Die Klangeinstellung in der Elektrogitarre

DerOnkel

Power-User
26 Nov 2004
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Ellerau
Nachdem ich vor einiger Zeit bereits zwei BeitrÀge zum Thema LautstÀrkeeinstellung geschrieben habe, wird es jetzt Zeit, sich mit der Klangeinstellung zu befassen.

Im Vergleich zu dem modernen Bassisten zĂ€hlt die 6- oder 7-saitige AusfĂŒhrung dieser Gattung Musiker eher zu den konservativen Puristen. Auch heute noch wird in den meisten Elektrogitarren eine Schaltung verwendet, die in Unwissenheit ihrer eigentlichen Wirkungsweise einfach aus dem Schaltplan eines Radios entnommen wurde. Wie sie und einige ihrer Variationen funktioniert, ist Gegenstand dieses Beitrages. Im weiteren Verlauf werde ich vielleicht einige Begriffe verwenden, die dem einen oder anderen fremd sind. Hier hilft dann ein Blick in Guitar-Letter II und III.

Alle folgenden AmplitudengÀnge wurden mit den elektrischen Daten eines Fender Stratocaster-Tonabnehmers simuliert. Der Drehwinkel der Potis wird grundsÀtzlich in Prozent angegeben, wobei eine logarithmische Charakteristik (10% bei 50% Drehwinkel) verwendet wurde.

Die Schaltbilder enthalten auf der linken Seite die Ersatzschaltung eines magnetischen Tonabnehmers mit der Spannungsquelle U0, der SpuleninduktivitÀt Ls, dem Gleichstromwiderstand Rs und der WicklungskapazitÀt Cs.

Als Belastung wurde eine KabelkapazitĂ€t CK sowie der Eingangswiderstand Rin und die EingangskapazitĂ€t Cin der ersten VerstĂ€rkerstufe berĂŒcksichtigt.

Wie der Klang eines elektromagnetischen Tonabnehmers aus elektrischer Sicht zustande kommt, habe ich in Guitar-Letter II und III ausfĂŒhrlich beschrieben. Wer da noch Nachholbedarf hat, hat dann Futter fĂŒr die nĂ€chsten Abende. ;)

Wenn man wissen möchte, wie ein Netzwerk bei Ansteuerung mit verschiedenen Frequenzen reagiert, so verwenden die Elektrotechniker sehr gerne ein sogenannte Bode-Diagramm, welches aus dem Amplituden- und Phasengang der Übertragungsfunktion gebildet wird. FĂŒr unsere BedĂŒrfnisse ist es ausreichend, nur den Amplitudengang (engl. Frequency Response) zu betrachten.

Los geht es...

1. Der Standard: Die Tonblende

Die sogenannte Tonblende (engl. Tone) besteht aus einer Reihenschaltung eines verÀnderlichen Widerstandes (PT) und eines Kondensator (CT). Diese Anordnung wird in der Regel parallel zum Tonabnehmer geschaltet. Im folgenden Bild ist die Ersatzschaltung von Tonabnehmer, Gitarrenelektronik sowie Kabel und VerstÀrkereingang dargestellt.

Tone01.gif


Man erkennt in der blauen Linie des Amplitudenganges bereits den typischen Verlauf der Übertragungscharakteristik eines elektromagnetischen Tonabnehmers. AuffĂ€llig ist der "Berg", dessen Lage durch die sogenannte Resonanzfrequenz charakterisiert wird. Sie betrĂ€gt in diesem Beispiel 3.542kHz mit einer AusprĂ€gung von 4.90dB. Das heißt, der Tonabnehmer betont die Frequenzen in diesem Bereich ungefĂ€hr mit einem Faktor von 1.75. Den "Klang" eines solchen Tonabnehmers kann man umgangssprachlich als "grell" und "metallisch" bezeichnen, eben genau der Sound, den man von einer alten Stratocaster aus den 50er Jahren erwartet.

Wenn man jetzt am Tone (PT) dreht, verĂ€ndert sich der Amplitudengang. Im Bild wurden insgesamt 10 AmplitudengĂ€nge fĂŒr Drehwinkel von 100% bis zu 0% mit einer Schrittweite von 10% dargestellt.

Man erkennt, daß der "Berg" langsam kleiner wird und schließlich ganz verschwindet (50%, Rot). In der Endstellung von PT ist jedoch schon wieder ein "Berg" aufgetreten. Er liegt bei 647Hz / 4.34dB. Diese Einstellung wird von den meisten Musikern als "dumpf" oder "muffig" empfunden und in der Regel gemieden.

Die ErklĂ€rung fĂŒr dieses Verhalten habe ich bereits an anderer Stelle ausfĂŒhrlich beschrieben. In der KĂŒrze kann man sagen, daß der zweite "Berg" zustande kommt, weil ĂŒber das Poti eine weitere KapazitĂ€t parallel zum Tonabnehmer geschaltet wird, welche so die Resonanzfrequenz der gesamten Schaltung verringert. Die Lage dieser Frequenz wird also von CT beeinflußt. VerĂ€ndert man seinen Wert, so verschiebt sich auch der dazu gehörende "Berg".

HĂ€ufig hört man Klagen, daß die Tonblende eine schlechte Einstellbarkeit aufweist. Dahinter verbirgt sich die Frage, wie sich die verĂ€nderliche GrĂ¶ĂŸe in AbhĂ€ngigkeit des Drehwinkels verhĂ€lt. Dieses Verhalten kann durch die sogenannte LinearitĂ€t beschrieben werden. Es stellt sich dann nur die Frage, was die verĂ€nderliche GrĂ¶ĂŸe ist? Ich habe mich dafĂŒr entschieden, insgesamt drei GrĂ¶ĂŸen zu betrachten:
  1. Die Absenkung der Anfangsresonanzfrequenz (hier 3.542kHz),
  2. die AusprÀgung der tatsÀchlichen Resonanzfrequenz und
  3. die tatsÀchlichen Resonanzfrequenz.
Die Absenkung der Anfangsresonanzfrequenz wird durch die blaue Kurve dargestellt. Sie hat einen sehr schönen, fast geraden Verlauf. Wenn man bei einen graphischen Equalizer die Übertragung einer Frequenz verĂ€ndert, erwartet man genau ein solches gleichmĂ€ĂŸiges Verhalten.

Aus GrĂŒnden auf die ich hier nicht nĂ€her eingehen möchte verĂ€ndert sich mit dem Drehwinkel auch die Resonanzfrequenz. Die grĂŒne Linie zeigt dieses Verhalten. Sie ist zwischen 40% und 65% unterbrochen, da es in diesem Bereich tatsĂ€chlich keine Resonanz gibt und die Schaltung einfach nur als Tiefpaß mit variabler Grenzfrequenz arbeitet.

Die rote Linie zeigt die AusprÀgung der tatsÀchlichen Resonanzfrequenz. Auch sie ist unterbrochen.

Der Klangeindruck, der entsteht, wenn man an der Tonblende dreht, ist also das Ergebnis eines relativ komplizierten Vorganges. Hier ist sowohl eine Verringerung der Amplitude als auch eine EinschrĂ€nkung der "Bandbreite" durch das Tiefpaßverhalten beteiligt.

Zwischen 100% und 80% geschieht nicht wirklich etwas weltbewegendes. Man muß da schon sehr genau hinhören. Der dramatische Bereich beginnt bei 65%. Ab hier wird die Übertragung der hohen Frequenzen drastisch eingeschrĂ€nkt.

Ab 40% beginnt sich wieder eine Resonanz zu bilden, die den dumpfen Klangeindruck jedoch nicht mildern kann, sondern ihn durch die Betonung lediglich etwas charakteristischer macht.

WĂŒrde man ein lineares Pot verwenden, so verschiebt sich der Beginn des Tiepaßbereiches auf 20% und alle drei Kurven haben bis dahin einen sehr flachen Verlauf. Da passiert also wirklich nichts. Der Unterschied in der DĂ€mpfung betrĂ€gt gerade mal 4dB!

Fazit:

Im Gegensatz zu einem Equalizer beeinflußt die passive Tonblende mit der Amplitude und der Frequenz gleich mehrere Eigenschaften der Schaltung. Aus elektrischer Sicht ist dies Schaltung also nicht besonders glĂŒcklich. Ein Techniker möchte lieber Amplitude und Frequenz voneinander unabhĂ€ngig verĂ€ndern können. Das setzt jedoch ein vollkommen anderes Schaltungskonzept voraus.

FĂŒr die Tonblende sollte unbedingt ein Potentiometer mit logarithmischer Charakteristik verwendet werden.

2. Delta Tone: Die Tonblende mit NoLoad-Poti

Vor einigen Jahren hat Fender in einigen Instrumenten das sogenannte "NoLoad-Poti" eingefĂŒhrt. Es handelt sich dabei eigentlich nicht um ein Potentiometer, sondern um einen abschaltbaren verĂ€nderlichen Widerstand. Man kann sich leicht selber ein solches Poti machen, indem man die Widerstandsbahn an einem Ende unterbricht. Bewegt man den Schleifer dann ĂŒber diese Stelle hinweg, so wird der Widerstand dann effektiv unendlich groß.

Aufgrund dieser Eigenschaft kann das NoLoad-Poti nicht fĂŒr die LautstĂ€rkeeinstellung verwendet werden!

Wie sieht jetzt die Simulation aus? Hier ist sie:

Tone03.gif


Man erkennt, daß der blaue "Berg" im Amplitudengang jetzt mit 3.694kHz / 8.66dB deutlich grĂ¶ĂŸer ist. Diese Eigenschaft ergibt sich aus der Tatsache, daß nun das Poti "ausgeschaltet" ist und die gesamte Tonblende nicht mehr den Tonabnehmer belastet.

In der LinearitĂ€t erkennt man, daß ganz am rechten Rand die Kurven einen leichten Sprung haben. Hier ist also der Schaltvorgang in seiner Auswirkung zu erkennen.

DarĂŒber hinaus ist hier nichts neues zu bemerken.

Fazit:

Die Verwendung des NoLoad-Potis erzeugt in der 100%-Stellung gegenĂŒber der Standardschaltung eine um 4 bis 5 dB höhere Resonanzspitze.

3. Die "Revolution": Das TBX-Control

Vor ein paar Jahren begann Fender damit, einige Versionen der Stratocaster mit einer neuen Klangeinstellung auszurĂŒsten. Das sogenannte "TBX-Control" ersetzte dabei die herkömmliche Schaltung. Jetzt wurde ein spezielles Tandempoti mit einer Raste in der Mittelstellung verwendet und ein zusĂ€tzlicher Widerstand eingebaut.

Um die Funktionsweise der Schaltung verstehen zu können, muß man erst einmal wissen, wie dieses Poti aufgebaut ist. Hier ein Ausschnitt aus einem Schaltbild:

TBX-Control.gif


Es handelt sich um eine Kombination zweier spezieller Potis auf einer gemeinsamen Achse. Das Potentiometer PT ist in seiner Funktion mit dem NoLoad-Poti zu vergleichen. Allerdings schaltet es schon bei einem Drehwinkel von 50% ab. Dies wird erreicht, indem die HĂ€lfte der Schleiferbahn aus nichtleitendem Material besteht. FĂŒr Drehwinkel von 0% bis 50% verĂ€ndert sich der Wert des Widerstandes von 0 bis zum maximalen Wert. Dieses Teilpoti, daß wiederum nur ein einstellbarer Widerstand ist, ist mit einem Kennwert von 250kOhm oder 500kOhm erhĂ€ltlich. Es ĂŒbernimmt zusammen mit dem Kondensator CT die Aufgabe der klassischen Tonblende.

Das zweite Potentiometer ist ebenfalls mit einer geteilten Schleiferbahn versehen. Allerdings wird hier, statt der nichtleitenden Schicht, Metall verwendet. Das hat zur Folge, daß der Widerstand zwischen 0% und 50% maximal ist und erst ab 50% kontinuirlich auf 0 abnimmt. Dieses Poti hat grundsĂ€tzlich einen Kennwert von 1MOhm.

Kommen wir jetzt zur Funktion, die in zwei Schritten erklÀrt wird:

Bei einem Drehwinkel von 100% ist PT ausgeschaltet. Die Tonblende funktioniert nicht. PTb hat mit 1 MOhm seinen maximalen Wert und belastet den Tonabnehmer nur sehr gering. In der Folge wird die Spitze der Resonanz stÀrker ausgeprÀgt sein, als bei der normalen Tonblende in dieser Stellung der Fall ist.

Von 100% bis 50% wird PTb kontinuierlich kleiner. Damit steigt die ohmsche Belastung des Tonabnehmers und die Resonanzspitze wird bedÀmpft. Folge: Der "Berg" wird kleiner.

Von 50% bis 0% Ă€ndert PTb seinen Wert nicht mehr. Jetzt bleibt nur noch die konstante DĂ€mpfung durch RD ĂŒbrig. Gleichzeitig beginnt PT als normale Tonblende zu arbeiten, die in der Endstellung (PT=0) wieder eine Resonanz zur Folge haben wird.

Sehen wir uns jetzt einmal die gesamte Schaltung und das Ergebnis der Simulationen an:

Tone04.gif


Wie erwartet, liefert die Schaltung bei der Einstellung 100% eine grĂ¶ĂŸere Spitze (Blau). Sie betrĂ€gt in diesem Fall 3.668kHz bei 7.62dB und liegt damit zwischen der Standardschaltung und dem NoLoad-Poti.

Bei einem Drehwinkel von 0% ist wieder eine Resonanz vorhanden (GrĂŒn). Sie liegt bei 642Hz / 2.7dB. Verglichen mit der normalen Tonblende ist hier die AusprĂ€gung gut 2dB schlechter, was auf den dĂ€mpfenden Einfluß von RD zurĂŒckzufĂŒhren ist.

Der grundsÀtzliche Verlauf der AmplitudengÀnge ist absolut vergleichbar mit der Tonblende und dem NoLoad-Poti.

In der LinearitÀt erkennt man bei 50% einen deutlichen Sprung. Hier wird PT eingeschaltet und wirkt als zusÀtzliche Belastung des Tonabnehmers. Die LinearitÀt ist zumindest im Wirkungsbereich der Tonblende nicht so optimal.

Der Widerstand RD hat die Aufgabe dafĂŒr zu sorgen, daß beim einem Drehwinkel von 50% der schon weiter oben erwĂ€hnte Übergang zum reinen Tiefpaßverhalten erfolgt. Betrachtet man den roten Amplitudengang (50%), so ist festzustellen, daß diese Anforderung recht gut getroffen wurde.

Auch wenn hier kein grundsĂ€tzlich neues Verhalten vorliegt, hat Fender seinerzeit fĂŒr das TBX-Control recht heftig Werbung gemacht. In den Prospekten stand zu lesen, daß ausgehend von der Mittelstellung des TBX die Höhen oder die BĂ€sse betont werden können. Die AbkĂŒrzung TBX steht daher fĂŒr Treble Bass Expander.

Fazit:

Auch das TBX-Control bietet nichts wirklich Neues. Die mögliche klangliche Variation ist absolut mit der normalen Tonblende zu vergleichen. Lediglich durch das Abschalten von PT ergibt sich bei 100% Drehwinkel eine etwas grĂ¶ĂŸere Resonanzspitze, die als ein leichtes Plus an Höhen wahrgenommen wird.

Das eine mit dieser Schaltung ausgerĂŒstete Strat in der Mittelstellung des TBX angeblich wie eine normale Strat klingen soll, ist schlicht und ergreifend falsch, wie man durch den Vergleich des roten Amplitudenganges mit dem blauen Amplitudengang der Standardschaltung leicht feststellen kann.

4. Muß es unbeding NoLoad oder TBX sein?

Diese interessante Frage stellt man sich spĂ€testens, wenn man sich den Preis fĂŒr ein TBX-Poti ansieht. Auch die Sprunghaftigkeit von NoLoad und TBX-Control mag dem einen oder anderen nicht so recht gefallen. Gibt es Alternativen?

Nehmen wir also zunÀchst das NoLoad-Poti aufs Korn:

Wir gehen einfach einmal davon aus, daß die Kennwerte von Volume- und Tone-Poti auf 500kOhm erhöht werden. Dann erhalten wir eine Anfangsresonanz von 3.693kHz / 8.66dB und können "Hurra!" schreien, denn das sind genau die gleichen Werte wie beim NoLoad-Poti!

Sehen wir uns nun den Endwert der Resonanz bei Tone=0 an: Er liegt bei 648Hz / 4.64 dB und weicht damit nur minimal von den Werten des NoLoad-Potis ab. Also noch einmal: "Hurra!"

Jetzt bleibt nur noch offen, wie es sich mit der LinearitÀt verhÀlt?

GlĂŒcklicherweise lĂ€ĂŸt sich hier ein absolut vergleichbares Verhalten feststellen. Lediglich der Beginn der Tiefpaßwirkung hat es etwas verschoben. Er liegt jetzt bei 60% statt 64%. Das wird sich im praktischen Betrieb aber kaum störend bemerkbar machen.

NatĂŒrlich besteht auch die Möglichkeit, das Tone-Poti in seinem Wert zu belassen und stattdessen das Volume auf 1MOhm zu erhöhen. Diese Variante ist jedoch ein wenig schlecht, da die Resonanz nur 7.5dB erreicht (naja) und die LinearitĂ€t am Ende des Tone (0-25%) sehr schlecht ist. In dieser Variante arbeitet die Tonblende nur zwischen 15% und 100% kontinuierlich. FĂŒr die umgekehrte Kombination (Tone=1MOhm, Volume=250kOhm) gelten insgesamt Ă€hnliche VerhĂ€ltnisse.

Sehen wir uns nun einen Ersatz fĂŒr das TBX-Control an:

Man nehme Tone=500kOhm und einen zusĂ€tzlichen Widerstand RT=2kOhm (ah, jetzt kommt der große Unbekannte aus den Schaltbildern endlich ins Spiel!) und erhĂ€lt dann mit Tone=100% eine Resonanz von 3.630kHz / 6.56dB, was nur knapp 1 dB weniger ist, als beim TBX-Control. In der Endstellung erhĂ€lt man 593Hz / 2.48dB. Die LinearitĂ€t ist ĂŒber alles gesehen besser als beim TBX-Control.

Der Widerstand RT ist her sozusagen eine Bremse, welcher die AusprÀgung der Resonanz am Ende verringert. Nimmt man hier sogar 20kOhm, so reicht der Einstellbereich nur noch bis zur ehemaligen 50%-Kurve. Jetzt arbeitet die Schaltung tatsÀchlich als reine DÀmpfung der Resonanzspitze. Der "Berg" wird also nur kleiner gemacht und verschiebt sich nicht mehr.

Kombiniert man diese Variante der Tonblende mit einem Drehschalter und mehreren Lastkondensatoren, so erhĂ€lt man eine sehr flexible Klangeinstellung, gegen die TBX und Co. richtig blaß aussehen! ;)

Wie so etwas fĂŒr eine Strat aussehen kann, ist in Guitar-Letter II nachzulesen.

Schlußwort

DeltaTone, NoLoad und TBX-Control sind schöne Schlagworte aus der Marketingabteilung, die nur dazu dienen sollen, ein schon bekanntes Verhalten unter einem neuen Namen teuer zu verkaufen! Etwas wirklich Neues hat Fender der Welt mit diesen Produkten leider nicht geschenkt, denn alle Schaltungen machen genau dasselbe!

Wer also eine etwas krÀftigere Spitze haben möchte, der ersetze beide Potis durch 500kOhm. Ob man die einrastende aber klanglich flache Mittelstellung des TBX-Control wirklich benötigt, ist kaum anzunehmen.

Da dieser Bereich grundsÀtzlich auch von der normalen Tonblende durchlaufen wird, ist diese klassische Schaltung nach wie vor ausreichend.

Ulf
 
Ich habe ein von Tom Wheeler gefĂŒhrtes Interview vom 06.04.2004 gefunden, in dem auch das TBX-Control erwĂ€hnt wird:

Dan Smith (Fender)":3qczvnkp schrieb:
“’TBX’ stood for ‘Treble Bass Xpander,’ one of those marketing names. It was a stacked control — two pots with one knob on top. One was a standard 250k pot; Leo had picked the 250’s in the first place because they sound nice. Underneath that was a pot with a circuit on it. At the midpoint — the 5 setting — it was equivalent to a normal control set all the way up, on 10. When you rolled the TBX back toward zero it worked just like a regular tone control except with a short range. When you went back up to 10, it was the equivalent of removing the control altogether from the circuit, and it let a lot more high end through.”
Die Aussage "At the midpoint — the 5 setting — it was equivalent to a normal control set all the way up, on 10." steht im krassen Gegensatz zu den Ergebnissen der Simulation! Sie wĂ€re grundsĂ€tzlich richtig, wenn der Widerstand RD nicht vorhanden, also unendlich groß wĂ€re. In diesem Fall ist die reine DĂ€mpfung von 100% bis 50% jedoch nicht vorhanden. Selbst wenn man den Widerstand nur auf 500kOhm vergrĂ¶ĂŸert, ist die DĂ€mpfung so gering, daß ein signifikanter Effekt wohl kaum wahrzunehmen ist. Die Wirksamkeit des TBX-Control wĂŒrde sich dann auf den Bereich von 0% bis 50% beschrĂ€nken, was wohl kein Gitarrist wirklich als Vorteil empfinden wĂŒrde.

Es stellt sich jetzt die Frage, wie diese Diskrepanz zu erklÀren ist? Zwei Möglichkeiten kann man sich vorstellen:
  1. Die im Internet verfĂŒgbare Schaltung ist generell falsch. Dann ist natĂŒrlich auch meine darauf basierende Simulation falsch!
  2. Die Entwickler bei Fender habe nicht gerechnet, sondern lediglich ausprobiert. Bei der KomplexitĂ€t der gesamten Schaltung kann man sich da bezĂŒglich der Wirkungsweise leicht irren.
In diesem Zusammenhang ist eine weitere Aussage aus dem Forum Telecaster.com von Bedeutung:

Kevin":3qczvnkp schrieb:
The 1Meg portion of the pot simply lets more highs through. Unfortunately -- to my ears, at least -- the TBX is pretty muddy from 1 to 5 and doesn't really sound like a full 250K pot.
Und genau das, zeigt auch die Simulation.

Die durch die Aussagen von Fender erzeugten Erwartungshaltung, in der Position "5" den normalen Sound einer Strat zu haben, konnte vom TBX-Control einfach nicht erfĂŒllt werden. Entsprechende Berichte von Besitzern solcher Instrumente sind in mehrfacher Ausfertigung im Internet zu finden.

Fender muß das Problem wohl auch erkannt haben, denn im Laufe des Jahres 1997 wurde das teure TBX-Control durch das wesentlich billigere "Delta Tone System" ersetzt.

Aus technischer Sicht muß man also ganz klar sagen, daß man das TBX-Control am besten da lĂ€ĂŸt, wo es jetzt ist: Im MĂŒlleimer der Geschichte der Gitarrenelektronik!

Bedenklich finde ich allerdings, daß ein Hersteller hier eine "Bastellösung" seinen Kunden prĂ€sentierte und auch noch nachweislich falsche Aussagen zur Funktion machte. Stellt man sich einmal vor, daß so eine Vorgehensweise bei weiteren Produkten und Herstellern ebenfalls zu Anwendung kam, so muß man zumindest die Stirn runzeln!

Jetzt gibt es sicherlich den einen oder anderen Besitzer eine Gitarre mit TBX-Control, der ziemlich verunsichert ist. "Muß ich das Ding jetzt austauschen?", könnte da die Frage lauten.

Dazu meine Antwort: "Nein!" Wie ich dargelegt habe, ist die Wirkungsweise von Tonblende, Delta-Tone und TBX-Control gleich. Es besteht also kein unmittelbarer Grund etwas auszutauschen. Wer seinerzeit jedoch ein TBX-Control erworben hat, der hat fĂŒr die gleiche Funktion eben ein wenig mehr bezahlt.

Wer heute jedoch mit dem Gedanken spielt, sich ein solches Poti zu kaufen, der sollte davon Abstand nehmen, denn es gibt deutlich billigere Lösungen.

Ulf
 
Die Funktion des Greasebucketℱ Tone Circuit"

Vor kurzem hat Fender der Gitarristengemeinde eine neue Klangeinstellung geschenkt. Was es damit auf sich hat, möchte ich im folgenden beleuchten:

Greasebucket - Der "Fetteimer"

Im Jahre 2005 fĂŒhrte Fender eine neue Tonblende in einigen Gitarren ein, das sogenannte "Greasebucketℱ Tone Circuit". Es wurde zunĂ€chst in den Modellen der "Highway One"-Serie und einigen Custom Shop Modellen der Stratocaster eingesetzt. Hier wurde die herkömmliche Tonblende, die aus einem Potentiometer und einem Folienkondensator besteht, durch einen Metallfilmwiderstand RT und zwei keramische Scheibenkondensatoren CT1 und CT2 ersetzt. Fender schrieb bezĂŒglich der Wirkungsweise:
The effect is that when rolled down, the tone pot reduces the high frequencies, but does not add bass.
Nach den bisher gemachten Erfahrungen mit dem "TBX-Control" ist man da natĂŒrlich ein wenig vorsichtig. Schauen wir mal, was von dieser Aussage am Ende ĂŒbrig bleiben wird. Hier die Werte fĂŒr die gesamte Schaltung:

Ls=2.2H, Cs=110pF, Rs=5.7kW, PT=250kW, CT1=22nF, CT2=100nF, RT=4,7kW, PV=250kW, CK=700pF, Rin=1MW, Cin=0pF

Sehen wir uns nun einmal die Schaltung selber an:

p10.gif

Bild 11: Guitar circuit with Greasebucketℱ Tone Circuit

Hier kommt jetzt erstmalig auch der (bisher) mysteriöse Widerstand RT ins Spiel. Der obere Teil des Ton-Poti wird durch den Kondensator CT2 ĂŒberbrĂŒckt. Bei 100% Tone ist er wirkungslos. Bei 0% Tone bleibt der Widerstand RT in Reihe zum Kondensator CT1. Die entstehende Resonanz wird also etwas gedĂ€mpft. Insgesamt sollten sich dann also vergleichbare VerhĂ€ltnisse wie bei der "normalen" Tonblende ergeben. Sehen wir uns dazu wieder die Simulationen an:

p11.gif

Bild 12: "Greasebucketℱ Tone Circuit" Amplitude-frequency characteristic

Der blaue "Berg", der bei 100% Tone entsteht, liegt jetzt bei 3.545kHz / 4,96dB ziemlich genau im Bereich der Standard-Tonblende. Unsere Vermutung war also grundsÀtzlich richtig!

Bei einem Drehwinkel von 0% ist CT1 quasi in Reihe mit CT2 geschaltet. Jetzt ist das Poti, welches nun parallel zu CT2 liegt, hochohmig und kann fĂŒr eine ĂŒberschlĂ€gige Betrachtung als Unterbrechung betrachtet werden. Damit hat die resultierende KapazitĂ€t einen Wert von 18nF. Man kann dann eine Resonanz erwarten, die in etwa bei 725 Hz liegt.

TatsĂ€chlich ist die entstehende Resonanz mit 603Hz / 1,57dB ziemlich schwach ausgeprĂ€gt, was eindeutig auf die dĂ€mpfende Wirkung von RT zurĂŒckzufĂŒhren ist. Im Vergleich zur Standard-Tonblende ist also lediglich die DĂ€mpfung um gut 3 dB stĂ€rker.

p12.gif

Bild 13: "Greasebucketℱ Tone Circuit" Linearity vs "Tone" angle

Die LinearitĂ€t des "Greasebucketℱ Tone Circuit" kann sehr gut mit den Eigenschaften der Standard-Tonblende verglichen werden. Die der Anfangsresonanz (blau) ist sogar noch etwas besser, was eindeutig dem "Wirken" von RT zuzuschreiben ist. Dieser verringert auch die LinearitĂ€t der tatsĂ€chlichen Resonanz (rot). Sie ist etwas besser und im unteren Bereich ist die Steigung deutlich geringer.

Fazit:

Im Vergleich zum "TBX-Control" stimmen die Fenders Aussagen zur Wirkung beim "Greasebucketℱ Tone Circuit" einigermaßen. Wenn man die "Arbeitsresonanz" als "Höhen" bezeichnen möchte, dann senkt das "Greasebucket" diese tatsĂ€chlich ab, wie alle anderen Tonblenden ĂŒbrigens auch. Den Frequenzbereich um 650Hz als "BĂ€sse" zu bezeichnen, mag manch einem etwas gewagt erscheinen, aber wenn man es bei Fender so sieht, dann nimmt das "Greasebucket" hier keine große Anhebung vor, wenn die Tonblende "zu" ist. Damit erfĂŒllt die Schaltung also das, was in der Beschreibung zu lesen ist.

Wer erwartet hat, daß Fender mit dem "Greasebucketℱ Tone Circuit" etwas neues gebracht hat, der wird allerdings wieder entĂ€uscht, denn am grundsĂ€tzlichen Verhalten einer Tonblende Ă€ndert auch dieser Variante, trotz des schönen Namens, nichts! Was der Name "Fetteimer" mit einer Tonblende zu tun haben soll, wird vermutlich auf immer Fenders Geheimnis bleiben!

Jetzt noch einmal eine kleine Aktualisierung:

Muß es unbedingt TBX, Delta Tone oder Greasebucket sein?

Diese interessante Frage stellt man sich spĂ€testens, wenn man sich den Preis fĂŒr ein TBX-Poti ansieht. Auch die Sprunghaftigkeit von NoLoad und "TBX-Control" mag dem einen oder anderen nicht so recht gefallen. Gibt es Alternativen? Die Antwort lautet eindeutig: "Ja!" Und ein altes Sprichwort sagt: "Warum in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so nah?"

Getreu diesem Motto nehmen wir einfach die "normale" Tonblende und "spielen" ein wenig mit den Werten der einzelnen Bauelemente.

HBMode_01.gif

Bild 14: Standard Tone (Standard Wiring)

Folgende Werte wurden in den Simulationen nicht verÀndert:

Ls=2.2H, Cs=110pF, Rs=5.7kW, CK=700pF, Rin=1MW, Cin=0pF

Die Ergebnisse wurden in der folgenden Tabelle zusammengefaßt. Man findet in Klammern die Werte der betreffenden Variante, die es nachzubilden gilt.

2nrd093.gif

Tabelle 2: Die "klassische" Tonblende im neuen Gewand

Man erkennt, daß sich das gewĂŒnschte Verhalten der einzelnen Variation auch immer mit der "klassischen" Variante erreichen lĂ€ĂŸt. Aus dieser Tatsache lĂ€ĂŸt sich jedoch nicht der Schluß ableiten, daß die anderen Varianten grundsĂ€tzlich schlecht wĂ€ren! Ob eine Tonblende gut oder schlecht arbeitet, muß vielmehr immer im Kontext mit dem Instrument, seiner elektronischen Schaltung und den verwendeten Tonabnehmern betrachtet werden. Es kommt also immer darauf an, was man erreichen möchte.

Ist es das Ziel ein Instrument zu schaffen, welches sehr gut im verzerrten Betrieb arbeitet, dann ist eine zu große Resonanzspitze meistens kontraproduktiv. Aus diesem Grund wird man dann eher zu einem hochohmigeren Tonabnehmer mit grĂ¶ĂŸerer InduktivitĂ€t greifen. Vergleichbares lĂ€ĂŸt sich auch durch einen parallelen Lastkondensator erreichen. Informationen dazu sind in Guitar-Letter II zu finden.

Im verzerrten Betrieb sind zu starke Tiefmitten (200 - 700Hz) auch nicht brauchbar, denn sie fĂŒhren hĂ€ufig zum sogenannten "Matschen" Möchte man dann der Tonblende einen sinnvollen Einstellbereich geben, ist es unter UmstĂ€nden sinnvoll die Resonanzspitze bei 0% Tone zu dĂ€mpfen, wie es zum Beispiel beim "Greasebucketℱ Tone Circuit" durch den Widerstand gemacht wurde.

Schlußwort

"TBX-Control", "DeltaTone" und "Greasebucketℱ Tone Circuit" sind allesamt schöne Schlagworte aus der Marketingabteilung, die nur dazu dienen sollen, ein schon bekanntes Verhalten unter einem neuen Namen teuer zu verkaufen! Etwas wirklich Neues hat der betreffende Hersteller der Welt mit diesen Produkten leider nicht geschenkt, denn alle Schaltungen machen genau dasselbe!

Wenn man sich die Ergebnisse aus Tabelle 2 einmal genauer ansieht, so muß man sich wirklich fragen, warum Fender mit diesen drei (anscheinend sinnlosen) Varianten auf den Markt gekommen ist? Wenn es nur darum ging, den Umsatz durch die Erfindung ein paar neuer Begrifflichkeiten anzukurbeln, so ist das in gewisser Weise normal. Ein vergleichbares Verhalten findet man durchaus auch bei anderen Herstellern. Daß dabei die Tatsachen manchmal ein wenig auf der Strecke bleibe, gehört (leider) hĂ€ufig zum guten Ton.

Interessanterweise steht bei Fender hinter jedem neuen Begriff tatsĂ€chlich eine technische VerĂ€nderung, die in ihrer Wirkung freilich nichts neues darstellte. Unterstellt man, daß hinter jeder technischen Änderung tatsĂ€chlich die Motivation stand, Dinge zu verbessern (vergrĂ¶ĂŸerte Spitze bei 100% Tone, verringert Spitze bei 0% Tone), so muß man sich jetzt fragen, warum man das nicht einfach mit der "klassischen" Schaltung gemacht hat?

Ich persönlich wĂŒrde behaupten, daß man an dem Beispiel der verschiedenen Tonblenden von Fender ganz deutlich den Unterschied zwischen "Bastelei" und gezielter Entwicklung sehen kann, denn wenn man die Schaltung einmal berechnet hĂ€tte, wie ich es getan habe, so mĂŒĂŸte man zwingend auch zu dem gleichen Schluß gekommen sein. Und der lautet:

Die klassische Schaltung der Tonblende nach Bild 14 ist nach wie vor vollkommen ausreichend, bietet eine ausreichende FlexibilitĂ€t und stellt auch die mit Abstand kostengĂŒnstigste Lösung dar!

Der vollstÀndige Artikel ist in seiner aktualisierten Version in der Knowledge-Base der Guitar-Letter zu finden.


Ulf
 
Über den "Klang" verschiedener Kondensatoren kann man die tollsten Sachen lesen und bei YouTube auch "hören". Der Onkel ist da mal etwas analytisch an die Sache rangegangen:

Dieser Beitrag ist Bestandteil des Artikels "Die Klangeinstellung in der Elektrogitarre". Einige Tabellen wurden als Grafiken ĂŒber einen externen Hoster eingebunden. Sollten sie nicht mehr verfĂŒgbar sein, hilft nur ein direkter Besuch bei den Guitar-Letters.

8. Die Wahl des "richtigen" Tonkondensators

Die Auswahl eines geeigenten Kondensators fĂŒr die Tonblende scheint Ă€hnlichen Mysterien zu unterliegen, wie die Frage nach dem Tonabnehmer mit dem "richtigen" Sound. "Bumble Bee", "Tropical Fish" und "Orange Drop" sind nur einige Begriffe, die in diesem Zusammenhang immer wieder fallen. In den dazugehörenden Diskussionen werden den verschiedenen Kondensatortypen durchaus unterschiedliche klangliche Eigenschaften zugeordnet. Interessanterweise kommen die - elektrotechnisch meist ungebildeten - Diskutanten hĂ€ufig zu ganz verschiedenen Ergebnissen. Zieht man dann noch in Betracht, daß die elementarsten Eigenschaften eines Kondensators, nĂ€mlich seine KapazitĂ€t und deren Toleranz, in der Regel in den Diskussionen keine Rolle spielen, so muß man aus technischer Sicht zu dem Schluß kommen, daß die entsprechenden Ergebnisse durch die Bank weg haltlos sind. Das hĂ€ufig gebrachte Argument "Aber ich höre es doch!" Ă€ndert an diesem Sachstand wenig, bietet den betreffenden Zeitgenossen aber immerhin die Möglichkeit, sich auf eine quasi uneinehmbare Position zurĂŒckzuziehen!

Wenn wir ĂŒber den Einsatz von Kondensatoren reden, dann muß man zunĂ€chst zwei Dinge unterscheiden:

  1. Kondensatoren gleicher KapazitÀt aber unterschiedlicher Technologie und
  2. Kondensatoren aus der gleichen Technologie mit unterschiedlichem KapazitÀten.
Wie auch immer man es beginnt, eine Mischung dieser beiden Punkte sollte man unbedingt vermeiden!

Im Laufe der Entwicklung sind eine ganze Reihe verschiedener Kondensatortypen entstanden, die sich im Wesentlichen durch das verwendete Dielektrikum unterscheiden. Um es gleich vorweg zu sagen: Den idealen Kondensator gibt es leider immer noch nicht! Je nach Wahl und Anwendungsfall muß man mit mehr oder weniger starken parasitĂ€ren Effekten rechnen. Zu diesem Thema gibt es reichlich Literatur. Ich möchte auf diese Problematik hier also nicht weiter eingehen.

Folgt man der reinen Lehre, wie sie fĂŒr die Verarbeitung von Audio-Signalen und mehr noch in der Meßtechnik gilt, dann sind Kondensatoren mit elektrolytischem oder keramischem Dielektrikum geradezu verboten. Insbesondere keramische Kondensatoren weisen eine ganze Reihe von nichtlinearen Effekten auf, die sich durchaus klangbeeinflussend bemerkbar machen können. Ähnliches gilt fĂŒr die sogenannten Elkos, die nur geoplt betrieben werden dĂŒrfen. Aus diesem Grund werden in den Signalwegen hochwertiger Audioschaltungen nur gute Folienkondensatoren verwendet. Aber auch hier gibt es solche und solche. Ein wichtiges Kritierium ist hier die sogenannte "Dielektrische Absorption". Helmuth Lemme schreibt dazu auf seiner Webseite im Artikel "Kondensatoren als Störenfriede":

Die Dielektrische Absorption verhindert bei Beaufschlagung mit Wechselspannung eine vollstÀndige Volladung und Entladung. Wenn sich das Signal umpolt, dann erzeugt sie einen verzögerten Strom mit der vorhergehenden PolaritÀt; es ergibt sich ein Hystereseeffekt, der mit zunehmender Frequenz stÀrker wird. Die klangliche Wirkung bei einem HiFi-VerstÀrker ist ein Verlust an Detailtreue; die Wiedergabe wirkt unprÀzise, komprimiert, der Dynamikbereich verringert sich, der Rauschuntergrund steigt an.

Kondensatoren mit einem Dielektrikum aus Polypropylen weisen diesbezĂŒglich die besten Werte auf. Sie liegen, laut Wikipedia, zwischen 0,01 bis 0,05%. Der deutsche Hersteller Wima gibt hier einen Bereich von 0,05 bis 0,10% an. Zum Vergleich: Aluminium-Elkos weisen Werte bis zu 15% auf!

8.1 Was "hört" man denn (nicht)?

Bevor man daran geht, mit einer Kiste Kondensatoren in der Hand, ein Hörexperiment zu machen, sollte man die Frage stellen, ob es denn ĂŒberhaupt etwas zu hören gibt? Zu diesem Zweck schaltet man am besten das Gehör aus und den Rechner an. Mit ihm kann man nĂ€mlich auch ganz gute Experimente machen!

ZunÀchst geht es darum, die Wirkung verschiedener KapazitÀten in der Tonblende im Hinblick auf die Resonanzfrequenz und ihre AusprÀgung zu beurteilen. Zu diesem Zweck wurde von den schon bekannten Werten ausgegangen:

Ls=2.2H, Cs=110pF, Rs=5.7kOhm, PT=250kOhm, RT=0Ohm, PV=250kOhm, CK=700pF, Rin=1MOhm, Cin=0pF

FĂŒr den Kondensator CT wurden jetzt 15 verschiedene Werte eingesetzt und anschließend die Resonanzfrequenz und die Spitze errechnet. Dabei wurde die Tonblende einmal ganz auf (100%) und dann ganz zu (0%) gemacht.

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Tabelle 3: Tonblende mit verschiedenen KapazitÀten

Diskutieren wir zunÀchst das Ergebnis bei 100% Tonblende. Dazu sehen wir uns die Ergebnisse auch in graphischer Form an:

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Bild 19: Resonanzen der "offenen" Tonblende bei verschiedenen KapazitÀten

Generell kann man sagen, daß die Resonanzfrequenz proportional mit der KapazitĂ€t ansteigt und die Resonanzspitze dafĂŒr kleiner wird. So bemerkenswert ist das jedoch nicht, denn fĂŒr die Resonanzfrequenzen lassen sich ein Mittelwert von 3,529kHz und eine Streuung von nur 20Hz bestimmen. Man kann also durchaus sagen, daß sich hier eigentlich nichts verĂ€ndert. Die relative Änderung betrĂ€gt maximal 0,6%. Auch bei der Spitze der Resonanz liegt eine Ă€ußerst geringe Streuung von 0,05dB vor. Jetzt stellt sich die Frage, ob man diese geringen Unterschiede ĂŒberhaupt hören kann?

Zur Beantwortung dieser Frage nutzen wir die logarithmische Maßeinheit "Cent" fĂŒr musikalische Intervalle. In Wikipedia war dazu am 11.03.2010 folgendes zu lesen:

... daß der kleinste erkennbare Frequenzunterschied fĂŒr Sinustöne beim Menschen bei Frequenzen ab 1000 Hz bei etwa drei bis sechs Cent liegt. Geringere Intervallunterschiede werden beim Nacheinander-Erklingen der Töne nicht mehr erkannt.
Bei tiefen Sinustönen mit geringer LautstĂ€rke steigt hingegen die Unterscheidungsschwelle auf ĂŒber 100 Cent, also einem Halbton.

Wendet man diese Schwelle auf unsere Ergebnisse an, so ist festzustellen, daß 10 von 14 Unterschiede nicht mehr wahrzunehmen sind!

Aber auch hier ist Vorsicht angebracht, denn diese Wahrnehmungsschwelle basiert darauf, daß zwei Frequenzen in einem bestimmten VerhĂ€ltnis real als Schallereignis existieren. Bei der Tonblende geht es jedoch um eine Filterwirkung, mit der ein Schallereignis bewertet wird. Beinhaltet das Signal im fraglichen Frequenzbereich keine spektralen Anteile, so wird man die Betonung selbstverstĂ€ndlich nicht wahrnehmen, denn wo nichts ist...

Zu Ă€hnlichen SchlĂŒssen gelangt man, wenn man sich die Änderung der Resonanzspitze ansieht: Von 1nF nach 1,5nF betrĂ€gt sie 0,97%. Aber schon ab 5,6nF sind wir mit 0,05% bei deutlich geringeren VerhĂ€ltnissen.

Aus den vorliegenden Ergebnissen kann man dann nur zu einem Schluß kommen:

Mit einer "offenen" Tonblende (100%) lassen sich die klanglichen Auswirkungen unterschiedlicher KapazitĂ€ten fĂŒr den Tonkondensator nicht mehr wahrnehmen!

Kommen wir nun zum Fall der "geschlossenen" Tonblende. Hier sind nun deutliche Unterschiede festzustellen, wie das folgende Bild zeigt!

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Bild 20: Resonanzen der "geschlossenen" Tonblende bei verschiedenen KapazitÀten

Die ErklÀrung dieses Verhaltens wurde bereits in Kapitel 1 des Artikels gegeben. Hier bleibt also nur folgendes festzustellen:

Mit einer "geschlossenen" Tonblende (0%) ĂŒben unterschiedlicher KapazitĂ€ten fĂŒr den Tonkondensator starken Einfluß auf den Klang aus!

Damit ist nachgewiesen, daß man den Einfluß des Tonkondensators nicht bei "offener", sondern im bestem Fall bei "geschlossener" Tonblende beurteilen kann.

Kommen wir nun zu "dem" Klassiker schlechthin: Man kauft sich verschiedene Kondensatoren mit gleicher NennkapazitĂ€t und vergleicht ihren klanglichen Einfluß miteinander.

Wie schon im vorhergehenden Experiment vernachlĂ€ssigen wir wieder irgendwelche nichtlinearen Effekte, die auf Konstruktion oder Materialauswahl der verschiedenen Kondensatoren beruhen. "Unsere" Kondensatoren unterscheiden sich lediglich durch ihre KapazitĂ€t, denn die tatsĂ€chliche KapazitĂ€t eines Kondensators kann um bis zu 20% von seinem Nennwert abweichen! Wir gehen von einer NennkapazitĂ€t von 22nF aus und berechnen wieder Resonanzfrequenz, GĂŒte und die Abweichung fĂŒr die beiden FĂ€lle Tone=100% und Tone=0%:

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Tabelle 4: Tonblende mit "gleichen" KapazitÀten

Wie zu erwarten war, sind Unterschiede wieder nur bei "geschlossener" Tonblende wahrzunehmen! Aufgrund der deutlich geringeren Variation der KapazitÀt sind die Unterschiede generell sogar deutlich geringer als in Tabelle 3. Betrachten wir die beiden ExtremfÀlle 17,6nF und 26,4nF, dann wird man diesen Unterschied sicherlich als Nuance wahrnehmen!

Wer also Kondensatoren gleicher NennkapazitĂ€t von verschiedenen Herstellern und mit unterschiedlichen Dielektrika miteinander vergleicht, der wird in aller Regel denn Effekt der Streuungen wahrnehmen. Ich habe in solchen Diskussionen noch nie gelesen, daß die betreffenden "Fachleute" tatsĂ€chlich die KapazitĂ€ten bestimmt und zum Vergleich nur Bauelemente mit der gleichen KapazitĂ€t verwendet haben! Macht man das nicht, so ist ein solcher Vergleich einfach nur unseriös und fĂŒhrt prompt zu falschen Schlußfolgerungen! So ein Vorgehen wird nur noch von einem Vergleich unterschiedlicher Dielektrika mit verschiedenen NennkapazitĂ€ten ĂŒbertroffen. Die Sache mit den Äpfeln und Birnen ist dagegen harmlos! Wer die entsprechenden HöreindrĂŒcke dann mit den unterschiedlichen Dielektrika in Verbindung bringt, legt damit nur eindeutig seine fachliche Unwissenheit dar!

8.2 Nichtlineare Effekte

ZunĂ€chst ja, es gibt nichtlineare Effekte bei Kondensatoren. Je nach Bauformn und Dielektrikum sogar unterschiedliche. Sie verursachen letztendlich nichts anderes als Klirrfaktor. Ob wir das Ergebniss dann als wohlklingend oder als GerĂ€usch empfinden, hĂ€ngt immer vom Einzelfall ab. Klirrfaktor selber ist fĂŒr den Gitarristen ja nichts Schlechtes, sonst wĂŒrden sich Overdrive, Fuzz & Co. ja nicht seit Jahrzehnten so großer Beliebtheit erfreuen. Die Frage ist nur, ob sich der nichtlineare Effekt eines Kondensators in der Tonblende ĂŒberhaupt hörbar auswirken kann?

Eine Möglichkeit, einen nichtlinearen Effekt beim Kondensator zu modellieren besteht darin, einen spannungsabhÀngigen Widerstand parallel zu einem idealen Kondensator zu schalten. Man erzeugt dadurch quasi einen Kondensator mit einem spannungsabhÀngigen Leckstrom. Jetzt schauen wir mal, unter welchen Bedingungen so ein Verhalten negativ auffÀllt:

Bei einer Frequenz von 1kHz und einer KapazitĂ€t von 22nF betrĂ€gt der Blindwiderstand des Kondensators 7,2kOhm. Wir nehmen eine VerĂ€nderung von 1% an. Dann wĂ€re der Widerstand der Parallelschaltung aus idealem Kondensator und spannungsabhĂ€ngigem Widerstand 7,16kOhm. Das fĂŒhrt dann zu einem Widerstand von 716kOhm. Lassen wir 2% zu, dann kann der gesamte Widerstand um +/- 1% schwanken. Der spannungsabhĂ€ngige Widerstand wĂŒrde dann zwischen 350kOhm und 716kOhm schwanken. Der Mittelwert wĂ€re dann 535kOhm. Bei einer Frequenz von 10kHz sinkt dieser Wert sogar auf 53kOhm! Ein solcher Kondensator wĂ€re, aufgrund dieser Verluste, schlicht und ergreifend unbrauchbar! GĂ€ngige Kondensatoren haben hier Werte im Bereich von mehreren Megaohm. Ein solcher spannungsabhĂ€ngiger Widerstand wird sich also nicht "störend" bemerkbar machen. Erst recht nicht, da der Kennwiderstand des Potis mit 250kOhm oder gar 500kOhm schon um den Faktor 30 bis 60 grĂ¶ĂŸer ist, als der Blindwiderstand des Kondensators.

Einige keramische Kondensatoren zeigen einen spannungsabhĂ€ngigen, nichtlinearen Verlauf der KapazitĂ€t. Ursache ist eine spannungsabhĂ€ngige DielektrizitĂ€tszahl. In der Folge kann die KapazitĂ€t bei Nennspannung gegenĂŒber einer PrĂŒfspannung von 1V um bis zu 90% absinken! Unterstellt man exponentielle VerhĂ€ltnisse, dann kann die KapazitĂ€t im Bereich bis zu 2,5V durchaus um bis zu 10% absinken. So hohe Spannungen liegen am Tonkondensator aber nie an, denn er bildet ja mit dem Poti einen Spannungsteiler. Bei 1kHz und 250kOhm betrĂ€gt der Teilungsfaktor dann 0,028. Von maximal 2,5V bleiben dann nur noch 70mV ĂŒbrig. Dazu gehört dann eine KapazitĂ€tsabweichung von rund 0,26%. Ob man diesen Effekt wirklich wahrnimmt ist fraglich, insbesondere da die mittlere Signalspannung einer Elektrogitarre deutlich geringer ist als 2,5V.

Anders sieht es aus, wenn die Tonblende "zu" ist. Dann können die 10% Abweichung durchaus hörbar werden, wie schon in Tabelle 4 dargelegt wurde. Da die Signalspannung im Mittel aber deutlich kleiner ist, kann man eher mit einer prozentualen Abweichung von 1% rechnen. Wenn dieser Effekt also wahrzunehmen ist, dann höchstens als Nuance bei sehr dynamischem Spiel!

Trotz ihrer schlechten Eigenschaften findet man keramische Kondensatoren auch in hochwertigen Audioschaltungen als Ablockkondensatoren. Aus Wechselspannungssicht liegen sie dann parallel zur Signalquelle. Da die Quellen aber in der Regel recht starke Spannungsquellen mit kleinem Innenwiderstand sind, wird die eingeprÀgte Spannung durch den Kondensator nicht nennenswert verfÀlscht. Das schÀndliche Treiben dieser Kondensatoren fÀllt also nicht auf! Problematisch wird es nur, wenn Kondensatoren mit starken nichtlinearen Eigenschaften im direkten Signalweg (in Spannungsteilern und Filtern) eingesetzt werden. Hier können sie sich im wahrsten Sinne hörbar bemerkbar machen und sind aus diesem Grunde dort verpönt!

8.3 Schlußfolgerungen

Unterschiede bei verschiedenen Kondensatoren in der Tonblende? Ja, man kann Unterschiede wahrnehmen! Aber wie gezeigt wurde, sind hier weniger die nichtlinearen Eigenschaften der unterschiedlichen Bauformen die Ursache, sondern die streuende KapazitÀt.

Der hĂ€ufig zu findende Aussage, daß nur der Kondensator von diesem oder jenen Hersteller den originalen XY-Sound garantiert, sollte man daher sehr vorsichtig begegnen. Insbesondere, wenn es sich um einen HĂ€ndler handelt, der sich das gute StĂŒck teuer bezahlen lĂ€ĂŸt. VernĂŒnftige Folienkondensatoren sind Cent-Artikel. In AusnahmefĂ€llen kann der Preis schon mal in den Bereich eines Euros klettern, aber dann sollte wirklich Schluß sein! Alles andere ist pure Abzocke!

Ulf
 
VernĂŒnftige Folienkondensatoren sind Cent-Artikel. In AusnahmefĂ€llen kann der Preis schon mal in den Bereich eines Euros klettern, aber dann sollte wirklich Schluß sein! Alles andere ist pure Abzocke!

Hallo Wulf,
ja, genau, recht hatter ...toll gemacht, wie immer :!:

Zwei Anmerkungen von meiner Seite: so wie ich sind viele Gitarristen, die aktiv mit den Tone-Potis arbeiten gerade auf der BĂŒhne immer wieder genervt, wenn beim schnellen Herunterdrehen am Anschlag (=%) der Ton dann nur noch Mulm ist.
Kann an der Strat in der Zwischenstellung MID-BRIDGE mit beiden Tone-Potis zu ja durchaus gut den "Money for nothing" Knopfler-Sound simulieren.
In allen anderen FĂ€llen hilft ein Reihenwiderstand von 12-27K (je nach eigenem BedĂŒrfnis) zwischen Tone-Poti Ausgang und Masse.

Und da du ja schon die WIMA Kondensatoren erwÀhnt hast: unschlagbar die Typen MKS4 oder, wer es teurer möchte: MKP10. Hat auch ein Herr Dommenget schon erkannt ;-)
 

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