark wie beim BM, die Kompression weniger stark, das MF hat deutlich mehr Höhen als das BM.
Richtig gut wird das MF vor einem verzerrten Amp: deutlich definierter als das BM aber ohne die Auslöschungen des CF arbeitet das MF. Auch seltsame Akkorde sind noch identifizierbar. Regelbar ist das Ganze von "ziemlich fett" bis "völliges Sound-Inferno". Mit leicht zurückgenommenem Ton-Regler und Verzerrungsregler etwa auf halb, lässt sich auch vor einem zerrenden Amp ein schöner BigMuff-Sound erreichen. Dreht man den Zerr- und Höhenregler auf, dann wird der Ton sehr direkt und breit. Mühelos erreicht man so Black Rebel Motorcycle Club oder Sonic-Youth Sounds. Akkorde bleiben dabei noch sehr lange identifizierbar. Auch für schnelle Singlenotes gibt es noch genug Attack.
Um den ganzem die Krone aufzusetzen, habe ich das MF auch einmal vor meinem Blue-Boy-Deluxe (Tubescreamer mit mehr Gain und erweiterter Klangreglung) betrieben. Das ergibt den beliebten "Amps am Rande des Nervenzusammenbruchs"-Sound. Sehr schön: im Ausklingen der Töne ist ein deutliches ghosten zu hören, man kann also wunderbar einen alten kaum gefilterten JTM 45/100 nachstellen. Wer auf J.Masics-Fuzz-Orgien steht, sollte das unbedingt mal probieren, auch Wolfmother mäßiges war zu erreichen.
Dem MF ist es ziemlich wurscht ob es vor dem SLP oder dem Petersburg hängt, man sollte halt nur den Tonregler etwas rausnehmen.
Das gleiche gilt auch fĂĽr die Zusammenarbeit mit dem WahWah, besser Tonregler 'nen biĂźchen zurĂĽck, sonst wird es richtig fies.
Kleiner Nachteil des MF: es ist relativ leise, es gelingt also nicht einen Röhrenamp heftig zu boosten.

Das war's, vielleicht schaffe ich es auch noch ein paar Soundfiles aufzunehmen. Ansonsten befinden sich auf den Seiten der Hersteller welche, da gibt es auch Fotos und Händlernachweise.

Gruesze und
make the world a little fuzzier everyday

Ralf

Edit: Habe ich erwähnt dass meine Ohren jetzt pfeifen?

EDIT II: Mit 'unverzerrtem Amp' meine ich, nicht einfach einen clean eingestellten Amps. Bei Röhrenamps kann es sein, dass sie ohne Effekt clean klingen, ein höherer Pegel des Amps sie aber in den Crunch treibt.
 
Hi Ralf,

Danke für das schöne Review!
Muss ich bei meiner Fuzzsammlung mal wohl auf bestimmte Punkte mehr hören...

greetz
univalve
 
Mach doch mit deinen weiter! Einen der drei, dĂĽrftest du ja haben und den kannst du ja als Reverenz benutzen.
Ich mache dann auch mit dem Fender-Blender weiter, im Vergleich zum Dunlop JH-Octafuzz.
 
Ach so, Bezugsquellen und testen

Orion und MEK könnt ihr beim Rolf kaufen. Ob nen CF da iss weiß ich nicht, den Motorfuzz hat er zum Testen da und nen BigMuff zum Vergleichen habe ich auch auf seinem Board gesehen.
 

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