Was ich in 20 Jahren Musik machen gelernt habe.

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Interessanter thread. Ich habe hier schon viel Erhellendes und Humorvolles gelesen. In den Beiträgen von mad cruiser, little feat, W°°, muelrich und des pfaelzers finde ich auch eigene Erfahrungen und Gedanken wieder.

Ich möchte ein paar Bemerkungen beisteuern, die mit meiner Spielpraxis in einer Big Band zu tun haben. Dort spielte ich (Amateur) jahrelang Gitarre unter einem sehr fähigen Bandleader (sax, Halbprofi).
- Wie weit kann die Gitarre in der Lautstärke hinter jeglichem anderen Instrumentarium stehen und trotzdem dazugehören!
- Wie geil ist es, ein nettes Comping hinter einem gut aufgelegten Solisten zu spielen!
- Wie ätzend ist es, wenn die Bläser für den nächsten Gig auf Platz 1 der Setlist „zum Warmspielen“ ausgerechnet diejenige Nummer verlangen, die dein ungeliebtes und schlecht gekonntes Solo enthält!
Ungeschriebene Verfassung einer Amateur-Big-Band:
Art 1 Der Trompetensatz hat immer Recht.
Art 2 Sollte dies jemals angezweifelt werden, so entscheidet der Bandleader gemäß Artikel 1.
- Kleinere musikalische Probleme lösen sich manchmal durch Aussetzen.
- Guter Klang hat oft nichts mit Sound zu tun.
Ich fand solche Situationen in Proben immer sehr lehrreich: Der Bandleader pickt bei einer Ballade einen ungewöhnlich gesetzten Akkord im Saxofonsatz heraus: Er lässt die Harmonie dann aufsteigend von den fünf Stimmen intonieren. Schließlich bestimmt er die Klangfarbe durch unterschiedliche Lautstärkeanweisungen. Da tut sich viel, ohne dass der Sound des einzelnen Bläsers eine besondere Rolle spielen würde.

Unabhängig vom Spielen in großer oder kleiner Besetzung habe ich vor allem eine Lektion von erfahrenen und wirklich guten Musikern gelernt. Sie ist wohl nicht sehr originell.
Ideenklau in fremdem Revieren bringt mehr Gewinn als Diebstahl in der Nachbarschaft.
Zwei Anwendungen
a) Für das Melodiespiel, für den Vortrag eines Themas ist es unbedingt hilfreich, Sängerinnen oder Sänger anzuhören. Am besten gleich mehrmals in kurzer Zeit, um sich eine stimmige Phrasierung „einzuverleiben“.
b) Bevor ich zur monatlichen Blues-Session gehe, höre ich lieber eine Viertelstunde lang Milt Jackson (vib), Johnny Hodges (as) oder Harry Edison (tp) als eine brillante Gitarrenarbeit von Robben Ford. Ich kann die gehörten Sololinien zumeist gar nicht nachspielen, versuche aber die Haltung der Altmeister im Ohr zu behalten – die Einstellung zum Chorus, zum Tempo, die Interaktion mit der Rhythmusgruppe …

Außerdem möchte ich mich ausdrücklich dem anschließen, was hier schon mehrfach gepostet wurde: Aus Lektionen und Devisen sollte man keine Prinzipienreiterei machen. Schließlich tut es hin und wieder auch gut, zur Session mit leerem Kopf durch die Kneipentür zu spazieren und einfach der Dinge zu harren, die da kommen mögen.

Keep swinging!
Moby
 
und stelle mehr oder weniger erstaunt fest, dass hier viele nahezu die gleichen Erfahrungen gemacht haben.
Ich spiele seit mehr als dreißig Jahren Bass, Gitarre und Banjo (letzteres ist schon sehr lange her), habe sehr viel verschiedene Musiken gemacht, wie z.B. Country, Free-Jazz, Newmetal, Blues, Folk, Singer-Songwriter, Texas Rock, Galamusik, Künstlerbegleitung, Tanzmusik jeder Güterklasse, noch viel mehr gehöhrt, wie Klassik, Barock, alles oben erwähnte und was mir inzwischen peinlich ist und stelle fest:

1) Ich habe gelernt, anderen beim Musikmachen zu zuhören, mich binnen kurzer Zeit auf viele Menschen einzustellen, nicht mehr alles zu wollen oder zu akzeptieren, mir die Musiker, mit denen ich Musik machen möchte, genauestens auszusuchen. Ich habe mich durch viele Stilistische Irrgärten gequält, nur um mittlerweile nur noch MEIN Ding zu machen.
Ich habe kürzlich Musiker gefunden, die mich so nehmen, wie ich bin. Mit all meinen Macken, mit all meinen Soundspielerein, von denen ich bis Heute nicht lassen will. Die sind alle mehr oder weniger genauso verrückt, wie ich, obwohl alle zum Teil deutlich jünger sind als ich.

Psychedelic is back

Ende des Jahres gehen wir in´s Studio.
Mal schauen.... ICh werde berichten, falls erwünscht.

Älter werden ist echt eine Gnade :banana:

Greets - masterbass
 
... in der Szene wo ich war auch nie was ändern wird an der Trägheit, Ideenlosigkeit, etc. meiner Mitmusiker, dazu müsste man wohl eigenes Material spielen und komponieren. Was ich auch noch eine zeitlang gemacht habe, aber nur Elektronik im kleinen Heimstudio.
Irgendwo und irgendwann hab ich wohl eine Überdosis Musik abgekommen und mag jetzt selbst privat gar nichts mehr hören, bin für jede stille Minute dankbar.

Hört sich für mich nach einem ernsten Problem an.

Du solltest dir professionelle Hilfe suchen ...

Mach hier keinen Spaß auf deine Kosten - ist ein ernst gemeinter Rat.
 

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