Woody schrieb:
Hast Du da Lesetips?
Das interessiert mich,
viele Grüße,
woody
Das eine Buch habe ich nicht. Es sind immer Passagen, z.B. in einem Buch über Langhantel Training - ein etwas abwegiges Thema für Musiker.
Ich will mal versuchen zu erklären, worum es geht.
Um eine Bewegung bewußt zu steuern, braucht der Körper ca. 200 ms.
Das ist recht schnell, aber für viele Sportarten immer noch zu langsam.
Mit Übung kann die Steuerung der Bewegung ins Unbewußte verlagert werden.
Die Kontrolle der Bewegung kann dann auf 10-15 ms verkürzt werden.
Den Effekt kennen auch Musiker, deshalb üben sie regelmäßig.
Der biologische Hintergrund ist, dass das Nervensystem für diese Bewegung eine eigene Programmierung entwickelt.
Man hat jetzt untersucht wie das funktioniert und welchen Einfluß die Trainingszeiten und äußere Einflüße haben können.
So kann für das Erlernen einer komplexen Bewegung für einen absoluten Anfänger bereits nach 15 Minuten das Optimum an Lerneffekt erreicht sein. Trainiert er länger, wird er nicht besser, jeweils gemessen am Folgetag.
Trainiert er sehr viel länger, kann mittelfristig die Performance leiden.
Ausreichend erholsamer Schlaf verbessert das Lernergebnis ebenfalls.
Der Körper braucht Ruhe, um die neuen neuronalen Verknüpfungen erstellen zu können.
Der sensorische Input ist bei Anfängern sehr wichtig. Aber auch der muß vom Nervensystem verarbeitet werden können.
Der durchschnittliche Gitarren-/Klavierlehrer hat Unterrichtseinheiten von 45 Minuten, dass kann für Anfänger u.U. bereits zu lang sein.
Viel schlimmer sind aber die zahlenden Bildungsbürgertum-Eltern, die ihre Sprößlinge dann noch zum stundenlangen Üben verdonnern. Kostet alles Geld, nun will man Erfolge sehen.
Der Lerneffekt ist bei Anfängern bezogen auf die aufgewendete Zeit am größten. Fortgeschrittene müssen mehr Zeit aufwenden um 5% Steigerung zu erreichen, als Anfänger für 5% Steigerung.
Der Zeitaufwand steigt exponential, d.h. ein Profi muss im Vergleich zum Anfänger ein vielfaches der Zeit aufwenden, um 5% Steigerung zu erzielen.
Der Profi ist auf der anderen Seite nicht mehr unbedingt auf den sensorischen Input angewiesen. Er kann Bewegungsabläufe auch durch Visualisierung trainieren. Man z.B bei Hochspringern beobachten, dass sie vor einem Wettkampf den Sprung in Gedanken durchgehen, verbunden mit angedeuteten Bewegungen des Sprungs.
Letzteres ist in der Musik nicht gänzlich unbekannt. Es gibt Musiker, die vor einem Konzert die Stücke in Gedanken durchgehen, sich bildhaft vorstellen, wie sie das Instrument spielen, und vor allem welches Gefühl sie in die einzelnen Passagen legen.
Anderes Beispiel ist die frühzeitige Aktivierung von Muskeln, um eine Bewegung besser steuern zu können.
Hier siehst Du einen Sportler beim Bank drücken:
[img:160x120]http://www.exrx.net/AnimatedEx/PectoralSternal/BBBenchPress.gif[/img]
Wenn der Sportler bereits beim Herablassen der Hantel wieder an das nächste Hochdrücken denkt und sich auf die nächste Bewegung frühzeitig konzentriert, schafft er mehr Wiederholungen.
Das frühzeitige Denken an die nächste Bewegung stimuliert bereits die für die Bewegung erforderlichen Nervenbahnen und Muskeln.
Anwendung in der Musik könnte das Üben von Akkordwechseln sein.
Jeder hat mal durchgemacht, die einzelnen Akkorde sind bekannt, aber der Wechsel hakt.
Soll z.B. ein Anfänger von C-Dur auf D-Dur wechseln, jeweils 4 1/4 Noten, dann soll er sich bildhaft vorstellen wie er den D-Dur-Akkord Finger für Finger greift, während er C-Dur noch spielt.
Die meisten Anfänger freuen sich, dass C-Dur bei den ersten beiden Taktschlägen klappt, beim 3. kommt der Bammel, das der Wechsel schief geht, nach dem 4. geht er schief.
Weitere Themen können das (extreme) Zerlegen von Abläufen sein (nicht ganz unbekannt in der Musik), oder das temporäre Überschreiten von Leistungsgrenzen, um neues Wachstum/Lernen zu stimulieren.
Ich weiß nicht, ob das alles neu ist.
Meine Musiklehrer haben mir das nicht erzählt. Und die Trainer im Sport auch nicht.
Vielleicht hilft's.
Gruß,