MC-300DS

Seriennummer
F806091
Hersteller
Ibanez
Baujahr
1980
1981 stand ich hĂ€ufig in der Schanzenstraße in Hamburg vor dem Schaufenster eines MusikgeschĂ€ftes. Von drinnen lĂ€chelte mir eine freundliche \"Schwarze\" zu. Sie hörte auf den Namen Ibanez Artist und sah einfach toll aus. Nachdem ich das Instrument getestet hatte, stand mein Wunsch fest: Die muß es sein! Das einzige was störte, war das kleine Schild, auf dem der Preis stand: 1680 DM! Das war leider mehr, als sich in meiner Tasche befand. Als ich das Geld endlich zusammen hatte, war die Artist natĂŒrlich schon verkauft worden. Was blieb, war der Wunsch nach einer solchen Gitarre.

Ibanez hatte Anfang der 80er Jahre den Schritt vom bloßen Kopieren der amerikanischen Instrumente hin zu eigenstĂ€ndigen Modellen unternommen. Die Gitarren aus dieser Zeit waren nicht nur billiger, sondern auch vergleichbar oder sogar besser, was Verarbeitung und Klang betraf. Die bedeutensten Modelle aus dieser Zeit waren die schon erwĂ€hnte Artist und die Musician. War die Artist in ihrer ganzen konservativen Konzeption an die Les Paul angelehnt, so war die Musician die modernere Variante, die auch klanglich neue Wege ging. Beiden gemeinsam war die hervorragende Verarbeitung. Aufgrund der aufwĂ€ndigen Produktion wurden diese Instrummente Ende der 80er Jahre aus dem Programm genommen. Sie waren in der Herstellung einfach zu teuer!

Heute haben die Gitarren aus dieser \"goldenen Zeit\" einen legendĂ€ren Ruf. Das hat dazu gefĂŒhrt, daß Ibanez von Zeit zu Zeit immer wieder eine Neuauflage der Artist im Programm hat. Angeblich erreichen diese Modelle ihre Vorbilder jedoch nicht. Wer also das Original möchte, muß suchen! Bei Ebay kann man manchmal eine Artist oder Musician ersteigern. Die Artist ist jedoch selten unter 650 Euro zu haben. Gut erhaltene Exemplare gehen locker fĂŒr 1000 Euro ĂŒber den Tisch! Diese Instrumente haben also nach fast 25 Jahren so gut wie keinen Wertverlust! HĂ€ufig muß man jedoch deutlich höhere Preise bezahlen. Die Gitarre als Wertanlage. Die Musician wird, vieleicht aufgrund ihres moderneren Designs, hĂ€ufig unterschĂ€tzt. Das mag auch der Grund dafĂŒr sein, daß diese Gitarren etwas billiger zu haben sind.

Im Herbst 2004 trĂ€umte ich mal wieder bei Ebay meinen Ibanez-Traum. Da ich eine ganze Menge Überstunden hatte, war etwas Geld im Budget. Leider reichte es fĂŒr eine Artist immer noch nicht und vom Prinzip her war ich mit der Cardinal ja auch sehr gut bedient. Was ich wollte, war ein SchnĂ€ppchen und keine pure Befriedigung einer Sammelleidenschaft. Da fiel mein Blick auf die Musician... Kurz und gut, fĂŒr 426 Euro erwarb ich eine MC300S.

Gleich nach meinem Urlaub wurde das Paket mit kribbeligen HĂ€nden ausgepackt. Im Koffer fand sich noch der originale Kaufbeleg aus dem Jahr 1981. 1188 DM hatte der Erstbesitzer damals ausgegeben. Laut Seriennummer F806091 wurde das Instrument im Juni 1980 in Japan gebaut. Bis auf die ĂŒblichen kleinen Kratzer und Dellen im Lack war die Gitarre in einem guten Zustand. Der Hals war kerzengerade und die BĂŒnde waren nicht abgespielt.

Nun zu den Details:

1. Der Korpus der Gitarre ist vollstÀndig aus Mahagoni gefertigt. Eine deutliche Anleihe bei der Les Paul und der Artist. Die Form ist, wie schon bei der Cardinal, an die Fender Stratocaster angelehnt.

2. Der durchgehende fĂŒnfteilige Hals besteht aus drei Streifen Bergahorn und zwei Streifen Walnuß mit einem Griffbrett aus Palisander und sorgt fĂŒr ein unendliches Sustain. Da hĂ€lt keine Les Paul mit!

3. 24 BĂŒnde ermöglichen das Spiel ĂŒber zwei vollstĂ€ndige Oktaven.

4. Die Tonabnehmer sind an die Gibson PAF\'s angelehnt. Der Widerstand ist fast identisch. Weitere Werte werde ich sicherlich bald im Labor ermitteln.

5. Jeder Tonabnehmer verfĂŒgt ĂŒber einen sogenannten \"Tri-Sound-Switch\". Damit kann der Humbucker von Reihenschaltung ĂŒber Single-Coil auf Parallelschaltung umgeschaltet werden. Eine Variante mehr als bei der Cardinal.

6. Ein LautstĂ€rkeeinsteller fĂŒr jeden Tonabnehmer und ein gemeinsamer Klangeinsteller ermöglichen das, was man als Gitarrist meistens braucht: Verschiedene LautstĂ€rkeeinstellungen. Zwei Klangeinsteller machen in der Regel keinen Sinn, weil sie selten verĂ€ndert werden und bei der Zusammenschaltung beider Tonabnehmer den Klang sehr dumpf machen können.

7. Über einen sechstufigen Varitone-Schalter können verschiedene KabelkapazitĂ€ten simuliert werden. Dadurch kann die Resonanzfrequenz nach unten verĂ€ndert werden.

8. Der Innenraum der Elektronik ist mit eine Folie ordentlich abgeschirmt.

Insgesamt ist die Musician eine Allround-Gitarre, die sogar die Cardinal in ihren Variationsmöglichkeiten ĂŒbertrifft. Vergleicht man das Instrument mit den amerikanischen Produkten seiner Zeit, so ist sie ihnen weit ĂŒberlegen. Der erdige Grundklang ist jedoch deutlich bei der Les Paul angesiedelt. Unter Kennern wird die Musician daher hĂ€ufig auch als \"Les Paul Killer\" bezeichnet. Benutzt man jedoch die Tri-Sound-Switches, so sind noch eine ganze Reihe neuer KlĂ€nge möglich, die bis zu akustischen Sounds gehen. Die klangliche Vielfalt ist umwerfend.

Verglichen mit der Cardinal ist die Musician eine konsequente Weiterentwicklung, auch wenn sie Ă€lter ist, und zeigt deutlich, daß die Ingenieure bei Ibanez sorgfĂ€ltig Sinnloses von Sinnvollem getrennt haben. Ich bin jedenfalls begeistert von meinem \"SchnĂ€ppchen\" und die Cardinal wird es jetzt wohl etwas schwerer haben! Das einzige was noch fehlt, ist ein Phasenumkehrschalter, fĂŒr die Out-of-Phase Sounds. Aber, das wird wohl nicht lange dauern. Der Lötkolben ist schon warm...

Harmony-central.com liefert fĂŒr die MC-300DS ein Review (Overall Rating 10).

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So eine habe ich auch noch, allerdings das Esche-Modell. Aber auch die mit der Varitone Variante, allerdings mit Klinkenbuchse auf der Decke. Die Gitarre klingt saugut, drĂŒckt wie Sau und singt ohne Ende.

Und wiegt leider 5 Tonnen, weswegen sie kaum noch gespielt wird. Viel Spass noch mit der alten Dame.
 
Onkel Ulf,
ich mag Deine BeitrĂ€ge und Deine sorgfĂ€ltig ausgewĂ€hlten Instrumente. Auch die Art, wie Du sie beschreibst, sagt mir zu. Großes Kompliment an einen Afficionado, der sich mit seinem Geraffel wirklich auseinandersetzt!
(Gute GĂŒte, hoffentlich klingt das jetzt nicht ĂŒberheblich - ich bin doch selber so einen...) ;-))
 
Hallo Kollegens,
muß trotz (oder wegen?) meiner Bewunderung und Liebe zu den Musicians hier was richtig stellen: es handelt sich immer um eine Sandwich-Konstruktion aus Esche mit Mahagoni- oder Ahornkern. Die Modelle mit der Endung \"DS\" sind dunkel gebeizt (dark stained), die \"NT\" naturbelassen (natural). Komplette Mahagonikorpus (wie heißt der Plural, ist das die U-Deklination?) - den durchgehenden Hals mal beiseite gelassen - gab\'s nicht. Der Hals ist, je nach Modell, 5- oder 7-streifig (Ahorn/Walnuss). 1981/82 gab es mit den x50er Modellen die letzten \"schönen\" Musicians, dann kamen die deckend lackierten mit den Pull-/Push-Potis, wonach die Serie dann vom Markt verschwand. Dem geneigten Beobachter ist sicher nicht entgangen, daß sich die Korpusform im Laufe der Zeit, vor allem an den Enden der Hörner verĂ€ndert hat (sieht man gut an der von Hans-JĂŒrgen).
Ich sollte wohl öfter etwas querlesen. Habe den besgten Artikel vom Onkel erst heite entdeckt... Sorry, wenn ich mich dann hier und da wiederholt habe!
 

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