Ich bau mir eine Tele - Gitarrenbauworkshop bei Viennaguitars.

powerslave

Power-User
23 Feb 2013
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Hallo!

Ein sehr guter Freund hat mir zu meinem 40er ein besonderes Geschenk gemacht. Da es ob meiner völlig enthemmten Sammelleidenschaft für E-Gitarren aller Art für meine Umgebung mittlerweile fast unmöglich geworden ist mich hier noch wirklich zu überraschen, so fehlt doch bis dato etwas in meiner Sammlung: eine selbstgebaute Gitarre. Grandiose Idee: ein Workshop in Wien bei Viennaguitars, wo man sich sozusagen seine Gitarre unter Anleitung in drei Tagen selbst baut (zumindest teilweise). Gleichzeitig hat er gemeinsam mit meiner Frau und meiner Sekretärin auch heimlich meinen Terminkalender mit "Dummyterminen" so manipuliert, daß ich für diesen Workshop auch garantiert Zeit habe - ohne etwas davon zu ahnen. Überraschung also auf der ganzen Linie gelungen - meine Freude war entsprechend groß. Und statt mich jetzt durch einen dichten Termindschungel zu kämpfen sitze ich völlig unerwartet im Zug nach Wien und bin gespannt auf das was da kommt.
Im Vorfeld musste ich noch ein Gitarrenmodell für den Bau wählen. Nicht restlos überzeugt von meinen handwerklichen Fähigkeiten habe ich mich für eine Tele entschieden - so einfach wie möglich war der Gedanke- schließlich soll ja auch ein zumindest halbwegs brauchbares Teil bei der ganzen Sache herauskommen. Und auch spätere Modifikationen traue ich mir hier weit eher zu, als z.B. bei einer LP. Möglich wäre grundsätzlich fast alles gewesen: von J-Bass über P-Bass zu PRS- LP- und Strat-Style Gitarren reicht hier die Palette.

Ich freu mich auf Eure Kommentare und ggf. Euren Input - werde stets ein wenig updaten - falls ich es schaffe auch ein paar Fotos reinstellen- und vielleicht bekommt ja auch jemand Lust auf so einen Workshop.


PS: Nur zur Sicherheit: ich kenne Franz Guggenberger (den Inhaber von Viennaguitars) nicht bzw. noch nicht und bin auch kein "dafür-will-ich-es-aber-gratis" - Blogger, sondern ein einfacher "zahlender" (in diesem Fall natürlich nur indirekt) Kunde.
 
So, zurück im Hotel. Dafür dass eigentlich der Workshop nur bis 19:00 geplant war ist es richtig spät geworden (22:00). :gaehn:
Weil der Zug keine Verspätung hatte und auch sonst nichts passiert ist war ich glatt eine Stunde zu früh da und musste zur Strafe einen Abstecher in die Klangfarbe machen. Aber das ist eine (andere) Geschichte für sich.
Franz und der Laden sind vom ersten Eindruck her ein wenig schräg, aber durchaus sympathisch. Er betreibt Viennaguitars alleine und hat sich auf Servicearbeiten bei Gitarren und Bässen spezialisiert, baut aber auch Instrumente. Klingt erst einmal nach einem schwierigen Unternehmen, allerdings war während meines Aufenthaltes dort die Kundenfrequenz nicht gering und das Auftragsvolumen offensichtlich enorm. Zusätzlich bietet er eben diese Workshops an. Nach einem Aufwärmkaffee nahm ich erst einmal das Rohmaterial entgegen und kapierte erst in diesem Moment, daß ich einen Einzelkurs mache. Somit genoss ich natürlich auch die komplette Aufmerksamkeit, nur unterbrochen von den Kunden und gelegentlichen Rauchpausen.
Zu Beginn machte ich mich erst einmal auf die Suche nach einem passenden Kopfplattendesign. Klassische Teles habe ich ein paar, also zeichnete ich ein paar modernene Entwürfe (die wie mir erst dann auffiel irgendwie ziemlich an die Ibanez - Teile erinnerten). Dann sägte, raspelte und schliff ich unter Franz' fachkundiger Anleitung (der kann einem über Holz wirklich alles erzählen) den Headstock zurecht.
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Danach bekamen Body und Hals ihr Fett (Öl) ab.
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Zwischendurch war genug Zeit für entspanntes Gespräch und reichlich Kaffee.. Morgen geht's weiter. Spaß macht das.
 
Nach insgesamt 3 intensiven Tagen ist SIE endlich fertig: :banana:
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... und ich bin sehr zufrieden und überrascht vom Ergebnis. Sie sieht nicht nur gut aus und klingt, sondern der Hals ist unglaublich, die Saitenlage lässt sich ultraflach einstellen ohne Schnarren (viel flacher als ich es eigentlich brauche und gewohnt bin), perfekte Oktavreinheit trotz Telebrücke, sehr cool! Auf die von mir während der Bauphase angedachten Upgrades (Locking Mechaniken, andere Brücke, Messingböckchen usw.) verzichte ich erst einmal, nur der "Stock" Steg PU ist mir ein wenig zu harsch. Ich hab zuhause noch einen DiMarzio Chopper T und einen Twang King herumliegen, evtl. baue ich die noch ein. Interessanterweise ist die Bridge eine Toploader - B., ich wollte auch hier zuerst eine String through body - Bridge nachrüsten, weil Toploader ja "bäh" sind. Auch hier eine kleine Überraschung für mich: diese Arbeit kann man sich wirklich sparen. Da fehlt nichts, super Sustain (da ist anscheinend eine möglichst komplette Auflage der Bridge-Platte viel wichtiger). Hab gerade eben einen Vergleich mit einer meiner anderen Teles gemacht, die auch einen Eschenkorpus und einen Ahornhals hat - ich wüsste nicht, was ich hier verbessern könnte. Klar, die hat andere PUs, ist Nitro-lackiert und nicht geölt usw. und klingt dadurch anders, aber nicht besser. Und das Set up ist auf der Eigenbau-Tele deutlich besser... :cool:
Während des ganzen Workshops hat mir Franz mit einer Menge nützlicher Tipps und Tricks geholfen, er ist echt ein angenehmer und interessanter Zeitgenosse, mit dem man auch prima über Dinge abseits der Musik lange Gespräche führen kann. Fast bis Mitternacht - selbst wenn der Kurs an sich gestern um 19:00 schon aus gewesen wäre.

Anstrengend fand ich das Abrichten der Bünde, überraschend unkompliziert das Feilen des Sattels.. Aber insgesamt ist mein Respekt vor der Zunft der Gitarrenbauer doch erheblich gewachsen. Und ganz ehrlich: 60 Euro für ein komplettes Setup - da brauche ich eigentlich nicht einmal eine Sekunde überlegen, außer ich hätte unendlich viel Zeit...
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Harte Arbeit, die sich lohnt...
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Fazit: Sehr empfehlenswert, hat großen Spaß gemacht. Wer die Reise nach Wien nicht scheut, dem sei ein Workshop bei Franz wärmstens ans Herz gelegt. Und auch für Service- und Reparaturarbeiten ist er ein prima Ansprechpartner. Die Nachfrage nach seinen Diensten scheint enorm zu sein und auch das Publikum ist bunt: vom Generaldirektor bis zum Schüler, von der 5000.- CS bis hin zur 120.- no name Klampfe. Und so ganz spezielle Kunden gibt's da auch - da ist die Nähe zur Klangfarbe (=größtes Musikhaus Österreichs) wohl Fluch und Segen zugleich. Da wird schon einmal eine 3700.- Martin D28 samt Verkäufer in den Shop geschleppt, weil der überkritische und über die Maßen komplizierte potentielle Käufer sich "absichern" will und zwar offensichtlich Geld, aber keine Ahnung hat... :facepalm:
 
Danke für den schönen Bericht!

Kannst du noch ein größeres Bild von der fertigen Tele reinstellen?
 

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