Review Yorkville 50 K - Allroundverstärker

E

erniecaster

Power-User
19 Dez 2008
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Hallo!

Eine weitere schwarze Kiste ist bei mir eingezogen. Geplant war das nicht, eher ein Unfall mit guten Ausgang.

Die Mutter meiner Sängerin wollte ein Fest feiern und der Ruf erging somit an unser Duo, dort gefälligst mittels zwei Gesangsstimmen und einer akustischen Gitarre zu musizieren. Wir einigten uns darauf, dass wenigstens ein "Hut" drin sei zuzüglich Futter und Getränke auch für die mitgebrachten Partner.

Schön. Zwei Tage vor der Veranstaltung fiel mir ein, dass wir uns nicht um Verstärkung gekümmert hatten. Eine "P.A.-Seite" ist ja da, das ist mein heißgeliebter AER AG-8, der den Job schon häufiger getan hatte. Ich rief meine Sängerin an und bat sie, beim uns bekannten P.A.-Verleiher doch einen Aktivmonitor nebst Ständer zu beschaffen. Irgendwann kam der Anruf, dass dort alles bereitstehen würde, sie aber gerade keine Zeit und kein Auto und Nagellack noch nicht trocken und so weiter - sprich, ich musste doch selbst los.

Beim Verleiher stand dieser unauffällige Keyboardverstärker in der Secondhandecke. Ich erwartete ja eigentlich, irgendwas in Form einer JBL oder ähnlichem in die Hand gedrückt zu bekommen aber nein, das war alles längst unterwegs, der Yorkville war für mich reserviert. Gebraucht sollte das Ding einen sehr niedrigen dreistelligen Betrag kosten. Toll. Billigequipment. Kann ja nicht klingen. Aber etwas anderes war nicht mehr da, denn auf die Alternative in Form einer ollen olle Zeck 15/3 nebst Endstufen-Rack hatte ich keine Lust. Also griff ich mir das 13,5 kg schwere Gerät, warf es etwas genervt ins Auto und fuhr grummelnd davon.

Abends bauten wir den Kram dann auf. Zwei Gesangsmikros und meine Yamaha CPX 700 durch ein Alesis-Mischpult. Vorsichtig drehte ich den auf der linken Bühnenseite aufgebauten AER auf und hörte das mir so bekannte Ergebnis: Klar, sauber, ein bißchen gnadenlos und nicht besonders bassig. Man kommt sich dabei immer ein wenig "überführt" vor. Dann der Yorkville: LAUT. VOLL. BASS. Überraschend gut, ja, deutliche lieblicher als der AER. Schön. Beides coole Geräte.

Zusammen ist das richtig geil. Der Yorkville drückt unten und in den Mitten, der AER zeichnet die Details darüber. Aus Experimentierlaune haben wir das dann mal wirklich aufgedreht, bis die Scheiben wackelten. Irgendwann kam der AER an seine Grenzen - man hört regelrecht, wie sich die Bauteile darin dann verkrampfen und alles steif und hart wird. Das ist dann nicht mehr schön - meistens dann aber auch schon viel zu laut. Den Yorkville habe ich bis zu diesem Punkt nicht aufdrehen können, da war noch Luft nach oben.

Auffällig am Yorkville war, dass er deutlich breiter abstrahlt als der AER. Das klingt ja nett, bedeutet aber auf Hochdeutsch, dass man sich schnell Feedback einfängt. Der muss tatsächlich einen guten halben Meter vor den Mikro stehen, sonst pfeift´s. Den AER kann man sich auch mal ein wenig drehen und so auch parallel als Monitor benutzen - das kann man mit dem Yorkville komplett vergessen.

Sei es drum: Wir spielten den Gig mit großer Zufriedenheit über den Sound. Als die Ergebnisse des "Huts" ausgewertet waren, beschlossen wir, ohne weitere Debatten den Yorkville zu erwerben. (In der nächsten Woche haben wir dann nach ein wenig Barzar-Spiel die Kiste für einen zweistelligen Betrag gekauft.)

Was haben wir denn da nun? Eine 13,5 kg schwere Kiste, mit Filz bezogen, Kunststoffecken und -griff. Ein 10er Speaker, ein Hochtöner. Hinten ist vereinsamt eine Kaltgerätebuchse neben einem Aufkleber, dass die Kiste in Kanada gebaut wurde. Vorn von links nach rechts: Volumenregler "Line 1", daneben eine Klinken- und eine XLR-Buchse. Dann Volumenregler "Line 2", daneben zwei Klinkenbuchsen, zwei Cinchbuchsen, Bass und Treble, Effektsend, Effektreturn, Phones, Ein-Aus. Spektakulär ist anders.

Nach der Feuertaufe beim Gig habe ich die Kiste zuhause noch einmal probiert, als mit meiner Yamaha CPX. Es ist ganz spannend, dass die Ergebnisse bei allen Buchsen (Cinch habe ich nicht probiert) etwas anders waren - identisch war aber, dass es immer erwachsen, voll und mächtig klang. Vorsichtig mit dem Bassregler - sowohl am Gitarrenpreamp als auch am Gerät selbst.

Dann E-Gitarre über Tech21 Character Pedale Blonde und Liverpool. Als Gitarren wie immer die Tele und die halbakustische Ibanez Artcore. Das Blonde Pedal simuliert Fenderamps. Das ist mit dem Yorkville zusammen okay, wenn man mit den Bässen aufpasst, denn auch das Blonde Pedal ist untenrum recht fett. Der schlankere Vox-Sound des Liverpool-Pedals dagegen wird nett angedickt. Das ist toll. Man braucht allerdings zwingend noch eine Prise Hall irgendwoher, damit das wirklich Spaß macht.

Sehr zum Leidwesen meiner Nachbarn habe ich zuhause auch noch einmal ein Mikro probiert. Es wiederholte sich das, was ich beim Gig schon erlebt hatte - das ist wirklich klasse, aber Feedback ist sofort ein Thema.

Schade nur, dass man die Kiste nicht auf einen Ständer platzieren kann. Das wäre nun wirklich noch schön gewesen.

Kurz und gut: Unspektakuläres Gerät, macht vernünftig laut. Kann man im Bandbetrieb problemlos auch dem Bassisten oder dem Keyboarder leihen.

FĂĽr unter 100 Euro (die auch noch aus dem "Hut" kamen" also quasi fĂĽr lau) absolut klasse. Und selbst, wenn ich nach ein paar Wochen die Kiste nicht mehr mag, werde ich sie bei ebay fĂĽr den gleichen Preis bestimmt wieder quitt.

GruĂź

erniecaster
 

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