Eigener Stil - whatever that is - sein Erhalt & Erweiterung

groby

Power-User
21 Nov 2005
2.237
2
17
Kernfrage in Kurzform:

Was ist - und wie entwickelt sich - ein eigener Stil?
Und wie stabil ist er?

In Langversion:
Meine These die nur für mich selber und mein Spiel gilt:

Ich denke ich habe - im guten wie im schlechten - einen eigenen Stil. Entwickelt hat er sich aus Kopieren, Aneigenen, Nach-Machen, Neu-Kombinieren, eigenen Ideen und Abläufen, den eigenen motorischen Gewohnheiten (hier steckt ein Aspekt drin auf den ich unten noch zu sprechen komme) und spontanen Einfällen die sich dann neu festsetzen zum Repertoire. Selten ist dort eine bewusste Entscheidung wie z.B. "Ich will aber diese mir noch fremde Art Lick jetzt aber auch können." Was neu hinzukommt ist eher logische Erweiterung desselben, keine radikal isolierte Insel von Neuland.

Und ich bediene mich an Tonmaterial mit dem was ich passend und interessant finde (zum Beispiel finde ich Pentatonik zwar schön aussage-stark aber auch etwas farblos und neige zum Betonen von tonleiter-spezifischen Tönen, das ist keine bewusste Entscheidung, sondern etwas, was ich nur im Nachhinein von außen betrachtet erkenne.

Und es gibt Sachen, die mir motorisch einfach fantastisch "unter die Finger" fallen. Nicht nur bestimmte konkrete kopierte Läufe sondern einfach Ablaufmuster an Fingern, unabhängig von Saiten oder Intervallen oder Ablaufrichtung.

Schmeißt man all das zusammen kommt man an der Aussage nicht vorbei, dass der eigene Stil auch etwas ist, was durch eigene Unzulänglichkeiten definiert und geformt wird.

Also mein Stil ist irgendwo auch die Summe meiner Schwächen.

Oder hat da jemand für sich andere Ansicht oder Erfahrungen?

In wie weit verblasst diese Wiedererkennbarkeit ...(dass mich musikalisch keine Sau kennt, geschweige denn wiedererkennt, ist jetzt mal ein Detail dass ich ego-schonend übersehe)....

Also in wie weit verblasst diese Wiedererkennbarkeit wenn ich mich weiterentwickle? Wenn ich Schwächen nach und nach überwinde, wenn ich meine Grenzen weiter hinaus schiebe. Grenzen, die sozusagen mein Spiel behindert haben aber ihm auch Charakter gegeben haben?

Könnte ich spielen wie Guthrie Govan (also fast schon obszön vielseitig in eigentlich jeder modernen Stilrichtung der E-Gitarre), was wäre ich an diesem Spiel?

(Motivationssprüche zum Thema "üben" gibt es ja genug. Ich denke aber auch an Gegenentwürfe von Miles Davis der sagte, man soll nichts üben was einem fremd ist, weil man dann versucht, es völlig unpassend einzubauen weil man das Geübt-Haben davon irgendwie rechtfertigen will.)

Wer hat da Meinungen oder Erfahrungen zu?
 
Ich glaube, der eigene Stil definiert sich auch über die Musik die man hört. So eine Art latentes ETWAS, das sich unbewusst mit in das persönliche Spiel einnistet.
Ich höre z.B. viel Satriani, Kotzen und früher war ich großer Anhänger von Gary Moore und Santana. Das hört man immer noch. Ohne das ich bewusst nach letzterem klingen möchte, hört man es doch gut wenn ich einfach drauf los jamme. Und wennn ich mir dan die Sachen anhöre, die ich gespeilt habe, dann höre ich auch viel Sachen der erstgenannten. Ähnliche Phrasierungen, Licks, etc.
 
Yeah,

da gab's mal ein Interview mit Wayne Krantz (der nicht nur gut Gitarre spielt, sondern nebenbei auch ziemlich schlau ist), wo er, nach seinen Vorbildern gefragt, sinngemäß antwortet: "I'm only trying to play more like myself". Das hat mich ziemlich beeindruckt, weil darin, zumindest meiner Wahrnehmung nach, eine Absage an jegliche Art von gitarristischem Standard enthalten ist, und das möglicherweise zugunsten von so etwas wie Wiedererkennbarkeit. Das beinhaltet dann vielleicht auch, dass man die eigenen Schwächen nicht zu überwinden sucht, sondern sogar kultiviert. Etwas weiter hergeholt: Frodo muss ja auch durch diesen dunklen Gang nach Mordor, weil das große Tor von zu vielen beobachtet wird, und in diesem Gang wartet diese Spinne auf ihn, als seine persönliche Herausforderung, so eine Art Nemesis, an der er ja dann auch prompt scheitert. So ähnlich ist es für mich mit dem Gitarrespielen: Vielleicht überinterpretiere ich den Wayne Krantz bisschen, aber seit ich dieses Interview gesehen habe (das ich leider auf die Schnelle jetzt nicht mehr gefunden habe - es war aus einem französischen Programm, längere Dokumentation), versuche ich verstärkt, mich eher "tiefer" in mein eigenes Gitarrenspiel einzugraben und dafür weniger "in der Breite" an skills zu arbeiten, die ich ohnehin nicht wirklich habe. Das hat übrigens musikalische und technische Aspekte: In musikalischer Hinsicht versuche ich mich, wenn es um Stilistiken geht, in erster Linie für meine *eigene* (immer noch zu entwickelnde) Stilistik zu interessieren, und in technischer Hinsicht habe ich zB akzeptiert, dass ich immer Probleme mit der rechten Hand haben werde, weswegen ich genau daran nicht mehr übe, sondern mehr mit der linken mache, weil mir das eben leichter fällt. Und dann sind es eben irgendwann die ganzen Defizite, die zu so etwas ähnlichem wie "Wiedererkennbarkeit" führen könnten.
Yeah,
M.
 
Hallo in die Runde,

also ich habe neulich mal eine Live-Aufnahme von mir gehört, die inzwischen 30 Jahre alt ist. Die Gitarre und der Amp waren anders als heute, und inzwischen habe ich 30 Jahre lang geübt und mich neugierig mit vielen Aspekten von Musik beschäftigt.

Tja, was soll ich sagen, die Aufnahme von vor 30 Jahren klingt im Grunde genommen schon genauso wie ich heute klinge und spiele. Die gleichen Bendings, das gleiche Vibrato, die gleiche Art Melodien und Sequenzen zu bilden...

Ich frage mich wirklich, warum ich so lange und so intensiv geübt habe, so furchtbar viel hat das jetzt nicht gebracht!

Ich war nie jemand, der viel Wert darauf gelegt hat, unbedingt nach sich selbst zu klingen. Ich wollte viel lieber nach Clapton, Steve Vai, Lee Ritenour, Larry Carlton uns. klingen. Aber am Ende klang es halt immer nach mir (ohne dass ich mir das jetzt gewünscht hätte).

Inzwischen ist mir das alles egal. Ich spiele und freue mich über jeden Gig und jede Mucke, ich spiele einfach gerne mit anderen Musikern zusammen und versuche, überall möglichst gut vorbereitet aufzuschlagen. Und der Rest passiert irgendwie ohne mein Zutun.

Gruß Martin
 
Hallo,

die meisten von uns sind sicherlich technisch irgendwo limitiert - ich jedenfalls bin das. Natürlich können wir nicht spielen, was wir nicht spielen können. Und wenn ich den ganzen Tag beispielsweise Oktavsprünge oder chromatische Speedorgien übe, werde ich diese Bewegungen abends im Bunker auch wiederholen.

Ich rate deshalb gerne dazu, in einem musikalischen Kontext zu üben. Wenn ich irgendwo Sweepinglicks brauche, dann übe ich eben diesen Song mit Sweeping. Brauche ich kein Sweeping, sweepe ich auch nicht. Damit vermeide ich, irgendwo zu sweepen, wo es fehl am Platz ist. Diese Herangehensweise hat mir sehr geholfen, besser zu werden. Oder sagen wir lieber "weniger schlecht".

Wenn wir in die klassische Musik rüberschielen, ist das dort weniger ein Thema. Was gespielt wird, steht in den Noten. Und dennoch hört man unterschiedliche Geiger beispielsweise sehr gut heraus. Ich denke nicht, dass das damit zu tun hat, dass sie es nicht anders können.

Thomas Mann wird immer wieder als Beispiel für lange Sätze herangezogen. Ich denke nicht, dass er nicht in der Lage war, kurze Sätze zu formulieren. Hemingway hat nach meiner Erinnerung gerne auf Adjektive verzichtet aber sicherlich nicht, weil er keine in seinem Wortschatz hatte.

Ich versuche, den jeweiligen Song in der gerade anstehenden Situation so gut zu spielen, wie ich kann und ihm und der Band das zu geben, was sie meiner Meinung nach brauchen. Vermutlich habe ich da auch Vorlieben und betone sie dann unbewusst immer wieder. Kann natürlich auch schief gehen...

"Der betont ja immer die 1 und die 3 beim Backbeat!"
"Jo, das ist halt sein Stil."

Gruß

erniecaster
 
Hm

Also ich habe sehr viel geübt / gelernt in den letzten, na, sechs Jahrren. Ob "besser" oder "weniger schlecht" ist Ansichtssache, aber vielseitiger bin ich auf jeden Fall geworden.

Allerdings hat mich diese Reise - zunächst das Lernen von allerlei "Licks", dann das das mehr oder weniger systematische Erarbeiten von hamonieltheoretischen Zusammenhängen - nicht an einen Ort geführt, den ich vorher als Ziel gesteckt hätte, sondern an einen mir früher unbekannten.

Ich hätte zB damals eher erwartet, dass ich meine Solofähigkeiten weiter und weiter ausbaue - daran habe ich jedoch mehr und mehr die Lust verloren. Stattdessen haben sich meine Hörgewohnheiten deutlich verändert: was ich früher "schräg" oder "zu schräg" oder als "nach Auflösung schreiend" empfand, darin kann ich heute minutenlang sitzen. Zur maj7 oder #11 hatte ich früher zB ein völlig anderes Verhältnis, ähnliches gilt für Harmonisch Moll, Lydisch, 9, sus2, 11er-Akkorde, Halb-Ganzton-Skalen, Licks in Sexten, die liebe ich ganz besonders - das ist das, was heute aus mir herausquillt, wenn ich die Gitarre zu Hause in die hand nehme. Klar, auch immer noch Hendrix- und Trower-Blues-Licks.

Die üblichen Pop- Dur- oder Molldreiklänge und -kadenzen ("Lagerfeuerakkorde") können ihren Reiz haben, klar, manche machen damit tolle Musik, aber ich bin außerstande, damit tolle Musik zu machen - oder welche, die ICH toll finde. Ist auch (m)ein Defizit. Powerchords finde ich überwiegend megagähn und sog. "Riffrock" tue ich weder gern hören noch gern spielen. Hier und da gehören Powerchords hin, ok, aber ... andere können das besser. Wir haben hier in der Stadt ne astreine ACDC-Coverbamd, die sind megatight und machen gute Musik, aber - ich könnte das nicht. Ist nicht mein Stil. Eine Kapelle, die überwiegend 12-Takt-Blues spielt - näh, nix für mich. Meine eigene Musik vor 15 Jahren empfinde ich als uninteressant. Würde ich nicht angucken gehen. Das, was unsere Band macht, empfinde ich auch nur als "gut", "solide" und "okay". Macht echt Spaß, funktioniert gut, kommt auch gut an, im Grunde aber unterfordert sie mein Harmonieempfinden. Aber es geht in Bands ja nicht um einzelne. Ist von daher okay.
Ich kann zu Hause durchaus über ganze Kandenzen wilde Ganzton-Licks spielen, die allermeisten ertragen das nur einen einzelnen Takt, gerne zB im vierten Takt eines 12-taktigen Bluesschemas, dann wird es ihnen zu schräg und sie empfinden "das passt nicht". Ich bin da mittlerweile anders. Wenn es zu sehr passt, dann tendiert es gegen gähn.

Diese Idee hier zB passt in keine einzelne Skala, so muss es für meinen (und wohl nur meinen) Geschmack schon sein, damit das Gefühl habe, dass das "ich" bin.



Ich bin kein Liebhaber von Wayne Krantz, aber wie Michael ihn zitiert ("I'm only trying to play more like myself"), damit kann ich mich gut identifizieren. Mein Weg dorthin führt über Harmonielehre und Einsicht. Derzeit mache ich einen Kurs von Pat Martino und der führt mich zu neuen und völlig verblüffenden Erkenntnissen. Ich hoffe, dass er mir weiter erleichtern wird, so zu spielen wie ich. Das Erlernen der Licks anderer ist für mich der falsche Weg.
 
martin schrieb:
Ich war nie jemand, der viel Wert darauf gelegt hat, unbedingt nach sich selbst zu klingen. Ich wollte viel lieber nach Clapton, Steve Vai, Lee Ritenour, Larry Carlton uns. klingen. Aber am Ende klang es halt immer nach mir (ohne dass ich mir das jetzt gewünscht hätte).

So ähnlich sehe ich das auch. In guten Momenten (meist allein zuhaus) klinge ich nach Gary Moore. Aber leider klinge ich meistens nur nach mir selbst ;-)

Ich lese das dauernd: Sei Du selbst. Das ist eine Floskel. Erstens ist jeder Mensch viele und zweitens kann sich niemand von seinen Einflüssen frei machen. Ohne die ist man nur ein Haufen Zellen.

Sicher ist die Kombination von Einflüssen und eigenen Bio-Vorgaben individuell. Aber irgendwie doch auch immer wieder mal anders.

Ich meine: Die großen Fragen der Menschheit: Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin geht es?
Da ist die "Lösung" "sei Du selbst" ein komplettes Placebo.
 
groby schrieb:
Entwickelt hat er sich aus Kopieren, Aneigenen, Nach-Machen, Neu-Kombinieren, eigenen Ideen und Abläufen, den eigenen motorischen Gewohnheiten.

Ich denke das wird bei fast allen Musikern der Fall gewesen sein. Ich hab jedenfalls auch so gelernt.

groby schrieb:
Also mein Stil ist irgendwo auch die Summe meiner Schwächen.
Gebe ich Dir auch Recht.

groby schrieb:
Ich denke aber auch an Gegenentwürfe von Miles Davis der sagte, man soll nichts üben was einem fremd ist, weil man dann versucht, es völlig unpassend einzubauen weil man das Geübt-Haben davon irgendwie rechtfertigen will.

Deshalb versuche ich auch nur das zu spielen, was ich höre bzw. hören will. Ich habe mir mal ein paar Sweeping Licks draufgeschafft, die ich allerdings noch nie live verwendet habe, da diese in meinen Ohren
- nicht zur Musik passen
- nicht gut klingen
Und wer will schon nach "blub Blub - fritt fritt" klingen - ich nicht
:shrug:
 
Hallo,

ich musste vor einiger Zeit "More than words" bei einer Hochzeit von jemandem aus dem Bandumfeld spielen. Es waren jede Menge Leute da, die uns als Band gut kennen. Was tun? Ich habe trotz längeren Versuchen keine Gitarrenbegleitung gefunden, die mir musikalisch so gut gefallen hat wie das Original. Also habe ich das erste Mal im Leben einen Part so 1:1 gespielt, wie ich es konnte. (Nein, das wilde Solo mit Tapping am Ende haben wir so nicht gespielt.)

Hinterher haben mir mehrere Leute ungefragt gesagt, dass ich extrem (Wortspiel) anders geklungen hätte als Nuno Bettencourt. Das sei erkennbar ich gewesen. "Dich hört man eh immer irgendwie raus", war ein gängiger Tenor.

Ich fand das spannend, hat mich ja auch gebauchpinselt.

Ist das jetzt ein eigener Stil? Ich denke nicht darüber nach, ich versuche nur besser zu werden. Was immer das auch bedeuten mag.

Gruß

erniecaster
 
Ich weiss gar nicht ob man über den eigenenStil gut reflektieren kann.
Irgendwie hat man seine manuellen, emotionellen und geistigen Vorgaben die dann umgesetzt werden. Ob das Stil, Handwerk oder beides oder keines von beiden ist kann man selber schwer beurteilen. So empfinde ich das.

Ich "höre" keinen Stil bei mir.

Ob den jemand anderer hört weiss ich nicht.
LG
Auge
 
Moin allerseits,

interessantes Thema.

Ich würde "eigener Stil" vielleicht übersetzen mit "eigene Handschrift".

Man kann dasselbe schreiben (spielen) wie andere, aber es sieht (bzw hört sich) anders aus als bei den Anderen.

Ich habe vor Jahren mal eine Doku gesehen über Tom Petty; da ging es um die Phase in den 90ern wo sie einen neuen Drummer gesucht hatten (wurde dann ja Steve Ferrone). Sie hatten diverse Drummer eingeladen und Probeaufnahmen gemacht; Tom Petty meinte nur "what a huge difference a drummer makes".

Dabei hatten alle die gleichen Vorgaben / gleichen Songs gespielt, aber die Betonungen, Anschlagdynamiken, dadurch individuellen Sounds und Grooves war dann wohl die jeweilige Handschrift.

So ähnlich ist das ja auch bei uns Gitarristen.

Vor Jahren hatten wir in unserer Band (2 Gitarristen) Angels von Robbie gespielt; in einer Probe fehlte der Gitarristenkollege und ich hatte seine Parts spasseshalber gespielt. Zb im Refrain die vollen Zerrakkorde. Also nix wo man eigentlich gross unterscheiden würde.

Hinterher unterhielten sich Drummer und Sänger und meinten "unfassbar wie unterschiedlich das klingt wenn er (also ich) das spielt". Es ging da auch nicht um besser oder schlechter, es war anders. Dabei waren das nur 3, 4 Akkorde, einmal angeschlagen und stehenlassen. Soundeinstellung sehr ähnlich.

Ob das jetzt Wiedererkennungswert hat weiss ich nicht; aber ich denke wenn man selbst immer auf dieselbe Art anschägt, spielt, phrasiert, betont usw, dann entwickelt man einen Wiedererkennungseffekt. Und der ist m.M.n. wiederum sehr eng verwandt mit eigenem Stil / Handschrift.

Gruss

Michael
 
groby schrieb:
Was ist - und wie entwickelt sich - ein eigener Stil?
Und wie stabil ist er?

Kurze Antworten:
Machen! und
Ja!

So ein bisschen ist die Frage nach der Stabilität des eigenen Stils ja eine andere Formulierung der Behauptung, dass Theorie die Imspiration(TM) kaputt macht.

Kein Autor käme auf die Idee, man könne zu viel lesen oder schreiben, und wäre danach als Autor nicht mehr erkennbar.
Kein Bildhauer meint, er können zu viel lernen über sein Fach.
Aber Gitarristen feiern mal wieder den naiven Idioten...
;-)


Viele Grüße,
woody
 
juergen2 schrieb:
Ich habe vor Jahren mal eine Doku gesehen über Tom Petty; da ging es um die Phase in den 90ern wo sie einen neuen Drummer gesucht hatten (wurde dann ja Steve Ferrone). Sie hatten diverse Drummer eingeladen und Probeaufnahmen gemacht; Tom Petty meinte nur "what a huge difference a drummer makes".

Dabei hatten alle die gleichen Vorgaben / gleichen Songs gespielt, aber die Betonungen, Anschlagdynamiken, dadurch individuellen Sounds und Grooves war dann wohl die jeweilige Handschrift.

Hallo,

das erinnert mich an die Videos, in denen Dream Theater einen neuen Drummer gesucht haben. Die fand ich sehr spannend, obwohl ich DT überhaupt nichts abgewinnen kann.

Gruß

erniecaster
 
Woody schrieb:
So ein bisschen ist die Frage nach der Stabilität des eigenen Stils ja eine andere Formulierung der Behauptung, dass Theorie die Imspiration(TM) kaputt macht.

Kein Autor käme auf die Idee, man könne zu viel lesen oder schreiben, und wäre danach als Autor nicht mehr erkennbar.
Kein Bildhauer meint, er können zu viel lernen über sein Fach.
Aber Gitarristen feiern mal wieder den naiven Idioten...


Ich bin (musikalisch) am zufriedensten, wenn ich neues Baumaterial für "meinen eigenen Stil" finde und einbauen kann. Derzeit neueste Erkenntnis:

Von jedem übermäßigen Dreiklang komme ich durch Senken eines beliebigen der drei Töne zu einem Dur-Dreiklang, und durch Erhöhen zu einem Moll-Dreiklang.

Bei verminderten Vierklängen (min7b5) ergibt sich durch das Senken eines der vier Töne ein Dominant-Sept-Akkord, und durch Erhöhen ein Moll7-b5. Und zwar vollkommen egal, wo auf dem Griffbrett und in welcher Umkehrung.

Gelernt in diesem Kurs hier:



Dieses ganze harmonisch einfachere Zeug (Rock, Blues, Funk) arbeite ich ja in der Bänd ab, privat - so für mich - bin ich am zufriedensten, wenn ich neues Musikwissen aufsauuuuuugen (oder an Sounds tüfteln) kann. Ist so eine Art angewandter Denksport für mich. Ich langweile mich wirklich furchtbar schnell, ist eine meiner größten Schwächen - und das geht mir mit Musik manchmal auch so. Wenn es die eigene iost, die langweilt, das tut dann weh. Mir jedenfalls. Deshalb muss sich "mein Stil" (in "", weil es ja darum gehen soll hier) sich weiterentwickeln, und das heißt für mich vor allem , harmonische Zusammhänge schnallen.

Hören will das übrigens keiner. "Die Leute" sind mit I - IV - V in Dur oder Moll doch vollends zufrieden, schon (der überwiegend dorische) Funk fordert die Hörbewohnheiten vieler doch schon sehr heraus. Es ist also eher ein privates Hobby, so, wie ich auch quasi ständig überiwegend philosophische Bücher lese, deren Inhalt auch niemanden groß interessiert. Aber es geht ja um den eigenen Stil und wie man ihn entwickelt in diesem Thread ... ich habe Wurzeln (Hendrix, Sabbath, British Blues), Einflüsse (Ron Spielman, Michael Landau, Scott Henderson, Hanno Busch, div. Funk-Gitarristen, u.a. John Frusciante, den ich dazu zähle)und Interessen (Gitarrenkurse, die der vertieften harmonietheoretischen Erkenntnis dienen (sollen). Wenn daraus eines Tages etwas wird, das man "Stil" nennen kann, wäre das super.
 
Woody schrieb:
groby schrieb:
Was ist - und wie entwickelt sich - ein eigener Stil?
Und wie stabil ist er?

Kurze Antworten:
Machen! und
Ja!

So ein bisschen ist die Frage nach der Stabilität des eigenen Stils ja eine andere Formulierung der Behauptung, dass Theorie die Imspiration(TM) kaputt macht.

Kein Autor käme auf die Idee, man könne zu viel lesen oder schreiben, und wäre danach als Autor nicht mehr erkennbar.
Kein Bildhauer meint, er können zu viel lernen über sein Fach.
Aber Gitarristen feiern mal wieder den naiven Idioten...

Bei Malern gibt es übrigens zu verschiedenen Zeiten durchaus eine Kontroverse über den Wert von "akademischem Malen". Und in Schriftstellerkreisen wird z.B. die Leipziger Autorenausbildung durchaus zwiespältig betrachtet.
Ich beziehe hier keine Position in der Sache, wollte nur der Behauptung widersprechen, dass nur bei Gitarristen das "unverbildete Originalgenie" oder der "geniale Dilettant" gefeiert wird. Das gibt es überall, außer bei Rechtsanwälten, Apothekern und Zahnärzten. Aber dilettieren dann ja in der Freiziet in verschiedenen Künsten.
 
Rabe schrieb:
Woody schrieb:
groby schrieb:
Was ist - und wie entwickelt sich - ein eigener Stil?
Und wie stabil ist er?

Kurze Antworten:
Machen! und
Ja!

So ein bisschen ist die Frage nach der Stabilität des eigenen Stils ja eine andere Formulierung der Behauptung, dass Theorie die Imspiration(TM) kaputt macht.

Kein Autor käme auf die Idee, man könne zu viel lesen oder schreiben, und wäre danach als Autor nicht mehr erkennbar.
Kein Bildhauer meint, er können zu viel lernen über sein Fach.
Aber Gitarristen feiern mal wieder den naiven Idioten...

Bei Malern gibt es übrigens zu verschiedenen Zeiten durchaus eine Kontroverse über den Wert von "akademischem Malen". Und in Schriftstellerkreisen wird z.B. die Leipziger Autorenausbildung durchaus zwiespältig betrachtet.
Ich beziehe hier keine Position in der Sache, wollte nur der Behauptung widersprechen, dass nur bei Gitarristen das "unverbildete Originalgenie" oder der "geniale Dilettant" gefeiert wird. Das gibt es überall, außer bei Rechtsanwälten, Apothekern und Zahnärzten. Aber dilettieren dann ja in der Freiziet in verschiedenen Künsten.
Danke für die Schützenhilfe.
Es ist ein Unterschied ob ich vom handwerklichen können oder der echten unbeeinflussten Unvoreingenommenheit rede.
 
erniecaster schrieb:
"Dich hört man eh immer irgendwie raus", war ein gängiger Tenor. [ ... ] Ist das jetzt ein eigener Stil?

Ich würde sagen ja.

Martin und Michael (jacuzzi) kenne ich über die Aussensaiter, martin noch von Sessions aus dem Nachbarort. Beide gehören zu den begnadetsten Gitarristen und Musikern, die ich kenne. Wenn ich bei Aussensaiter-Sessions auf dem Flur bin, würde ich - und andere auch - heraushören, wenn einer der beiden spielt, denke ich. Beide haben Wiedererkennungswert.
Auch, wenn die jeweils eigene Sicht darauf verschieden sein mag - ist der Wiedererkennungswert für andere nicht ein wesentliches Kriterium für eigenen Stil?

Die Wege dorthin und der Umgang damit und die eigene Erkenntnis / Wertschätzung dessen (auch durch andere) können deutlich differieren, haben wir gesehen.

Grobys Punkt war nun, ob diese Wiedererkennbarkeit verblasst, wenn man sich technisch weiterentwickelt.
Ich würde sagen, wenn es falsch läuft, ja, wenn es richtig läuft, nicht.
Falsch läuft es, wenn aus einem geschmackvollen Pentatonik-Spieler ein Skalen-rauf-und-runter-Shredder wird. Gut läuft es, wenn man sich neue Tonfolgen und Akkordfarben aneignet, weil sie es erlauben, sich selbst besser, passender, genauer als sich selbst auszudrücken.


Wie seht ihr das?
 
Rabe schrieb:
Bei Malern gibt es übrigens zu verschiedenen Zeiten durchaus eine Kontroverse über den Wert von "akademischem Malen". Und in Schriftstellerkreisen wird z.B. die Leipziger Autorenausbildung durchaus zwiespältig betrachtet.
Ich beziehe hier keine Position in der Sache, wollte nur der Behauptung widersprechen, dass nur bei Gitarristen das "unverbildete Originalgenie" oder der "geniale Dilettant" gefeiert wird. Das gibt es überall, außer bei Rechtsanwälten, Apothekern und Zahnärzten. Aber dilettieren dann ja in der Freiziet in verschiedenen Künsten.

OK, alle Frotzelei mal zur Seite,
Du nennst Diskurse, die sich mit institutionalisierter Ausbildung beschäftigen.
Die Frage, ob es dem eigenen Stil förderlich ist, sich einem jahrelangen standardisierten und kanonisierten Ausbildungsprogramm zu unterwerfen, dem man seine eigene Impulse, Neigungen und Ideen auf lange Sicht unterordnen muss ist ja eine völlig andere, als die Frage, ob nicht grundsätzlich fremde Ideen und Einflüsse die eigene Identität verwischen.

Ich glaube auch, dass diese Diskussionen mehr aus "epidemiologischer" Perspektive geführt sind, also, brauchen wir massenhaft neue AutorInnen und KünstlerInnen, die die gleichen Standards reproduzieren können?
Jede/r für sich kann ja entscheiden, was er/sie draus macht.
"Ich habe jetzt gelernt, dass ich die Pentatonik zur Bluesscale erweitern kann.
Finde ich das geil?
Nö?
Ok, dann spiele ich eben nur Penta."

Wie habe es ja sprichwörtlich in der Hand, was wir spielen wollen.
Auch Pat Metheny kann den berühmten einen Ton spielen, wenn er will.
Und BB King kannte bestimmt noch einen zweiten Ton. Da bin ich mir recht sicher. ;-)

Viele Grüße,
woody


PS Was macht denn eigentlich die gebildete künstlerische Äußerung denn nun weniger wertvoll als die naive?
Und warum ist sie weniger wünschenswert?
Ist das nicht künstlerischer Trumpismus? Gegen die "Eliten"?
 
Der Zusammenhang zwischen gebildet/ausgebildet und musischem Ausdrucksvermögen ist sehr vage.

Handwerkliche Berufe profitieren von einer Ausbildung weil es dort klare, erlernbare Handlungsabläufe gibt deren Befolgen zu einem klar definierten Erfolg führt.

Musische Tätigkeiten profitieren davon nur bedingt und persönlichkeitsabhängig und auch der Begriff "Erfolg" ist hier streitbar.

Man kann akademischen Institutionen (also Lehrplänen/Akademien/Ausbildungsgängen) nicht vorwerfen, dass es Leute gibt, die ohne sie auch spannend sind und dass sie Absolventen produzieren die trotz einer Ausbildung nichts spannendes zu sagen haben.

Es ist immer wieder interessant zu sehen wie manche Leute ein Studium durchlaufen und dort alle Kästchen abhaken ohne dass es ihre Weltsicht oder ihren Horizont sinnvoll erweitert. Bildung hat nichts mit ihnen gemacht, sie sind einfach durchgefahren wie ein Auto durch eine Landschaft. Gebildet aber tumb.

Interessant und ausdrucksstark kann man werden. Langweilig muss man man schon selber sein.
 
groby schrieb:
Interessant und ausdrucksstark kann man werden.

Now we're talking.
Wie wird man interessant und ausdrucksstark?

Ausdruck hat ja zunächst was mit Kommunikation zu tun, man will ja etwas ausdrücken und das soll verstanden werden.
Es gibt damit gewisse kommunikative Rahmenbedingungen für künstlerisches Handeln.
Die lernt man ja nicht "aus sich selbst", Kunst- oder Musikschaffen geschieht also schon immer vor einem Mindestmaß an Bildungshintergrund, oder?



Viele Grüße,
woody


(Ich stimme Deinem letzten Posting übrigens voll und ganz zu.)
 
Woody schrieb:
Die lernt man ja nicht "aus sich selbst", Kunst- oder Musikschaffen geschieht also schon immer vor einem Mindestmaß an Bildungshintergrund, oder?
Da die meisten Leute "Bildung" als schulische oder akademische Bildung verstehen würde ich sagen: Eher nein und man kann Kunst oder Musik schaffen ohne jedwege Bildung.

Das einzige was es braucht ist ein Mindestmaß an motorischem Geschick und der Wunsch, ein "Werk" zu schaffen.

(Egal jetzt mal, ob Blockflötenimprovisation in der Fussgängerzone oder ProgRock-Konzeptalbum. Da lauert aber ein riesiges Fass um die Ecke, nämlich wieder mal die Frage, was Kunst überhaupt ist, wo sie beginnt und ob Wissen oder Können - oder überhaupt Absicht! - dafür notwendig sind und wer das dann definiert und anhand von was und ich kriege auch schon wieder Kopfschmerzen. Gleich mal mit der Blockflöte in der Fussgängerzone abreagieren und Tauben dabei anschreien. Selbst-Therapie oder Performance Art? Das Ordnungsamt ist geteilter Meinung.)
 
Woody schrieb:
...


PS Was macht denn eigentlich die gebildete künstlerische Äußerung denn nun weniger wertvoll als die naive?
Und warum ist sie weniger wünschenswert?
Ist das nicht künstlerischer Trumpismus? Gegen die "Eliten"?....

Ich hab mich ja vor ein paar Jahren an der Jazzuni mit dem Sax herumgetrieben.
Das dort erlernte Handwerk ist auf jeden fall sehr fein. Die geforderten grundsätzlichen Handwerklichkeiten sind cool und absolut brauchbar.
Der Pool an Musikern die sich ausschliesslich mit Jazz beschäftigen führt zu grossem kreativem Output.
Also ein Pro Jazzuni
Kontra?
Die dadurch von den Studenten empfundene Überlegenheit ist charakterlich unangenehm und oftmals nicht wahr.
Auch ausserhalb der Uni kann man ein sensationeller Musiker werden.
 
groby schrieb:
die Frage, was Kunst überhaupt ist

:deadhorse: :prof: Ein Ereignis! Ein Ereignis! :prof: Keine Eigenschaft! :prof: :deadhorse:

Frei nach: Robert M. Pirsig: Zen oder die Kunst, ein Motorrad zu warten
 
Okay, ich schlage mal vor, wir klammern Kunst aus und beschäftigen uns mit Musik und da hauptsächlich mit im weitesten Sinne mainstream-artiger Musik oder zumindest dem, was wir tatsächlich so machen. Also irgendwo das, was man so üblicherweise "Musik" nennt.

(Sonst sind wir bei irgendwelchen Avantgard-Beispielen wo Stockhausen per Zufallsgenerator kleine Kätzchen mit Pizzatellern bewirft und das dann "Symphonia Cato #9" nennt. Oder so. Das ist sicher für alle Beteiligten ein künstlerisches und prägendes "Ereignis" - insbesondere für die Kätzchen - aber Absurdes oder Extremes hilft ja beim Diskutieren nicht.)

Also okay.

RoterFadenBisHierhin: Eigener Stil -> Frage nach Weiterbildung und Stil-Treue -> Frage nach Notwendigkeit von (Aus-/Eigen-/Selbst-/Weiter-)Bildung.

Ist Bildung in irgendeinem Sinne überhaupt notwendig um Musik zu machen?

Pauschal würde ich sagen, nein.

Käme auf die Musik an und was für einen Anspruch oder Verständnis als Teilnahmevoraussetzung sie hat.

Aber: Wenn Leute wie (als Beispiel) John Petrucci sagen, sie spielen nur "from the heart", dann ist das für Naivlinge extrem missverständlich. Es wäre schon alleine missverständlich, wenn Slash das sagen würde, weil sogar er als nicht-technisch geltender Musiker mindestens eine Ahnung von Tönen und Zusammenhängen hat. Ob er das jetzt durch ein Jazzkonservatorium oder zuhause vorm Radio mitspielend oder durch Peter Burschs flimsige Wabbel-Lernschallplatten gelernt hat, wäre ja zweitrangig. Aber auch das würde ich im woodyschen Sinne als Bildung ansehen.



...hmmmm....




Vielleicht habe ich mich gerade selbst vom Gegenteil meiner eigenen These überzeugt.
Das muss ich erstmal sacken lassen.
 
ferdi schrieb:
groby schrieb:
die Frage, was Kunst überhaupt ist

Ein Ereignis! Ein Ereignis!

Yeah,

da ist ja auch immer so ein bisschen was Geschmäcklerisches mit im Spiel: Mir persönlich zB ist das meistens eher etwas zuwider, wenn Leute von "Kunst" reden und das zu allem Überfluss auch noch irgendwie auf sich selbst beziehen. Aber das ist wirklich sehr subjektiv. Man muss da ja auch nicht drüber streiten, sondern kann ganz leise den Raum verlassen.

Was mir aber sehr gefallen hat: Dass sich der Begriff "Kunst" als ein zusammenfassender Singular erst aus den verschiedenen "Künsten" herausgebildet hat, die bis dahin gar nichts miteinander zu tun gehabt und zB auch so etwas wie "Handwerkskunst" umfasst hatten. Irgendwann kommt es dann zu diesem Abstraktionsvorgang und plötzlich hat man "die" eine "Kunst". (Bei"der" "Wissenschaft" war's ganz ähnlich: Da hatten zuvor auch Philosophie, Theologie und was-weiß-ich unverbunden nebeneinander existiert, und plötzlich: plopp!)

Wie irreführend das Wort "Kunst" ist, merkt man auch, wenn man es über den hier anfangs nachgefragten "Wiedererkennungswert" legt: Viele täten heute möglicherweise ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass eine gewisse Individualität und ein damit verbundener Wiedererkennungswert irgendwie zu "Kunst" dazugehören. Das war aber beileibe nicht immer so und ist heute in außereuropäischen Kulturkreisen auch anders.

"Kunst" sagen ist dann eben doch wie Strähnchen reinmachen: Irgendwie fancy, aber das war's dann auch schon.

Yeah,
M.
 

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