Songwriting und Proben, oder Mitmusiker mit frĂĽhem Alzheimer

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Anonymous

Guest
Hallo Forum.

Mich beschäftigte heute eine musikalische Frage, und ich dachte, bei so viel geballter Erfahrung hier wird schon jemand aus dem Nähkästchen plaudern können. Neben Coverbands wird ja der eine oder andere schon mal in einer Band sein eigenes Ding gemacht haben.

Es gibt je viele unterschiedliche Songwriting-Methoden in einer Band - es kann z.B. ein Musiker mit einem fertigen Song daherkommen, mit festen Vorstellungen für alle Instrumente, Text & Gesang. Oder aber, die Band jammt, und kommt irgendwann zu coolen Teilen, die intensiviert, kombiniert, und schließlich zu einem Song werden. Und wie auch bei schwarz und weiß, gibt es dazwischen jede Menge Grautöne.

Bei uns läuft das meist so ab, dass der eine oder andere schon fertige Songteile hat (meist Strophe & Refrain), arrangiert wird aber meistens gemeinsam, und auch Zwischenteile, Bridges, Intro+Outro werden gemeinsam erarbeitet. Je nach Grad der Vorarbeit, die bereits geleistet wurde. Zwischenfrage: Ich schätze mal, das wird bei den Meisten so laufen?

Nun habe ich die Erfahrung gemacht, dass bei konkret meiner Band, es zwischenzeitlich Ewigkeiten braucht, bis jeder (wir sind zu sechst) endlich kapiert hat, wie der Song aufgebaut ist, und wann er was zu spielen hat. Fällt der Probetermin einmal aus, muss beim nächsten was alles wieder neu erklärt werden. Um ehrlich zu sein, zehrt das extrem an den Nerven, vor allem, wenn man weiterkommen will. Und auch nach Wochen kann es passieren, dass jemand Blödsinn spielt, obwohl der Song schon paar Mal live gespielt wurde!

Jetzt ist es nicht so, als ob wir in irgend einer Weise komplizierte Musik machen wĂĽrden. Die allermeisten Songs sind der klassische Strophe/Refrain/Strophe/Refrain/Bridge/Refrain-Pop-Aufbau. Wenn ich mir jetzt aber Bands angucke (durchaus auch Nicht-Profis), insbesondere z.B. im Metal- oder Progressive-Bereich, mit 10 Minuten Songs, bei denen nach 4 Takten jeweils ein neuer Teil beginnt, frage ich mich: wie machen die das? Gibt es spezielle "Techniken" fĂĽr die Probe, die das erlernen vereinfachen (Lead-Sheet?), oder geht das alles von selber, und nur die Mitmusiker meiner Band leiden an frĂĽhen Anzeichen einer schweren Alzheimer-Erkrankung?

lg
felipe
 
Moin.
Aufschreiben hilft. Im nebcube-Proberaum hängt ein Whiteboard wo die momentanen Strukturen aufgeschrieben werden. Dazu wird mitgeschnitten und das ganze als MP3 geschnitten und verschickt. Das klappt ziemlich gut. Ich kümmere mich da übrigens um die Arbeit am Pult und mache das Booking. Im Proberaum steuere ich Texte bei.
Und das Vergessen hat imho nichts mit möglichen Alzheimerkram zu tun. Je Älter man wird desto mehr anderer Kram schwirrt einem im Kopf rum. Als Schüler/Student kann man viel Energie und Zeit in die Musik stecken. Wenn man nebenbei noch Familienkram und Job an den Hacken hat, sieht das schon ganz anders aus.
In meiner (Ex)Band in Mainz haben wir die Songstrukturen auch aufgeschrieben und mitgeschnitten. Entweder einfach mit einem Handheldrekorder(ZoomH4 o.ä.) oder Stereomikro am Laptop. Auch das war kein großes Problem. Ich als Sänger habe sowieso immer den Text als Anhaltspunkt gehabt, dazu einfach die Akkorde ggf. das Nashville-Number System genutzt. Unser Basser hatte immer seinen eigenen Aufschrieb. Sah immer "Realbokmäßig" aus.
Hoffe das hilft.
GruĂź
Ugorr
 
Hi Felipe,

ich habe bisher ausschliesslich in Bands gespielt, die eigenes Zeug machen. Früher war es oft so, dass ich einen fertigen Song mitgebracht habe und wir den dann in der Band zusammen arrangiert haben. Später hat dann auch oft der Bassist ein paar Lines gespielt oder der Gitarrist hatte eine Idee, die wir komplettiert haben und ich habe einen Text dazu geschrieben. Da konnte es auch mal vorkommen, dass einem von einer Probe zu anderen viel entfallen war.

Kennst du Tenacious D? Die arbeiten in einer Folge an ihrem "Masterpiece", jammen wild irgendwas zusammen und stellen dann fest, dass der Kasettenrecorder nicht lief. Da haben wir die Regel "always record" fĂĽr unsere Proben abgeleitet. Wir haben einen Rechner mit 1-2 Raummikros im Proberaum installiert und immer (ok, fast immer) alles mitgeschnitten, was an neuem Material geprobt wurde.

Das geht noch einfacher! In meiner jetzigen Band läuft es so: Der Sänger ist der Texter. Er schreibt so ca. 3 Texte am Tag, die kriege ich per Email. Dann denke ich zuhause mal drüber nach und manchmal fällt mir dann relativ schnell was ein. Bei der nächsten Probe spielen wir es den anderen vor und entweder geht der Daumen nach oben, dann üben wir die Nummer ein paarmal, oder nach unten (was noch nie passiert ist) dann wäre die Nummer "gestorben".

Nach ein paar Durchläufen zücke ich mein Zoom H2, der Song wird aufgenommen, ein Leadsheet anhand des Textblattes geschrieben mit dem groben Auflauf, den Harmonien etc. und nach der Probe geht das Leadsheet mit passendem MP3 per Mail an alle.

Da gibts eigentlich keine Ausreden mehr, ausser man hatte keine Zeit reinzuhören. Kann man passieren, sind ja alle noch beruftstätig. Aber prinzipiell geht nix verloren und man kann alles wieder rekonstruieren. Eine Lösung die für uns super funktioniert.

LG, Alex

P.S. Der Ugorr war schneller ;-)
 
Generell: Gutes Gedächtnis, irgendwie notieren und/oder zu hause nacharbeiten. Wenn du wirklich mit schöner Regelmäßigkeit der einzige bist, der keine fehler macht (so klingt es, ich würde das aber kritisch überprüfen), dann hast du entweder ein besseres Gedächtnis und/oder steckst mehr mentale energie in die Band als der rest.
 
Ich schreibe bei uns die Songs. Dylan für Arme, Wirklich nichts Kompliziertes und auch nicht besonders viel Material. Leadsheets, Cds mit Demos, Mitschnitte der Proben - mache ich alles mit Hingabe. Hilft aber nicht wirklich. Was hilft, ist ständiger Blickkontakt zu den Kollegen und auch für die Bassisitin erkennbare Akkorde zu greifen.
 
und auch fĂĽr die Bassisitin erkennbare Akkorde zu greifen.
Das finde ich sowas von ätzend. Ich habe das mal in meiner Mainzer Band gehabt. Wollte mal andere Variante von den Akkorden spielen und der 2 Gitarrist steigt während der Nummer aus. Da er sich an meiner linken Hand orientiert hat, wußte er nicht mehr wo wir waren. Ich habe ihn dann mal gefragt wie er das auf der Bühne machen will. Immer mit dem Rücken zum Publikum da er meine linke Hand sehen muß?
Das hat mich damals richtig aufgeregt.
GruĂź
Ugorr
 
Wir spielen ja "nur" covermaterial. Aber nix so haarklein wie die Orginale. Unser Sänger hat Texte mit Akkorden. Da kann ich aber nix mit anfangen, weil ich die Nummern tlw. vorher nie gehört habe.
Daher muss ich wissen, wie der Ablauf konkret taktweise geht.
Das schreibe ich mir mit Taktstrichen komplett auf.
Desweiteren müssen wir notieren, welche Nummer mit Capo in welchem Bund (und das ändert sich tlw. jede Probe...haha)
Dass wir die Abläufe dann immer noch nicht perfekt auf die Reihe bekommen, liegt a) am Alltag, b) an den zu wenigen Proben und c) live am Lampenfieber......

Ich bin da aber auch eher der zwanghafte Perfektionist.
100% perfekte Abläufe sind für mich die Grundvoraussetung, in den "flow"kommen zu können.
 
Hallo,

erst mal herzlichen Dank fĂĽr die Menge an RĂĽckmeldungen! Weil es vorhin angemerkt wurde: natĂĽrlich mache ich auch hier und da Fehler. Das liegt auch oftmals daran, dass ich keine Konzentration mehr auf die Reihe kriege, wenn ein Song zum x-ten Mal gespielt wird.

Wir arbeiten auch daran, Proben regelmäßiger aufzunehmen, da wir aber bisher keine Möglichkeit gefunden haben, fest einen Rechner mit Mikros und Interface zu installieren, ist das immer etwas aufwändiger. Vielleicht wäre da so ein kleines Aufnahmegerät genau das Richtige. Die Idee mit Leadsheet dazu schreiben und an jeden schicken gefällt mir gut! Mal gucken wie sich das in der Praxis auswirkt ;)
 
Ich spiele bei neuen Songs, die ich geschrieben habe, auch immer die Akkorde sichtbar für den Basser. Wenn ich sehe, dass er den Song verinnerlicht hat, beginne ich, mein eigenes Ding auf der Gitarre dazu zu spielen, was nicht zwangsläufig immer der designierte Grundakkord sein muss. Das kann ich aber wirklich erst, wenn mein Bassmann den Song richtig drauf hat. Geht i.d.R. aber sehr schnell, also nach 2-3 Proben. Danach klingt ein neuer Song auch schon recht homogen.

Der Einstieg in einen neuen Song ist immer erst ein ganz blödes Schrummschrumm auf der Gitarre, zu dem solange Bass und Drumlines improvisiert werden, bis es allen kommod erscheint. Einen fertigen Song mit allen Vorgaben gibts bei uns nie. Wir "züchten" Songs und lassen sie wachsen. Oft werden sie nach 3-4 mal Proben noch einmal komplett umgeschmissen.
 
Bei mir ist es nochmal anders.
Ich finde, auch bei eigenen Songs muss einer der Macher sein.
Bei meiner Gruppe Golden Brown schreibt der Sänger alle Songs - und zwar ganz konkret, manchmal sogar inklusive Gitarrensolo.
Ich mache dann die Arrangements und erfinde die Gitarren- und Bassparts.
Das nehme ich dann entweder gleich auf oder wir gehen damit in die Probe, wo jeder ein Leadsheet mit Text und Akkorden erhält.
Finde ich gut und sehr effektiv!
 
Moin!

Wir haben die Leadsheets (Akkorde und Ablauf) auf große Bogen geschrieben und dann im Probenraum an die Wand gehängt.
Da kann man dann mal schnell nachschauen, wie es denn war... oder ist....
oder sein soll....

Tempo stand auch mit dabei. Ganz wichtig!

Das hat ganz gut geklappt.

Aufgenommen wurde mit einem Tapedeck und zwei Raummikros.


Beste GrĂĽĂźe!
Jab
 
Ich bin in zwei Projekten und kann daher auch nur pro Band, es sei denn wir stehen kurz vor 'nem Gig, einmal die Woche proben.

Beide Proberäume sind daher komplett mit Mics ausgestattet. Egal was wir machen wird immer aufgenommen kurz abgemischt und als mp3 auf einen Server hoch geladen. So hat jeder die Möglichkeit sich selber nochmal mit dem Song auseinanderzusetzen. Das funktioniert ganz gut. :)
 
Wir haben uns ein Flipchart geleistet, die beste Investition seit langem. Da wird die gemeinsam erarbeitete Struktur im Detail festgehalten. Wir haben einen Platz im Raum gefunden, so dass alle draufgucken können. Dazu anfangs regelmässige Mitschnitte mit dem H2, auch zur Kontrolle des "Fortschritts".
 

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