Yamaha AC3R Elektroakustikgitarre

E

erniecaster

Power-User
19 Dez 2008
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Hallo,

hier das versprochene Review zur Yamaha AC3R. Damit das alles nicht zu lang wird, hier erst einmal ein Link:

https://www.musicstore.de/de_DE/EUR/Yamaha-AC3R-ARE-Vintage-Natural/art-GIT0041070-000;pgid=2KigQykB6NtSRpjrYnoPxaQq00008RrC5ih5

Alle wesentlichen Fakten sind hier zu lesen, jetzt kommen nur noch meine Meinung und Anmerkungen zu ein paar Details.

Was nirgends auf Fotos zu sehen ist, ist das mitgelieferte Softcase - oder ist es ein Hardbag? Irgendwas zwischen Koffer und Gigbag halt. Das ist passgenau, der Hals ist unterfüttert, überraschenderweise gibt es aber keine Klettbefestigung für den Hals. Vorne auf dem Case ist eine einsame große Tasche, hinten sind bequeme Rucksackgurte, die nicht abgenommen werden können. Das geht alles zwar sehr viel besser, ist aber auf einem viel höheren Niveau als viele andere "Gigbags im Lieferumfang".

Optisch finde ich die Gitarre rund und gelungen. Die künstlich gealterte Decke sieht nicht komisch aus sondern ist satt honigfarben. Ich hätte mir jetzt gewünscht, dass die Vorderseite der Kopfplatte auch in Hochglanz lackiert gewesen wäre, aber das ist Meckern auf hohem Niveau.

Ein weiterer Punkt, der mich optisch etwas stört, ist gleichzeitig der einzige Kritikpunkt an der Verarbeitung: Wenn man in die Gitarre schaut, ist die Elektronik nicht in einem Kasten verbaut sondern da hängt einfach eine Platine rum. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die ständig in ihre Gitarren schauen aber ich mache mir ein bisschen Sorgen, dass Staub und Feuchtigkeit hier irgendwann Probleme machen.

Die Bespielbarkeit der Yamaha ist speziell. Als ich sie das erste Mal in der Hand hatte, irritierte mich das Halsprofil etwas. Die Griffbrettkanten sind sehr stark abgerundet, der Hals wirkt wirklich fast rund. In den unteren Lagen ist das ein sehr dezentes V, dass ab etwa dem vierten Bund in ein rundes Shaping übergeht. Darüber hinaus ist noch eine minimale Vertiefung dort, wo der Daumen der linken Hand beim Spielen in der ersten Lage bei offenen Akkorden ruht. Das ist ganz subtil und zwingt nicht irgendwo hin. Wenn ich aber in den höheren Lagen spiele und dann in die erste Lage zurück gehe, landet mein Daumen exakt da, wo er hin gehört.

Das Halsprofil ist eben nicht „Dachlatte nehmen, Griffbrett draufleimen, Rückseite halbrund feilen und Kante etwas entgraten“ sondern deutlich ausgefeilter. In den ersten Minuten mochte das nicht. Danach fand ich es super. Wechsele ich zu einer meiner anderen Gitarren, vermisse ich das, komme nach einer Minute aber auch klar.

Zu den akustischen Sounds erst einmal ein paar Schlagwörter: Transparent, dynamisch, klar, offen. Genau das, was man von einer (im Vergleich zu einer Dreadnought) etwas kleineren Gitarre mit massiver Fichtendecke, massiven Zargen und Boden aus Palisander in hochglanz lackiert erwartet.

Ich habe gerade Sounds im Plural geschrieben, denn diese Gitarre bietet mehr als einen. Sie reagiert sehr fein auf unterschiedliche Plektren und unterschiedlichen Anschlag (Ort, Winkel des Picks, Anschlagstärke, Anschlagsgeschwindigkeit). Beim besten Willen bekommt man natürlich nicht den Klang einer dicken Akustikgitarre mit Mahagonikorpus raus, klar und offen bleibt das immer.

Die Saitentrennung ist dabei phänomenal und das bringt tolle Möglichkeiten. Man spiele sanfte Akkorde und werfe Singlenotes dazwischen, die klar und deutlich rauskommen – ob auf den hohen Saiten oder Bassläufe, ist völlig egal. Was man reingibt, kommt raus. Toll.

Dabei ist die Gitarre wieder typisch asiatisch und yamahaesque, nämlich nicht charakterstark und deutlich in einer klanglichen Ecke positioniert sondern für alles offen. So wie ein Freund, der auf den Vorschlag, mal wieder ins Freibad zu gehen, direkt begeistert ist und im Kofferraum seines vor dem Haus geparkten Autos schon Schwimmsachen für alle und eine gepackte Kühltasche hat. Nur würde dieser Vorschlag selbst von ihm nie kommen und auch sonst kein anderer Vorschlag. Ich hoffe, diese Analogie ist verständlich.

Jetzt aber mal das Kabel rein! Aktuell – im Juli 2019 – muss man ein bisschen wegen der Elektronik aufpassen, es gab nämlich ein Update, dass den Preamp sehr von der ersten Version unterscheidet und die wird noch in vielen Youtube-Videos gezeigt und in Tests beschrieben.

Es ist kein großes Autoradio mehr in der Zarge sondern nur noch vier Regler. Yamaha liefert eine Kunststoffunterlagen unter den vier Reglern mit, auf denen die Funktionen benannt werden, die man aber entfernen kann. Damit sind die vier Knöppe unauffällig und wenn die Bedienung sollte auch niemanden überfordern.

Der oberste Regler ist der Volumenregler, er beinhaltet auch noch eine LED. Regler rechts regelt Höhen und hat eine Mittenrasterung in Neutralstellung. Der Regler links ist für die Bässe zuständig (auch mit Mittenrasterung), das ist jetzt wenig überraschend. Er hat aber noch eine Zusatzfunktion: Man drehe Volumen an Gitarre und Amp auf, schlage eine Akkord an und warte auf Feedback. Sobald es hupt, drücke man auf den Bassregler, es leuchtet eine LED auf und koppelt nicht weiter. Das ist schon clever. (Übrigens ist noch ein Gummistopfen für das Schallloch im Lieferumfang, falls es lautstärkemäßig mal derbe wird.)

Bleibt der Regler unten in der Mitte. Nach links gedreht, kommt das reine Piezosignal und das ist schon yamahatypisch gut. Dreht man den Regler nach rechts, wird stufenlos in eine Simulation einer Mikrofonabnahme übergeblendet. Mit einem Druck auf diesen Regler wird zwischen zwei Mikrofontypen gewechselt.Dann blinkt die LED im Volumenregler – einmal, wenn Mikro 1 an ist, zweimal, wenn Mikro 2 an ist. Es ist nur ein kleines Detail, dass die LED im Volumenregler ist, es ist aber pfiffig: Man sieht sie dann nämlich, auch wenn der Finger gerade auf dem unteren Regler ist.

Kurz der Unterschied zum alten System: Kein blöder Kasten, zwei statt drei Mikrotypen, die Entfernung zum Mikro kann nicht geregelt werden und – es ist kein Stimmgerät an Bord!

Wie klingt´s? Der Piezo alleine schonmal gut und brauchbar. Die Simulationen bringen ein wenig 3D, entschärfen den bekannten Piezoquack und addieren eine EQ-Veränderung. Mikro 1 ist offener, klingt breiter und voluminöser, Mikro 2 ist etwas topfiger. Alleine ziehe ich Mikro 1 vor, im Zusammenspiel mit einem Klavier setzt sich Mikro 2 besser durch. In einem etwas volleren Mix regelt man die Simulation etwas runter und lässt den Piezo etwas mehr von der Kette. Da sind jede Menge Möglichkeiten drin.

Bass- und Höhenregler tun, was sie sollen. Kleiner Tipp: Erst das Mikro auswählen, Mischungsverhältnis einpegeln und dann an die Klangregelung, sonst verirrt man sich schnell.

Percussion auf Decke und Zargen wird übertragen ohne zu wummern allerdings auch nicht prominent laut. „More than words“-Klick funktioniert nicht.

Ich habe bislang immer schnell eine Einstellung gefunden, mit der ich dann einfach nur noch spielen konnte und auch wollte. Nachbearbeitung mit externem EQ und Compressor ist nur noch für die Anpassung an den jeweiligen Raum und die Verstärkung nötig und dann freut man sich noch über ein bisschen Hall aus der Dose. Sehr schön.

Das liest sich alles sehr nüchtern. Tatsächlich ist die Yamaha AC3R auch kein Instrument, in das man sich nach den ersten Tönen verliebt sondern eine hochwertige und sehr flexible Werkzeugkiste. Mich inspiriert diese Gitarre zu ganz anderen Songs, Arrangements, Riffs und Spielweisen, weil einfach alles geht. Grab and go. Ich liebe es!

Soviel dazu, es ist natĂĽrlich Honeymoon, ich spiele gerade deutlich mehr Gitarre als vor dem Kauf. Ăśbrigens auch meine anderen Gitarren.


„Bei Rückfragen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.

Beste GrĂĽĂźe

erniecaster


P.S. Jetzt ist es doch lang geworden. Und hinten raus auch noch emotional.
 

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