Musik als Lebensgefühl?

J

Julle

Power-User
27 Jul 2006
609
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Hey ihr,

immer mal wieder, wenn ich mich mit meinem alten Herren über Musik unterhalte, fällt früher oder später seinerseits der Satz: "Julle, du darfst bei der Musik die wir früher gehört haben nicht vergessen, dass das auch ein Stück weit Lebensgefühl gewesen ist!"

Das bringt mich dann immer zum Nachdenken. Erstens ist es denke ich schon begrifflich schwierig zu fassen, was überhaupt "Lebensgefühl" ist.
Zweitens, und das bringt mich noch viel mehr zum Nachdenken: Ich fühle sowas eigentlich garnicht, wenn ich Musik höre oder mache.
Klaro, ein Großteil meines Freundeskreises hört ähnliche Mucke, aber ich glaube nicht, dass die Musik da eine übergeordnete Dimension erreicht.
Erkennt man sowas erst retrospektiv?

Oder, und das ist ein bisschen meine "These": Kann es einfach sein, dass gerade im Bereich des RocknRolls in allen seinen Abstufungen diese Ebene "Gefühl" mehr oder weniger ausgereizt ist? Dass Musik u.a. auch mehr verkopft wird? Gerade im Hard'n'Heavy-Bereich sprießen momentan sehr sehr viele Bands aus dem Boden, bei denen höre ich nicht die Wut oder die Botschaft oder das Gefühl (in welcher Form auch immer), sondern ich höre eher eine intellektuelle Ebene der Musik - viele jazzige Elemente, es wird gefrickelt was das Zeug hält, je komplizierter, desto besser.

Ich weiß ehrlichgesagt garnicht genau, wie ich jetzt die abschließende Frage formulieren soll.
Wie erlebt ihr Musik? Habt ihr "Lebensgefühl" in der Musik erst später erkannt? Ging das früher einfach besser als heutzutage? Wann wird Musik zum Lebensgefühl? Was fällt euch noch zu dem Thema ein?

Einfach mal so eine Art Collage von Beiträgen. Mich interessiert da wirklich die Auffassung der jungen und alten Hasen!!

Gruß
Julle
 
Hey Julle,

sehr gute Frage.

Meines Erachtens speichert Musik tatsächlich Gefühle; so auch das Lebensgefühl einer Zeit, was ich als eine mehr oder weniger individuelle bis kollektive Verarbeitung von Zeitgeist bezeichnen würde.

Ich glaube auch, das dies nicht auf eine speziele Epoche begrenzt ist, sondern daß Du im Retrospekt immer durch Musik ins vergangene Lebensgefühl zurück finden kannst.

Dies ist einer der für mich persönlich schönsten und sinnlichsten Aspekte am Musizieren; wenn ich ein Lebensgefühl bewusst geniessen und/oder reproduzieren kann. Letzteres geht relativ einfach durch Covern und etwas anspruchsvoller, wenn man das Lebensgefühl neukompositorisch nachvollziehen will.

Ich glaube aber auch, daß nicht alle Menschen für diesen Aspekt empfänglich sind; zumindest kenne ich solche und solche... und das ist doch noch schöner, daß Musik noch mehr, noch facettenreicher ist.

Das Wort zum Sonntag sprach:

Pfarrer Batz Benzer, Bonn. :cool:
 
Batz Benzer schrieb:
Meines Erachtens speichert Musik tatsächlich Gefühle; so auch das Lebensgefühl einer Zeit, was ich als eine mehr oder weniger individuelle bis kollektive Verarbeitung von Zeitgeist bezeichnen würde.

Aber hallo! Herr R. spielt aus genau diesem Grund nie auf Biker-Treffen! Weil er nicht mit einem Born-to-be-wild-Cover die Gäste an die Zeit erinnern kann, in der sie mit einer XS-400 und Zelt durch die Welt fuhren und wenn es nur bis zum Gardasee war und sie von der Harley träumten, die sie sich dann 30 Jahre später wirklich kauften.

:)

Herr R.
 
Für mich ist die Musik die ich mache und die ich höre, immer auch ein Stück Lebensgefühl. Musik kann einen entführen, aufwühlen, ruhiger machen oder einem ein Gefühl von Freiheit geben.

Musik machen gehörte eigentlich seit früher Jugend zu meinem Lifestyle - das hat auch jetzt mit 2 Kindern und Fulltime-Job nicht nachgelassen - eher im Gegenteil - man erkennt, dass man es braucht. Und Rock/Blues ist für mich einfach ein Stück Lebensgefühl - und das empfinde ich wenn ich diese Musik höre und auch mache.

Das verbindet mich aber auch z.b. mit meinen Bandkollegen - ich bin 36, einer ist paar Jahre älter, aber die Rhythmusgruppe zuletzt war 56 und 68 und trotzdem hat man sich in der Musik nahezu blind verstanden, auch wenn die Lebensumstände und die Sichtweisen teilweise schon unterschiedlich sind.

Sowas fasziniert mich!
 
Möchte mich hier Batz anschliessen!

Ich erlebe es häufig das ich ein Stück höre oder selbst spiele und mich unvermittelt in eine bestimmte Situation aus der Verganenheit zurück versetzt fühle. Das ist fast immer recht intensiv und kann sowohl gute als auch weniger gute Erlebnisse wiederspiegeln.

Verzichten möchte ich auf diese Momente auf keinen Fall!
 
Ja. Musik und das restliche Leben liegen nah beieinander.

Wir haben übrigens gerade im sehr engen Freundeskreis eine Aktion laufen, jeder soll seine 11 wichtigsten Songs (für sich und sein Leben) mal auflisten (Reihenfolge unwichtig). Alter, ist das schwer: Einerseits "nur" 11 Songs, andererseits "die" 11 wichtigsten ...

Wir tun uns alle schwer ... seit Anfang des Jahres.
Ich hab erst 5 oder 6, beim Rest fallen immer wieder welche raus, kommen welche rein ...
Diese Songs spiegeln bestimmte Lebensphasen, Entscheidungen, whatever wieder ...

Musik ist viel mehr als Musik!
 
Hallo!

"Früher" war Musik ein rares Gut. Man hat greifbare Tonträger für Geld gekauft - die Langspielplatte. Die war so groß, dass sie immer in eine Tüte vom Plattenladen gepackt wurde und sehr zerbrechlich. Man hat diese Tüten vorsichtig nach Hause getragen.

Nach Legenden haben sich Mick Jagger und Keith Richards an der Bushaltestelle kennengelernt, weil einer der beiden eine solche Tüte mithatte.

Heute leiht dir jeder, den du fragst, eine Festplatte, auf der mehr Musik ist, als man in einem Jahr ununterbrochenem Hörens konsumieren könnte. Für lau. Woher soll ein Gefühl der Wertschätzung kommen, wenn die Verfügbarkeit derartig hoch ist?

Würden sich Mick und Keith heute noch kennenlernen? Vermutlich nicht.

Wer viel Musik haben wollte, musste früher dafür bezahlen und mit den Tonträgern sorgsam umgehen. Weil Geld natürlich auch knapp war, musste man sich auch bewusst für Bands oder Musikrichtungen entscheiden. Kaufe ich die Platte der Stones und mache mir ein qualitativ schlechteres Tape von der Platte der Beatles oder andersrum? Hosen oder Ärzte? Grönemeyer oder Westernhagen?

Und wenn man nur ein paar Handvoll Platten hat, dann kennt man sie bis in das letzte Detail. Man setzt sich vielleicht gar mit den Texten auseinander. Natürlich wird das zu einem Lebensgefühl.

Besorgt man sich "für lau" mehrere Gigabyte Musik und hört überall mal rein, dann hat man zwar alles aber letzten Endes auch nichts gehört.

Und natürlich waren manche Dinge auch neu. Genres wie Heavy Metal, Indiependent, Neue Deutsche Welle - um nur ein paar zu nennen - kamen neu auf den Markt. Das war aufregend! An Retro ist für jemanden, der die Geburt des Originals miterlebt hat, nichts aufregend.

Dazu kommt der Generationenkonflikt. Wenn die verzerrten Gitarren früher aus dem Kinderzimmer schallten, erklärten die Eltern den Untergang des Abendlands. Wenn heute ein Kind "harte" Musik hört, lächelt der Papa nur milde und zieht aus dem Plattenschrank dann mal richtig harten Tobak. Der Punk von heute muss schon Schlager hören, um noch anzuecken. Und der ist auch alles andere als neu.

Nee - ich möchte mit den Kiddies heute nicht tauschen.


Gruß

erniecaster
 
Hallo,

ich bin 33 Jahre alt und männlich - also weder besonders alter noch besonders junger Hase. Ich habe das Privileg, dass sich mein Musikgeschmack in den nunmehr 20 Jahren, die ich mit der Gitarre verbracht habe, in keinster Weise geändert hat: ich war immer ein konservativer Blueser und werde es wohl auch bleiben.

Das "Lebensgefühl" Blues ist in meinen Augen eigentlich ein Mythos - den schwermütigen schwarzen Bluessänger, der früher mal als Baumwollpflücker arbeitete, blind ist und mindestens die Hälfte seiner Jahre in verschiedenen Haftanstalten im Süden der USA verbracht hatte, suchst Du heute wohl vergebens, und vielleicht war Lightnin Hopking oder ein ähnlicher Herr der letzte Mann, der diesem Klischee entsprach. Unter den großen Bluesmusikern findest Du Leute aus den verschiedensten Gesellschaftsschichten, von den oberen Zehntausend (Mike Bloomfield) bis hin zu den ganz Armen - auch sind so ziemlich Menschen mit allen möglichen Hautfarben und jeder nur erdenklichen Religionszugehörigkeit unter den Bluesern vertreten. Und dass der Blues schwermütig ist, ist eigentlich schon immer ein Klischee gewesen - schon Howlin Wolf spielte gerne Stücke, die von der Grundstimmung eher heiter waren (Killing Floor, Shake for me, etc.). Auch unter den Bluesfans findest Du jeden nur erdenklichen Menschentypen - vielleicht mit der Ausnahme, dass beinahe alle Bluesfans (noch) Männer sind. Es fällt schwer, von Lebensgefühl zu sprechen, wenn Du so viele verschiedene Menschen in einen "bunten Topf" wirfst.

Auch ist es meistens nicht irgendeine Identifikation mit einer Gruppe, die junge Menschen dazu bewegt, sich dem Blues zu verschreiben - Guns n Roses, Soundgarden und Nirvana galten schon immer "cooler" als Muddy Waters oder Robert Johnson. Du wirst eher als "Nerd" abgestempelt, wenn Du zugibst, 100 prozentiger Blueser zu sein. Und leider ist auch der Zulauf an Groupies im Vergleich zu den Hard Rockern eher begrentz...

Anders verhält es sich aber m. e. mit anderen Musikrichtungen: bestimmte Gattungen von Musik werden gerne von Leuten konsumiert und auch gespielt, die die Musik als ein Vehikel benutzen, um sich mit einer Gruppe zu identifizieren (Punks, Skinheads, und vielleicht auch einige Metaler). Bei diesen Leuten ist es tatsächlich oft so, dass das Lebensgefühl, welches durch die jeweilige Musik ausgedrückt wird, das primäre Motiv darstellt.
 
Hallo zusammen,

Batz erwähnt, dass Musik Gefühle speichert - und so würde ich es auch sehen. Bei mir ist es so, wie bei vielen anderen auch, dass ich Musik bzw. einen gewissen Song mit einem bestimmten Erlebnis und/oder einem bestimmten Zeitraum verknüpfe. Das hat, für mich persönlich, nicht unbedingt etwas damit zu tun, dass es die 80er oder 90er waren. Für mich hat(te) das eigentlich nie einen bewussten zeitlichen Bezug.

Vieles passiert unbewusst, es passiert einfach. So auch die Verknüpfung der Musik mit dem bestimmten Erlebnis. Du hast ja nicht einen iPod mit allen möglichen Musikrichtung stets auf Mann, um ein mögliches Ereignis stets mit dem entsprechenden Soundtrack untermalen zu können, damit du später wieder, über die Musik, eine Verbindung und ein Gefühl herstellen oder reproduzieren kannst. Es kommt, wie es kommt. Und nur dann, so denke ich, lässt die Musik einen Jahre später nochmals das Kribbeln spüren oder aktiviert das Kopfkino. Das spielt es dann oft auch keine Rolle, ob dir der Song damals gefallen hat oder nicht ;-)

Ich würde jetzt nicht in Kategorien denken und beispielsweise so urteilen, dass eine Mathcore-Band die Kriterien nicht erfüllt. Du persönlich hast vielleicht keinen Bezug dazu. Jemand anderes vielleicht schon. Er versteht und fühlt die Musik anders als du oder ich. Somit besteht schon mal eine Verbindung zum Sound - nun fehlt für diese Person vielleicht nur noch das Erlebnis. Ich würde nicht ausschliessen, dass die heutige Musik nicht dieselben 'Fähigkeiten' besitzt, wie die Musik vor 20, 30 oder mehr Jahren. Das wirst du irgendwann in der Zukunft feststellen, wenn ein heute aktueller Song dich wieder in die Vergangenheit zurückholt und dir ein breites Grinsen ins Gesicht oder eine Träne in den Augenwinkel zaubert.

Grz, Marco
 
erniecaster schrieb:
Hallo!

"Früher" war Musik ein rares Gut. Man hat greifbare Tonträger für Geld gekauft - die Langspielplatte. Die war so groß, dass sie immer in eine Tüte vom Plattenladen gepackt wurde und sehr zerbrechlich. Man hat diese Tüten vorsichtig nach Hause getragen.

Nach Legenden haben sich Mick Jagger und Keith Richards an der Bushaltestelle kennengelernt, weil einer der beiden eine solche Tüte mithatte.

Heute leiht dir jeder, den du fragst, eine Festplatte, auf der mehr Musik ist, als man in einem Jahr ununterbrochenem Hörens konsumieren könnte. Für lau. Woher soll ein Gefühl der Wertschätzung kommen, wenn die Verfügbarkeit derartig hoch ist?

Würden sich Mick und Keith heute noch kennenlernen? Vermutlich nicht.

Wer viel Musik haben wollte, musste früher dafür bezahlen und mit den Tonträgern sorgsam umgehen. Weil Geld natürlich auch knapp war, musste man sich auch bewusst für Bands oder Musikrichtungen entscheiden. Kaufe ich die Platte der Stones und mache mir ein qualitativ schlechteres Tape von der Platte der Beatles oder andersrum? Hosen oder Ärzte? Grönemeyer oder Westernhagen?

Und wenn man nur ein paar Handvoll Platten hat, dann kennt man sie bis in das letzte Detail. Man setzt sich vielleicht gar mit den Texten auseinander. Natürlich wird das zu einem Lebensgefühl.

Besorgt man sich "für lau" mehrere Gigabyte Musik und hört überall mal rein, dann hat man zwar alles aber letzten Endes auch nichts gehört.

Und natürlich waren manche Dinge auch neu. Genres wie Heavy Metal, Indiependent, Neue Deutsche Welle - um nur ein paar zu nennen - kamen neu auf den Markt. Das war aufregend! An Retro ist für jemanden, der die Geburt des Originals miterlebt hat, nichts aufregend.

Dazu kommt der Generationenkonflikt. Wenn die verzerrten Gitarren früher aus dem Kinderzimmer schallten, erklärten die Eltern den Untergang des Abendlands. Wenn heute ein Kind "harte" Musik hört, lächelt der Papa nur milde und zieht aus dem Plattenschrank dann mal richtig harten Tobak. Der Punk von heute muss schon Schlager hören, um noch anzuecken. Und der ist auch alles andere als neu.

Nee - ich möchte mit den Kiddies heute nicht tauschen.


Gruß

erniecaster

+ 1 ... haste schön ausgedrückt!
 
Hey,

huch, das ging ja fix mit den Antworten!
Dass man Musik mit bestimmten Ereignissen verknüpft und sich bspw. über das Hören bestimmter Songs an Situationen erinnert, kenn ich auch.
Dass ich aber Musik als "Rahmen", quasi als Unterstützung für ein gewisses Gefühl, sei das jetzt emotional, politisch oder was auch immer, empfinde.. Das Gefühl geht mir irgendwie ab, hab ich den Eindruck - das finde ich schade und deshalb denke ich auch darüber nach...
 
Julle schrieb:
Dass ich aber Musik als "Rahmen", quasi als Unterstützung für ein gewisses Gefühl, sei das jetzt emotional, politisch oder was auch immer, empfinde..
Schau mal, Ende der 60er, Anfang der 70er:
Jugendliche rebellieren gegen das prüde Spießertum zu Hause und gegen (zB in Deutschland) die politische Vergangenheit Ihrer Elterngeneration. Weltweit demonstrieren junge Menschen gegen den Vietnamkrieg und den kalten Krieg, die Friedensbewegung entsteht langsam.

Diese Generation hat Ihre Musik, international heißt es Love&Peace, man experimentiert passend zu "Purple Haze" oder "Lucy in the Sky with Diamonds" mit allerlei lustigen Sachen herum.

In Deutschland entlädt sich zu dieser Zeit die Wut gegen die Elterngeneration mit Bands wie Ton, Steine, Scherben ("Macht kaputt, was Euch kaputt macht", "Ich will nicht werden, was mein Alter ist", und und und ...). Die Kommune 1 macht zu dieser Zeit mit freier Liebe von sich reden - viel mehr Lebensgefühl (ohne einer Musik-Lifestyle-Gruppierung wie zB Punks anzugehören) geht fast nicht ...
 
gitarrenruebe schrieb:
Musik ist viel mehr als Musik!

Oh ja, da ist was sehr wahres dran. Es gibt Songs bei denen ich sofort reagiere und mich erinnere, egal ob mit positiven oder negativen Ereignissen.

Meine Musik ist ein Lebensgefühl, weil ich lebe und liebe sie!
 
erniecaster schrieb:
Hallo!

"Früher" war Musik ein rares Gut. ...

Heute leiht dir jeder, den du fragst, eine Festplatte, auf der mehr Musik ist, als man in einem Jahr ununterbrochenem Hörens konsumieren könnte. Für lau. Woher soll ein Gefühl der Wertschätzung kommen, wenn die Verfügbarkeit derartig hoch ist?

...

Und wenn man nur ein paar Handvoll Platten hat, dann kennt man sie bis in das letzte Detail. Man setzt sich vielleicht gar mit den Texten auseinander. Natürlich wird das zu einem Lebensgefühl.

Besorgt man sich "für lau" mehrere Gigabyte Musik und hört überall mal rein, dann hat man zwar alles aber letzten Endes auch nichts gehört.

Und natürlich waren manche Dinge auch neu. Genres wie Heavy Metal, Indiependent, Neue Deutsche Welle - um nur ein paar zu nennen - kamen neu auf den Markt. Das war aufregend! An Retro ist für jemanden, der die Geburt des Originals miterlebt hat, nichts aufregend.

Dazu kommt der Generationenkonflikt. Wenn die verzerrten Gitarren früher aus dem Kinderzimmer schallten, erklärten die Eltern den Untergang des Abendlands. Wenn heute ein Kind "harte" Musik hört, lächelt der Papa nur milde und zieht aus dem Plattenschrank dann mal richtig harten Tobak. Der Punk von heute muss schon Schlager hören, um noch anzuecken. Und der ist auch alles andere als neu.

Nee - ich möchte mit den Kiddies heute nicht tauschen.


Gruß

erniecaster

Auf den Punkt gebracht. Früher war die Musik der Heranwachsenden eine Form von gelebter Freiheit. Etwas, das sie von den Erwachsnenen, die eh alles besser wissen/wussten, abgrenzte. Etwas, in das man sich flüchten konnte.
Heute ist Musik hauptsächlich Kommerz. Die Masse an Neuem erschlägt einen ja förmlich. Jedder Depp wird schnell zum Superstar, ohne je einen Song geschrieben zu haben. Bandarbeiter der Unterhaltungsbranche. (Wobei das für nen Bandarbeiter, einen Menschen der hart malocht, wohl ne Beleidigung ist, mit Justin Bieber und Konsorten in einem Atemzug genannt zu werden.)

Kennst den Film, weiss den Titel gerade nicht. Mods gegen Rocker, Rocker gegen Mods, irgendwo in England mit Sting in einer erweiterten Nebenrolle. Google hilft...Quadophenia heisst der.
Da geht es um das Lebensgefühl einer Jugendkultur (Mods) und zum Schluss fährt der Protagonist die gelaute Vespa seines Vorbilds (Sting) die Klippen runter, weil ihm klar wird, das sein "Lebensgefühl", Musik, Freunde, Rebellion, anders sein, nur einen große Illusion ist. Sein Idol ist Sklave in nem Hotel und kein grosser Revoluzzer.Das der Alltag eben nicht bunt, sondern eher grau ist.
Also dieser Film drückt für mich irgendwie ganz gut aus, was LEBENSGEFÜHL ist.

 
Für mich ist Musik pure Emotion, zumindest solche die bei mir ankommt.

Zum Einen kann ich mit Musik meine Stimmung beeinflussen, also mich gut drauf bringen wenns mir schlecht geht, noch weiter ins Melancholische ziehen wenn's mir schlecht geht oder bis zur Euphorie steigern wenn's mir gut geht. Andererseits sind viele Stücke mit Erinnerungen verbunden, oft bewusst, manchmal unbewusst. Dann werden Emotionen wieder erlebt.

Jeder hört die selbe Musik auch anders. Meine Frau z.B. hört meist auf die Texte. Ich sehr selten bis gar nicht, sondern eher auf Rhythmus, Harmonien und Melodie.

Lebensgefühl, kann ich mir vorstellen, aber das passt bei mir höchstens in den frühen 70ern (bin 59 geboren), da waren Hardrock und lange Haare eine geniale Möglichkeit, gegen die (Groß-)Eltern-Generation zu rebellieren. Und Musik wurde damals anders konsumiert als heute. Ich will das gar nicht werten. Aber wenn einer meiner Kumpels oder ich eine LP gekauft hat, wurde die wieder und wieder gehört, jeder Titel samt Reihenfolge war bekannt, samt Besetzung, Komponist und Texten.

und abschließend noch ein wenig Pathos:





Gruß,

Micha
 
Musik ist Lebensgefühl - ja genau...

Mehr kann man dazu auch nicht sagen und erklären....

Gefühle kann man nicht erklären!

Das ist wie wenn ich jemand erklären muss, dass mir immer wenn ich die ersten 4 Töne von "still got the blues" höre, kurzzeitig Wasser in die Augen schießt (seit dem Tod von G.M erst recht).....

Das ist für mich Lebensgefühl durch einen Ton auf den Punkt gebracht.....

Viele verbinden die schönsten Momente mit Musik. Musik die man sich gemeinsam angehört hat, Musik die man mit lieben Menschen geteilt hat, Musik zu der man abgetanzt hat oder das auch immer noch tut (versteht sich)...

Wir Musiker haben ein Problem, weil wir nicht Musik so unbedarft hören können wie Nichtmusiker.....wir sind da viel zu verkopft bei der Sache...

wie auch jetzt wieder....

meine Frau sagt immer wieder zu mir, jetzt hör doch die Musik einfach nur an, ohne ständig zu analysieren....

und ich denke, dir geht es ähnlich, sonst würdest du diese Fragen nicht stellen....
 
Hey,

danke für die rege Beteiligung! Das war stellenweise wirklich aufschlussreich!

Was ich nochmal klarstellen will (auch in Bezug auf Ollis Posting):

Natürlich weckt Musik bei mir auch Gefühle. Und auch ich assoziiere viel durch Musik, garkeine Frage.
Es gibt aber scheinbar eine Ebene, in die ich nie eingetaucht bin. Mein Daddy erzählt Geschichten aus seiner Studiumszeit oft so nach dem Motto: "So war das, so waren wir, das wollten wir, das hat uns geärgert, das hat uns beschäftigt und DAS war unsere Musik dazu! Unser Soundtrack! Die Lieder, der Sound, der alles ausgedrückt hat, wofür wir standen!"

Und auf die Frage, was ich mit meiner (mittlerweile ehemaligen) Brat-Metalcore-Band für ein Gefühl verbinde, konnte ich eigentlich nur entgegnen: Bock auf coole Musik und gute Songs, die einen zum ausrasten bringen! Die hart sind! Die kesseln!

Er hat dann vermutet, dass es wahrscheinlich Wut ist, die wir transportieren wollen. Darüber habe ich nachgedacht und konnte das eigentlich nicht bejahen.

Die Musik, (also sowohl das hören, als auch das machen, als auch das sammeln von CDs und der Besuch von Konzerten) so kann man das denke ich ausdrücken, macht zwar was mit mir, aber sie steht eigentlich nicht für irgendetwas (zumindest nichts übergeordnetes). Und das ist aber das, was bei den Erzählungen meines Vaters irgendwie durchscheint. Ein Lebensgefühl, will ich meinen.
 
gitarrenruebe schrieb:
Schau mal, Ende der 60er, Anfang der 70er:
Jugendliche rebellieren gegen das prüde Spießertum zu Hause und gegen (zB in Deutschland) die politische Vergangenheit Ihrer Elterngeneration. Weltweit demonstrieren junge Menschen gegen den Vietnamkrieg und den kalten Krieg, die Friedensbewegung entsteht langsam.

Diese Generation hat Ihre Musik, international heißt es Love&Peace, man experimentiert passend zu "Purple Haze" oder "Lucy in the Sky with Diamonds" mit allerlei lustigen Sachen herum.

In Deutschland entlädt sich zu dieser Zeit die Wut gegen die Elterngeneration mit Bands wie Ton, Steine, Scherben ("Macht kaputt, was Euch kaputt macht", "Ich will nicht werden, was mein Alter ist", und und und ...). Die Kommune 1 macht zu dieser Zeit mit freier Liebe von sich reden - viel mehr Lebensgefühl (ohne einer Musik-Lifestyle-Gruppierung wie zB Punks anzugehören) geht fast nicht ...

Das trifft es von allem, was ich bisher hier zum Thema gelesen habe am besten.

Allerdings: Hier im Forum sind ja quasi zwei Generationen vertreten. Die Älteren, die jene Zeit, von der du schreibst, entweder bewusst miterlebt haben oder aber zumindest die direkten Nachwirkungen. Und die die Musik dieser Zeit mit einem echten, erlebten Lebensgefühl verbinden.

Und jene Jungen, die überhaupt nicht nachvollziehen können, wovon die Rede ist. Musik als Ausdrucksform für gesellschaftliche Revolution, Prostest gegen Krieg, Establishment, verkrustete Strukturen, Rebellion.

Immerhin stand ein Hendrix damals unter besonderer Beobachtung des FBI, da man ihn für politisch gefährlich hielt. Man stelle sich das heute mal vor – George Clooney, politischer Aktivist, im Visier des FBI…….

Ich verbinde mit der heutigen Musik kein Lebensgefühl mehr. Aber gefühltes Leben, wenn es Musik ist, die mich kickt….oder berührt, auf eine besondere Weise.

Tom
 
Julle schrieb:
Hey,

danke für die rege Beteiligung! Das war stellenweise wirklich aufschlussreich!

Was ich nochmal klarstellen will (auch in Bezug auf Ollis Posting):

Natürlich weckt Musik bei mir auch Gefühle. Und auch ich assoziiere viel durch Musik, garkeine Frage.
Es gibt aber scheinbar eine Ebene, in die ich nie eingetaucht bin. Mein Daddy erzählt Geschichten aus seiner Studiumszeit oft so nach dem Motto: "So war das, so waren wir, das wollten wir, das hat uns geärgert, das hat uns beschäftigt und DAS war unsere Musik dazu! Unser Soundtrack! Die Lieder, der Sound, der alles ausgedrückt hat, wofür wir standen!"

Und auf die Frage, was ich mit meiner (mittlerweile ehemaligen) Brat-Metalcore-Band für ein Gefühl verbinde, konnte ich eigentlich nur entgegnen: Bock auf coole Musik und gute Songs, die einen zum ausrasten bringen! Die hart sind! Die kesseln!

Er hat dann vermutet, dass es wahrscheinlich Wut ist, die wir transportieren wollen. Darüber habe ich nachgedacht und konnte das eigentlich nicht bejahen.

Aber reicht es denn nicht, die Musik zu hören/zu machen, weil ich sie geil finde, weil ich Bock drauf hab, die mich zum ausrasten, etc.pp. bringen?
Ich muss doch nicht immer in alles etwas hineininterpretieren (das könnte jetzt
sein, dass ich dadurch meine Wut rauslassen will, o.ä.)
Ich selbst höre auch sehr viel Metal...will ich damit jetzt meine Wut demonstrieren? Nein!! Ich liebe diese Musik und höre sie deswegen gerne.

Ich denke, es ist heute auch schwierig, aktuelle Musik als Lebensgefühl zu empfinden.
Ich war damals (60er/70er Jahre) noch nicht auf der Welt und kann es deswegen nicht wirklich sagen. Aber was ich so mitbekommen habe...damals gab es nicht zigtausende Auswahlmöglichkeiten bzw. verschiedene Genres an Musik, es wurde nicht jede Woche neuer "DSDS-Müll" auf den Markt geworfen. Heute gibt es tausende verschiedene Stilrichtungen gleichzeitig, nebeneinander. Früher gab es das so wahrscheinlich nicht. Da hatte man dann wohl schon einen anderen, vielleicht intensiveren, Bezug zur Musik.
Aber ist jetzt auch nur viel Spekulation meinerseits.

Gruß Martin
 
Mörten schrieb:
Ich denke, es ist heute auch schwierig, aktuelle Musik als Lebensgefühl zu empfinden.
Ich war damals (60er/70er Jahre) noch nicht auf der Welt und kann es deswegen nicht wirklich sagen. Aber was ich so mitbekommen habe...damals gab es nicht zigtausende Auswahlmöglichkeiten bzw. verschiedene Genres an Musik, es wurde nicht jede Woche neuer "DSDS-Müll" auf den Markt geworfen. Heute gibt es tausende verschiedene Stilrichtungen gleichzeitig, nebeneinander. Früher gab es das so wahrscheinlich nicht. Da hatte man dann wohl schon einen anderen, vielleicht intensiveren, Bezug zur Musik.
Aber ist jetzt auch nur viel Spekulation meinerseits.

Gruß Martin

alles vollkommen richtig was du schreibst.....

Die Assoziation Musik und Lebensgefühl ist heute aufgrund des Angebotüberhangs nicht mehr so gegeben.... Heute ist Musik eher Massenware und es geht um Darbietung, Style und Mode nicht mehr um Lebensgefühl....eher um Livestyle...

mag sich doof anhören, aber die Tatsache alleine, dass man alles in "Modebegriffe und Anglizismen" verpackt, spricht Bände ....dadurch versucht man Inhaltsleere mehr Glanz zu verpacken...mehr Schein als Sein....Lebensgefühl ist Sein, Livestyle ist nur noch Schein....

Youtube und Castingshows tun ihr übriges.....und Gitarrespielen ist letztlich seit Beginn der ersten Lernvideos "entzaubert".....
 
ollie schrieb:
Mörten schrieb:
Martin schrieb diverses ...

Gruß Martin

alles vollkommen richtig was du schreibst.....

.. und Außerdem: Video killed the radio star.

Heutzutage sind Acts (zB: Pink) Shows. Da wird nicht nur gesungen und Mucke gemacht, da wird getanzt, da werden diverse Outfits präasentiert ....der visuelle Aspekt ist da fast wichtiger als die Mucke...

Früher haben wir Platten gehört, schwindelerregende Substanzen konsumiert (aber nicht dieser chemischer Scheiss von heute, alles ökölogisch wertvoll haha) und alles war schön. Ohne das ganze Theater drumherum.
Ok, die Showas von Genesis waren auch wieder audiovisuelle Kombipackungen.
 
muelrich schrieb:
Heutzutage sind Acts (zB: Pink) Shows. Da wird nicht nur gesungen und Mucke gemacht, da werden diverse Outfits präasentiert ....der visuelle Aspekt ist da fast wichtiger als die Mucke...

Das ist wahr, sowas wäre früher undenkbar gewesen.... :cool:

[img:320x240]http://autoimg.clipfish.de/autoimg/764f7fb83fe4e664a2287be7af8e9842/512x288/freddy-mercury.jpg[/img][img:450x231]http://cdn.hollywoodgrind.com/images/2009/8/kiss-alive-tour-dates.jpg[/img]
 
Wenn mir die Musik nichts gäbe und somit kein Lebensgefühl zu verbinden wäre - dann würde ich dan ganzen Gitarrenmist verkaufen und keine Musik mehr machen ...
 

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