Der Mensch Richard Rider
Die etwas überheizte Werkstatt riecht nach Maschinenöl und nach frisch geprägten Münzen. Kein Wunder, Münzen sind aus dem Lieblingsmaterial Richard Riders, Nickel. Aber über Nickel sollte man nicht mit ihm reden, denn sonst regt sich der ansonsten eher wortkarge, eigenbrödlerische Alte bloß wieder auf. Dann fuchtelt er einem wie wild mit seiner Schieblehre im Gesicht herum und erklärt, daß die meisten Saiten nur einen hauchdünnen Nickelüberzug haben, der nach einer Stunde Spielen weg ist. Der Rest der Saite ist schnödes Eisen, und das höre jeder Idiot.
Der etwas zu kleine Raum ist vollgepfropft mit Maschinen, teure, gut gepflegte schwarze und grüne Eisenmonster und kleine, seltsame Vorrichtungen, wie aus einem alten SiFi-Film, von denen niemand genau sagen kann, was sie eigentlich tun. Er ist etwas zu dunkel, nur ein paar gebündelte Lichtkegel einiger Leuchtstofflampen wlche die zwei Wickel-Maschinen gnadenlos in ihr kaltes Licht rücken und jedes Detail offenlegen. Die dort angebrachten beweglichen Lupen werfen zitternde Miniatur-Regenbogen an die Decke. Ein Mikroskop, einige Mikrometer und ein vor sich hinlodernder Bunsenbrenner machen Riders Schreibtisch zu einem Mini-Labor und geben eine etwas mystische Stimmung, etwas von geheimer Alchemie. Sein Sohn ist Professor der Metallurgie an einer Universität irgendwo in Neuengland. Ein Diplom im Bilderrahmen an der Wand bezeugen das. Daneben hängt die vergilbte Todesanzeige seiner Frau.
Rider im grauer Arbeitsmantel mit scharfen Bügelfalten in der Jeans, schreibt gerade auf einer zur Säule gestapelten Dahtspulen neben der Werkstatttüre einen Lieferschein. Von sechs gelieferten Spulen gehen vier wieder zurück, sie haben die ominösen Rider-Tests nicht bestanden. Die dicke, fernrohrartige Brille läßt seine Augen größer erscheinen. Er rollt die Augen und schimpft über faule Drahthersteller. Und die böse Konkurrenz bekommt auch ihr Fett ab. Es wurmt ihn zutiefst, daß er im Preis einfach nicht mithalten kann. Und dann die Musiker, die ihr sauer verdientes Geld für Saiten ausgeben, die er als ..... bezeichnet. Aber dann kommt er auf amerikanische Vintage Händler, das Studio in der Karibik und erzählt über "seine" englischen Rockstars und das versöhnt ihn wieder.
Ein Drehautomat spuckt unablässig Saitenendstückchen in einen übervollen Plastikbehälter, der auf dem Boden daneben steht, aus, alle 90 Sekunden eines. Es bildet sich ein Berg aus Staiten-Kügelchen. Alle 90 Sekunden "Pling" wenn es im Behälter bleibt, aber meistens "Pling-Pläng" wenn es auf den öligen Boden kullert.
Wenn er nachdenken muß, setzt er sich an den verlassenen Arbeitsplatz, an dem die Saiten aufgewickelt und verpackt werden. Dort sieht er sich seine Produkte einzeln genau an. Er putzt die Saiten mit einem Baumwollballen immer wieder. Dann wischt er seine Hände daran ab, immer wieder, und man begreift, daß Geduld und Akribie bei Saiten wichtiger sind als Werbung und Marketing....
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