Cover-Story: live-Erfahrungen mit meiner Nachspielband

Interessiert euch so ein Sammelsurium von Live-Erlebnissen?

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therealmf

Power-User
Wie einige hier ja vielleicht wissen, spiele ich in einer Coverband mit dem originellen Namen „online“, die Rock, Pop, Soul und Party-Music macht (früher konnte ich einfach "eine Top40-Band" schreiben, aber seit einigen Jahren selektieren wir stark und spielen nur noch solche Chart-Songs, die uns richtig gut gefallen. Okay, "Atemlos" muss dann auch mal sein, aber sonst halt…;).
Auges Blog gefiel ja den meisten hier recht gut, und nachdem er mich drauf angesprochen hatte, ob ich nicht auch mal was berichten wollte und einige andere mich ebenfalls ermutigt haben, habe ich jetzt beschlossen, das mal zu tun. Ich möchte hier also von Zeit zu Zeit immer wieder mal was aus unserer musikalischen Praxis berichten, sei es Technik und wie wir sie einsetzen, interessante Begebenheiten bei Gigs, besondere Projekte usw. Vermischtes eben. Nicht, weil ich mich da als Vorbild oder so was profilieren will (gitarrentechnisch gäbe es dafür auch keinen Anlaß), eher weil ich denke, es interessiert vielleicht manche so wie es mich auch bei anderen interessiert. Wenn Euch was nervt, sagt es mir bitte ;)
Da ich noch nicht so genau weiß, was Ihr lesenswert findet, wäre ich Euch auch dankbar, wenn Ihr ruhig auch schreibt: "Berichte doch mal mehr hierzu" oder "Bitte weniger Details dort, das langweilt" oder so. Ich gehe dann gern darauf ein.

Anfangen will ich mal mit einer kurzen Vorstellung. Ich spiele seit rund 40 Jahren Gitarre, angefangen vom klassischen Allround-Unterricht durch den Dorflehrer bis zu den diversen Bands der letzten Jahre. Die Intensität hat dabei immer geschwankt, ganz aufgehört hab ich nie, aber Profi werden wollte ich auch nie. Nach einigen Jahren vor allem mit Unterricht kam eine Phase mit Bands mit eigener Musik und dann seit 1991 die Zeit in meiner Coverband online.
Wir spielen derzeit rund 30 Gigs pro Jahr bei Weinfesten, Stadtfesten, Hochzeiten, Firmen-Events usw. In den Hochzeiten hatten wir über 50 Gigs im Jahr, fast alle in Sporthallen in Rheinhessen, als das noch die übliche Form der Dorfjugendunterhaltungsbranche war. Auch in der Zeit war es aber "nur" ein Hobby, die gesamte Band besteht aus "rheinhessischen Landei-Musikern", die sich teilweise schon von der Grundschule kennen. Also keinerlei Profi-Ambitionen, fast alle Autodidakten. Ich finde, dafür grooven wir ganz gut und müssen uns nicht verstecken.

Ab und zu gibt’s dann neben den "normalen" Gigs noch Besonderheiten wie Aufenthalte in Robinson-Clubs oder die Mitwirkung bei Musical-Aufführungen von Amateur-Theater- und Musical-Gruppen. Dazu werde ich auch ein bißchen was schreiben, weil es band-technisch und auch gitarristisch durchaus interessant ist, wie ich finde.

Unsere Besetzung: keyb / bass / drums / fem voc / Trompete / Sax & keyb / git. Bis auf den Bassisten singen alle, Chor oder auch Solo, unser Drummer ist der männliche Hauptsänger. Soviel Gesang ist natürlich toll und macht uns entsprechend flexibel, aber nicht einfach zu mischen und erfordert viele Monitorwege.

Seit einigen Jahren arbeiten wir bei kleinen bis mittleren Gigs ohne externe Beschallungsfirma und haben dafür ein digitales Presonus 16-Kanal-Pult. Das hat sich sehr bewährt, weil unser früher-nur-Roadie-und-jetzt-auch-Tonmann Andre so mit dem iPad von vorne mischen kann, wir aber keinen FOH-Platz brauchen. Am Anfang habe ich die kleinen Gigs parallel zum Gitarrespielen von der Bühne aus gemischt, was natürlich sehr viele Kompromisse erforderte.
Jetzt, mit dem Presonus-Pult, haben wir 6 Monitorwege zur Verfügung. Und mit der dazugehörigen App kann jeder seinen Weg selber steuern, also die Mischung und die Lautstärke regeln usw. Das alleine ist für mich schon ein Segen, weil früher immer jemand rief: "Mach mal die Keyboards bei mir leiser!" - "Und bei mir den Gesang von Judith lauter!" - "Und bei mir…" usw. Ich war während dem Gig dauernd in Aktion, was meinem Gitarrenspiel sicher nicht geholfen hat. Jetzt macht das jeder selbst.
Als ich mit dem Konzept dieses Pults und der "Fernsteuerung" über iPhone ankam, war die Skepsis natürlich erst groß. So komplizierte Technik - und wenn das hängen bleibt? Und was das kostet! Ich hab keinen Bock, das selber zu regeln, ich kapier das nicht! usw.
Neulich hatten wir mal für einen Gig ne externe Firma (große PA) und hinterher sagten alle: „Mensch, das war ja richtig doof, immer dem Tonmann sagen zu müssen, was man anders haben will. Ist ja mit unserem System doch deutlich bequemer!“
Wer also in seiner Band mit ähnlich vielen unterschiedlichen Monitor-Bedürfnissen klar kommen muß, dem kann ich so ein Setup nur empfehlen. Man braucht in den meisten Fällen einen Laptop als Bindeglied zwischen Pult und über WLAN kommunizierenden Mobilgeräten, was aber dank eines bei Presonus beigefügten one-click-Aufnahmeprogramms den Zusatznutzen hat, daß man ganz unkompliziert alle Eingänge auf getrennten Spuren digital und komplett „roh“ aufnehmen kann. Das Programm heißt „Capture“ und konfiguriert sich vollautomatisch, je nachdem welches Pult man angeschlossen hat (16.4.2 oder 24.4.2 oder 32.4.2). Beeinflusst wird die Aufnahme nur vom Gain-Regler. Nicht von den Kanaleinstellungen und nicht vom Fader. Die Übertragung der Signale vom und zum Pult läuft über ein einziges FireWire-Kabel, also ist das auch kein Hexenwerk.
Übrigens kann man genauso einfach die Aufnahme „zurück“ spielen und über das Pult wiedergeben. Das machen wir regelmäßig und können so einen „virtuellen Soundcheck“ machen: die Band baut auf, wir checken gemeinsam die Gain-Einstellungen, die Musiker stellen ihren Monitormix grob ein, wir spielen 2-3 Songs und dann kann die Band entweder nochmal heim fahren (wenn wir in der Nähe spielen) oder Kaffee trinken gehen oder mit den Groupies flirten. Andre und ich mischen dann in aller Ruhe, können nach Belieben Stellen loopen, Spuren stumm schalten oder an Details feilen, ohne daß jemand genervt ist.
Dieses Wochenende zum Beispiel haben wir bei uns in der Nähe gespielt. Da wir mit dem veranstaltenden Sportverein guten Kontakt haben, haben wir vereinbart, schon Freitag abend in die Halle zu gehen, aufzubauen und dann Samstag erst kurz vor Showtime zu kommen. Was die Fußballfans in der Band sofort super fanden, weil sie nicht vor Ende der Nachspielzeit zum Gig aufbrechen müssen…;)
Also haben wir am Freitag abend gemeinsam alles aufgebaut und eingestellt und 2 Songs aufgenommen, einen ruhigen mit Alex am Gesang („Reach out“ von Take That) und „Ain’t nobody“ mit Judith am Gesang.
Dann bei Capture auf Wiedergabe umschalten und am Pult die Kanäle auf „FireWire-Eingang“ umschalten, und schon kann die ganze Band unten stehen und sich anhören, wie sie selber klingt. Und jeder kann an seinen „Arbeitsplatz“ gehen und sich seinen Monitorsound zurechtmischen. Seltsames Gefühl, wenn man vor der eigenen Monitorbox steht und sich selbst dadurch singen und spielen hört!
Dann konnte die Band nach Hause fahren und wir haben noch in Ruhe etwa eine Stunde lang am Bassdrum-Sound, an der Klangregelung für ie Keyboards und am Gitarrensound gefeilt, inklusive Equalizing meines eigenen Monitorwegs. Und die anderen konnten sicher gehen, daß ihr Monitorsound dadurch nicht „versaubeutelt“ wird. Es ist so viel einfacher, einen solchen Livesound ohne den Stress ständig quengelnder Mitmusiker zu erstellen! Fast so relaxt wie im Studio.
Außerdem ermöglicht die Speicherbarkeit des Pults natürlich auch, die Grundeinstellung für die jeweilige Halle abzuspeichern und beim nächsten Mal wieder „hervorzuziehen“. Oder den bassdrum-Sound. Oder die Kompressor-Einstellungen am Gesang. Usw. usw…

So, das soll’s mal gewesen sein für den ersten Post. Die nächsten werden sicher noch ein bißchen konkreter und gitarrenbezogener. Bin gespannt auf Eure Rückmeldungen!
 
Hi.

Ob mich das generell interessiert, hängt vom jeweiligen Unterthema ab, denn Gitarre spiele ich auch. Ich brauche also Lese-"Mehrwert". Entweder Anekdoten oder Ungewöhliches oder aber neues, z.B. Technisches.

Das (letzteres) war hier vorhanden und ich habe es gerne gelesen. Danke.

Als Änderung würde ich mir wünschen, dass es mehr Absätze gibt. Eventuell bestenfalls mit Überschriften: Monitoring, Setup, ....

Das wäre Lese-Leitung Deluxe, denn dann weiß ich worum es wo geht.

Sonst gibt es das Oberthema "Meine Live-Erfahrungen" (die jeder hat, also was alleine nicht neugierig macht) und dann kommt da ein fetter ungeordneter Batzen Text im Block ohne Fotos oder Auflockerung und da muss man ein bißchen innerlich aufstöhnen bevor man zu lesen anfängt. Das ist schade.
 
Ich lese das hier gerne und finde auch die Form gut! Vielen Dank! :)

Interessante Geschichte mit dem "virtuellen Soundcheck". So kann aktuelle Technik ein Segen sein. Wäre auch perfekt zum üben für Mischinteressierte geeignet! :cool:
 
Danke für Eure Antworten. @ partscaster: ja, in der Tat ist das ein super Weg, um sich an sowas komplexes wie eine parametrische Klangregelung oder einen Kompressor heranzutasten. Zumal die geloopte Wiedergabe es erlaubt, auch kritische Passagen mehrfach komplett identisch anzuhören. Ohne daß man dem Sänger sagen muß: "Ne, vorhin haste lauter gesungen!" So haben wir das auch schon öfter genutzt, als Andre anfing uns zu mischen. Und manchmal nimmt er Pult und Laptop auch mit heim und "übt"...;)
 
Ein Dorf tanzt
Wir spielen regelmäßig auf irgendwelchen Kerbe-Veranstaltungen (Kirchweih, Kirmes…you know what I mean). Ihr vermutlich auch. Und wenn man mal zwanzig davon hatte, weiß man wie ähnlich sich solche Veranstaltungen sein können. Gähn.
Es gibt aber auch Ausnahmen. Am Wochenende hatten wir eine davon: „Siefersheim tanzt!“
So lautet der Titel der Veranstaltung hier im rheinhessischen Siefersheim. Ein kleines Kaff mit ein paar guten Winzern, 1200 Einwohnern, wenig Kulturangebot, alles richtig Land. Aber es gibt einen Turnverein mit jede Menge Showtanzgruppen. Die wollten gern einmal im Jahr auch zuhause vorführen, was sie so können (abgesehen von den vielen Wettbewerben, an denen sie teilnehmen). Nur wird sowas ja schnell langweilig, wenn man mal drei Gruppen gesehen hat, müssen die Mädels schon sehr wenig anhaben, damit man noch hingucken will…
Ähnlich langweilig also wie das Standardmodell einer Kerb: Wein- und Bierausschank und Live-Tanzband.
In Siefersheim ist das aber alles anders: bei „Siefersheim tanzt“ gibt es ein paar Vorführungen, unterbrochen von längeren oder kürzeren Sets der Band (die auf der gegenüberliegenden Seite auf einer zweiten Bühne steht). Und damit die Gäste nicht sitzen bleiben, gibt es zum Übergang einen „freestyle“-Tanz: die Tänzerinnen der Showtanzgruppen mischen sich in den Saal - und das Erstaunliche: ganz viele Gäste machen sofort mit! Leider hab ich kein Video davon, denn die „moves“ sind nicht einfach nur Disco-Fox-Schritte aus der Tanzschule, sondern richtig komplexe Muster. Als wir das zum ersten Mal erlebten, dachten wir: wie geht denn das, die können das ja alle?? Keine Ahnung, wie sie das machen, aber es funktioniert. Und das bei völlig gemischtem Altersspektrum: von sechzehn bis sechzig sind alle da, und die meisten machen mit! Cool.

Da hat man’s als Band dann natürlich auch leichter, die Leute zum Tanzen zu bringen bzw. am Tanzen zu halten.
Dazu kommt eine sehr familiäre, nette Atmosphäre, die Helfer sind alle tiefentspannt, versorgen uns ganz unkompliziert mit Essen und Trinken, Parkplatz, Aufbau am Vorabend mit eigenem Hallenschlüssel, alles kein Problem. Sowas hat man echt selten in dieser Ausprägung.
Da macht es dann auch nix, wenn der Abend dann doch ganz anders abläuft und die charmante Moderatorin uns mehrfach umdirigiert: das zweite Set soll jetzt nicht zwei Stunden lang sein, sondern nur rund eine, dafür gibts danach noch zwei Sets, nicht noch eins. Und den Rock’n Roll-Song bitte doch schon am Anfang des dritten Sets, weil das Rock’n Roll Tanzpaar da schon vorführt. Ah ja…ein bißchen flexibel muß man schon sein als Band. Aber wenn sonst alles so schön passt, fällt uns das auch immer leicht. Außerdem gab’s gleich danach ne Runde Hütchen (Cola-Cognac) für die Band - unaufgefordert.
Wie wir mittlerweile mitbekommen haben, ist die Dorfgemeinschaft hier noch etwas, das wirklich gepflegt wird. Wenn wir sonst nicht viel haben, was die Leute hier hält, dann muß der Zusammenhalt eben klasse sein. Scheint zu funktionieren, man fühlt sich gleich wohl.

Ich finde bei solchen etwas chaotischen Veranstaltungen immer wichtig, daß man sich klar macht: das ist hier kein Konzert, es geht nicht um uns. Das ist für eine Cover-Band sicher notwendige Professionalität. Aber gleichzeitig auch entlastend: man baut sich ein in den Gesamtablauf und gibt damit auch ein bißchen Verantwortung für das Gelingen ab. Und wenn die Verantwortlichen happy sind mit der Zusammenarbeit, ist der Folge-Gig schon halb gebongt. Und als Nachbesprechung wird man zum Vereinsvorsitzenden nach Hause zur Weinprobe eingeladen…

Hier mal noch ein paar Schnappschüsse vom Samstag abend…

[img:600x450]https://dl.dropboxusercontent.com/u/54846606/Siefersheim1.jpg[/img]
[img:600x450]https://dl.dropboxusercontent.com/u/54846606/Siefersheim2.jpg[/img]
[img:600x450]https://dl.dropboxusercontent.com/u/54846606/Siefersheim3.jpg[/img]
 
Hey,

cool noch ein Blog mit Live-Erfahrungen...

Das mit den technischen Dingen finde ich ganz gut auch lese ich gerne wie es Leuten auf der Bühne geht, was sich dabei so abspielt und was musikalisch wie dargeboten wird.

Also für meinen Teil bitte gerne weitermachen, muss auch nicht so viel drumherum Info sein (Dorfjugend, Winzer, Zusammenhalt), aber dafür vielleicht mehr über dein Equipment, deine Rolle,...

DANKE, LG Hannes
 
Hi,
will auch nur sagen, dass ich das gerne lese.
Auch wenn ich nicht überall meinen Senf dazu gebe.
Gruß
 
Hallo Markus,

mir gefallen sowohl deine technischen Beschreibungen als auch die deines "Auftrittsumfelds" (bescheuertes Wort, ich weiß). Vielleicht noch ein paar detaillierte Infos mit Fotos zu deinem persönlichen Gitarren-Equipment? Bitte weiter machen!

Grüße

Roland
 
Ja, mich interessiert das auch! Ich spiele ja in einer ähnlichen Truppe auf ähnlichen Veranstaltungen.
Wir mischen uns von der Bühne runter auch selber und haben uns gerade das Behringer X32 gekauft. Das kann ja ähnliches, Hattet ihr das auch in der Auswahl? Wenn ja, was gab denn dann den Ausschlag für das Presonus?
 
Hallo Jochen,
das Presonus schien uns deutlich "logischer" in der Bedienung als das X32, auch weil man keine Konfiguration über das Display machen muß. Die Anordnung des "Fat Channel" ist extrem verständlich und die traditionelle "Optik" erlaubt ja ein Arbeiten fast "wie früher" an einem analogen Pult.
Allerdings haben auch eine teilweise aus eigenen Erfahrungen begründete Skepsis gegenüber der Marke Behringer und die vielen hervorragenden Einführungs-Videos von Presonus eine große Rolle gespielt. Ich muß sagen, daß meine Begeisterung für das Pult und auch die Folgemodelle nach wie vor ungebrochen ist. Ich habe selten ein Stück PA-Equipment so gut gefunden wie dieses Pult. Ein tolles Ding.

Den anderen vielen Dank für das positive Feedback - ich werde auf jeden Fall demnächst mal mein Equipment ausführlicher vorstellen. Momentan fehlen ein paar Bilder dazu, aber vielleicht klappts schon am Wochenende.
 
Was bei meiner kleinen Nachspielkapelle so gitarrentechnisch läuft, wird euch sicher besonders interessieren. Würd es mich zumindest wenn jemand anders so was schreiben würde…

Ich habe in den 23 Jahren mit der Band natürlich schon einige Lösungen zur Verstärkung ausprobiertlen davor. Ein Rack mit mehreren Vorstufen, Röhrenendstufe, Alesis Quadraverb, EQ, Schublade, Feldbett und Trinkwasseranschluss. Ein Hughes & Kettner Triamp (was für ein Monster…). Ein Mesa Boogie Mk IV. Ein Fender Twin. Ein Princeton, beide mit Pedalen davor. Und jede Menge andere Varianten…

128 Presets Wahnsinn
Vor drei Jahren besaß ich schon mal ein Digidesign Eleven Rack (davon gibts auch hier noch einige Posts). Mit dem hab ich in der anfänglichen Faszination den gleichen Fehler gemacht wie früher mit dem großen Rack: alles geht? Na super, dann immer feste druff. Solange wir nicht mehr als 128 Songs am Abend spielen (machen wir selten…) kann ich doch für jeden Song einen eigenen Sound programmieren, oder? Cool. Also mit Ampsounds experimentiert, die Original-Aufnahmen sorgfältig angehört und mit parametrischen EQs ewig lange hin und her geschraubt. Stereo-Echo oder Ping-Pong? Oder Panning Delay? Klang alles sehr geil. Zuhause zumindest.
Die Erfahrungen auf der Bühne waren dagegen immer gemischt: manches klang klasse, manches schrecklich. Ich lernte: nicht jeder Sound setzt sich gleichermaßen durch. Mancher geht einfach unter. Entsprechend schwierig war es, die Lautstärke-Level zu balancieren. Und manche unserer früheren Soundleute mögen geflucht haben: kaum hatten sie ne Frequenzlücke gefunden, in der die Gitarre gut unterzubringen war, da wechselt der Depp da oben den Sound und plötzlich ist die Klampfe viel schriller, schärfer oder sonstwie anders.
Beim Rack war meine Konsequenz irgendwann: zurück zum Amp.
Das war auch schön. Aber irgendwie auch nicht. Den perfekten Sound gibt es ja sowieso nie, weil sonst die ganze Equipment-Branche pleite ginge. Ich wollte irgendwann doch gern die verschiedenen Zerr-Charakteristika unterschiedlicher Amps besser nachahmen können, als das mit Pedalen möglich ist. Und der Brass mit den ganzen Kabeln. Oder der Strom reicht nicht. Und die Schlepperei! Das f...Klettband, das entweder nicht klebt oder nicht klettet. Oder andere Defizite.

Weniger ist mehr. Und eleven ist weniger.
Also habe ich mir letztes Jahr nochmal ein Eleven Rack gekauft, nachdem ich doch so einige beeindruckende Aufnahmen gehört hatte. Mit den Erfahrungen vom „ersten Mal“ wusste ich diesmal sehr viel besser, wie ich damit praxisgerecht umgehe. Ein paar generische Sounds, die für die meisten Songs schon ausreichen: ein richtig cleaner Blackface-Sound, ein leicht knuspernder Bassman zwischen Clean und Crunch, ein knochiger Crunch-Plexi-Sound, ein fetter Rock-Rhythmus-Sound und eine Solo-Variante davon, mit etwas mehr Gain und mit Delay. Mit diesen fünf spiele ich etwa 80% unseres Repertoires. Dazu kommen dann noch ein paar speziellere Sounds: für „Pride“ von U2 braucht man natürlich das klassische Achteltriolen-Delay samt Solo-Variante. Für ein paar Songs ist ein Phaser wichtig (bei uns z.B. „Lost in music“ von Sister Sledge). Bei „Tage wie diese“ setze ich auch ein auf den Song abgestimmtes Delay ein. Bei „De doo doo doo“ muß natürlich ein Police-artiger leicht angezerrter Flanger-Sound her und auch „Purple rain“ ruft nach einem fuzz-artig verzerrten Solo-Sound.
Aber dabei bleibt’s dann auch, ich versuche immer, nicht zu übertreiben. Und ich versuche, die Sounds so abzustimmen, daß sie im Frequenzspektrum nicht gar so extrem auseinandergehen, damit unser Tonmann nicht dauernd hin- und herkurbeln muß.

Pimp my modeler: mit EPSi auf Warp 11
Ambitionierte Homerecording-Fans und User von Axe-FX und anderen Geräten wissen ja schon länger, wie sehr man den Sound eines Modelers aufwerten kann, wenn man als Cabinet Simulation nicht die integrierten Nachbildungen verwendet, die ja in der Regel „nur“ aus mehr oder weniger aufwendigen EQ-Presets bestehen, sondern statt dessen Impulsantworten einsetzt. Das sind „Fingerabdrücke“ von einer realen, statischen akustischen Situation, also z.B. einem Raum oder eben einer Kombination Speaker - Mikro - Aufnahmeraum. Solche „Impulse Responses“ (IR) lassen sich in der Form von WAV-Dateien in einen Aufnahmevorgang bzw. in die Erzeugung eines Gitarrensounds integrieren und übernehmen im Studio sehr oft die Rolle der Box und des Mikros. Der Vorteil ist die sehr viel größere Komplexität der Klangfärbung im Vergleich zu den nur über EQs erzeugten „Boxensimulationen“ in den meisten Modelern. Das Verfahren ist dem recht ähnlich, das mit dem Kemper als „Profiling“ bekannt geworden ist.
EPSi ist ein von der kanadischen Firma Logidy hergestelltes kleines Gerät in Form eines Fußpedal-Effektes, das nichts anderes macht als solche Impulse Responses von einer SD-Karte zu laden und „abzuspielen“, oder genauer: den am Input hineingeführten Sound über diese IR zu färben und dieses gefärbte Signal am Output bereit zu stellen. Es kostet knapp 200 € und liefert bereits viele Impulse Responses von Gitarrenboxen/Mikros mit, von denen einige sehr gute Qualität haben.
Im Eleven Rack User Forum haben einige Freaks so davon geschwärmt, daß ich mir ein EPSi gekauft habe. Und seitdem schwärme ich auch. Der Unterschied dieser Boxen-„Samples“ (so etwas ähnliches ist eine IR) zu den serienmäßigen Speaker-Simulationen im Eleven Rack ist beeindruckend. Diese wurden oft kritisiert für eine gewisse Künstlichkeit, zu hohen Treble-Frequenzanteil und ein digitales „Brizzeln“.
Netterweise kann man im 11R den Block „Speaker/Mic Simulation“ komplett abschalten und netterweise hat das 11R einen Effektweg, der stereo ausgelegt ist, wie auch das EPSi über Stereo Ein- und Ausgänge verfügt. Also einfach den Effektweg hinter den Amp-Block geschaltet, die interne Simulation deaktiviert und schon übernimmt EPSi den Job. Und alles klingt viel natürlicher, räumlicher, dreidimensionaler. Eben mehr so, wie man es von einem echten Amp in einem echten Raum gewohnt ist. Vorausgesetzt, man findet die richtige IR für den eigenen Geschmack. Aber davon gibt es schon gratis so viele Hundert im Netz und für wenig Geld noch viel mehr exzellente mit allen möglichen Speaker-Box-Mikro-Kombinationen, daß man da eigentlich fündig werden sollte.
Der Wermutstropfen: wenn man unterschiedliche Amps einsetzt, wäre es natürlich ideal, jeweils auch eine für den Amp „klassische“ Impuls Response einzusetzen. Dazu müsste das EPSi idealerweise per MIDI umschaltbar sein, was nicht der Fall ist. Der Footswitch zum An- und Ausschalten der IR ist m.E. relativ sinnlos, weil man ohne Boxensimulation ja nicht spielen mag. Will man also den Faktor Box/Speaker/Mikro ebenfalls als Teil eines Presets speichern, bleibt nur eine teurere Alternative wie etwa das Two Notes Torpedo Cab. Aber das kostet nicht nur 2,5 mal soviel wie das EPSi, es ist auch mit etlichen zusätzlichen Parametern zwar sehr viel mächtiger, aber auch viel komplexer.
Und ich habe erfreut festgestellt, daß meine bevorzugte IR für Clean-, Crunch- und Overdrive-Sounds gleichermaßen eine gute Wahl ist und immer besser klingt als die jeweilige „klassische“ Voreinstellung im 11R. Sollte das doch mal anders sein, kann ich immer noch beim jeweiligen Preset den Effektweg deaktivieren und den Speaker-Mic-Simulation-Block wieder aktivieren und das Ganze so abspeichern, d.h. ich muß beim Soundwechsel nichts zusätzlich umschalten.
Das EPSi bringt das 11R m.E. auf eine Stufe mit dem AxeFX, was die Amp-Sounds angeht. Bei den Effekten ist es spartanischer, aber die Grundsounds gewinnen unglaublich durch die IR-Technik. Und das für deutlich weniger Budget.

Die Wahrheit ist im Ohr: wer nicht hört, kann auch nicht spielen
Die Wahrheit ist im Ohr, so könnte man in Anlehnung an den Fußball-Slogan sagen. Was nützt mir der schöne Modeler, wenn ich ihn auf der Bühne nicht gut verstärken kann? Die Diskussion um FR FR (full range flat response) hatten wir ja hier auch schon öfter. Wenn ich meine Sounds zuhause mit Nahfeldmonitoren erstelle und dann live durch eine klangfärbende Aktivbox schicke, steh ich dumm da. War lange so - und letzten Endes war das digitale Pult (siehe erste Folge dieses Blogs) der Schlüssel zur Zufriedenheit. Das hat nämlich für jeden Aux-Weg einen eigenen 4-Band Parametrik-EQ. Und mein Monitor ist ein eigener Aux-Weg. Damit ist es leicht, den Klang der Aktivbox zu „linearisieren“. Erst recht bei Zuhilfenahme eines Messmikrofons und des im Pult eingebauten Real Time Analysers.
Das war für mich letzten Endes der Grund, auf einen Modeler zurück zu wechseln: mit dem alten, kleinen Powermischer ohne eigenen EQ im Weg hätte ich das sicher nicht gemacht. Jetzt kann ich aber den Klang so gut kontrollieren, daß das was ich zuhause vorprogrammiere auch mit ziemlicher Sicherheit live passt.

Zur Erhöhung des Komforts und Tempos bei Auf- und Abbau habe ich mir jetzt eine 19“-Rackblende zusammengeschraubt, die an der Vorderseite des Racks Anschlüsse für Strom (arretierbarer Kaltgerätestecker), Stereo out l/r (XLR-Buchsen), Expression Pedal Input (arretierbarer Klinkenstecker) und USB (für die Verbindung zur Fußleiste) bietet. Alles intern fest verkabelt. Ich muß also die Rückseite meines Rackbags gar nicht mehr öffnen und im Dunkeln nach Anschlüssen oder Buchsen tasten, sondern habe in maximal einer Minute alles verkabelt und bin spielbereit.

Meine Erfahrung ist also: Modeling ist für mich dann eine gute Lösung, wenn ich die Wiedergabe gut kontrollieren kann. Das Eleven Rack mit dem EPSi ist für mich der derzeit beste Kompromiß aus Klangqualität, Preis und Bedienbarkeit, ich bekomme von anderen Gitarristen durchweg positives Feedback zu den Sounds und bin sehr zufrieden mit der Kompaktheit des Setups. Ist alles sehr fix auf- und abgebaut und leicht zu transportieren.

Schon erstaunlich, wie das gleiche Stück Equipment früher zum Frust führte und heute problemlos funktioniert - weil die Rahmenbedingungen dafür besser passen. Es ist also manchmal nicht nur das eigene Equipment, sondern der Kontext, in dem man es einsetzt, der entscheidet, ob das Resultat gut oder mittelmäßig wird.
 
Danke, Markus - immer wieder sehr interessant zu lesen!
Vor allem dein Schluss-Satz gehört dick unterstrichen... :))
 
Hallo Markus,

interessant zu lesen, wobei ich es wahnsinnig finde, welchen immensen technischen und "programmiermäßigen" Aufwand du betreibst.

Was ich mich frage: Wie konnten wir damals mit einem geringen technischen Aufwand mit ner Gitarre, nen einfachen EQ als Solo-Booster in einen 2204er Halfstack, (die Sounds von clean bis "Metal" wurden einfach über das Volume-Poti an der Gitarre geregelt), ohne In-Ear- oder andere Monitor-Lösungen und dem Fehlen von Multi- oder Rack-FX überhaupt live spielen? ;-)

Geht das heutzutage überhaupt noch? :shrug: :kratz: :shrug:
 
hi rokett,
gute Frage! Hier wird ja auf diese Frage meist (und nicht ganz unberechtigt) geantwortet, daß man sich halt mehr auf die Musik und weniger auf die Technik konzentrierte. Find ich auch eine legitime Antwort. Aber ganz ehrlich: Gitarre ist so ein sinnliches Instrument und der Genuß eines stimmigen Gitarrensounds macht so ein Vergnügen, daß ich es mir einfach gönnen möchte, bei diesem meinem einzigen Hobby perfektionistisch zu sein. Ich denke, das teilen auch die meisten der hier Anwesenden.
Solange man nicht anfängt zu glauben, der tolle Amp/Effekt/Sound würde einen automatisch zu nem tollen Gitarristen machen (und man müsste nicht mehr üben), ist alles gut, finde ich.
Wobei ich witzigerweise meine jetzige Lösung als extrem wenig aufwendig beurteilen würde - im Vergleich zu den Zeiten mit dem großen Rack oder denen mit dem großen Pedalboard. Der Aufwand steckt halt heute mehr in Chips (im Modeler und im Mischpult) und früher steckte er mehr in voluminöser Hardware, Kabeln, Boxen, Schaltern usw.
 
rokett schrieb:
Was ich mich frage: Wie konnten wir damals mit einem geringen technischen Aufwand mit ner Gitarre, nen einfachen EQ als Solo-Booster in einen 2204er Halfstack, (die Sounds von clean bis "Metal" wurden einfach über das Volume-Poti an der Gitarre geregelt), ohne In-Ear- oder andere Monitor-Lösungen und dem Fehlen von Multi- oder Rack-FX überhaupt live spielen? ;-)

Geht das heutzutage überhaupt noch? :shrug: :kratz: :shrug:
Das kommt doch immer drauf an, was man für Musik macht, und was man selbst für einen Anspruch hat:
In einer Top40-Band, wo Du ohne Not "Atemlos", "I will survive", "Moves like Jagger", "Highway to hell", "Tage wie dieser", "Californication" und "Enter sandman" im Programm haben kannst, wird man mit dem 2204 + Boost sicher Abstriche machen.
Gerade bei so Disco-Nummern (zB Bruno Mars oder EW&F) wird der Marshall nur schwer diese typischen ChackaWacka-Cleans liefern können.
Bei einer kernigen Rocktruppe, die AC/DC, Guns ´n Roses, Who und Black Crowes covert, wirst Du mit dem Marshall-Rig alles richtig machen ...
 
Hallo!

Schöne Berichte, gerne mehr davon!

Mir fällt auf, dass das Thema Monitore einen immer breiteren Raum einnimmt, einige gestalten sich sogar ihr Monitormixe selbst. Dabei lese ich dann so Sachen wie "brauche nur Bass und ein bißchen Gesang, bloß keine Keyboards."

Ich verstehe nicht ganz, warum. Ich möchte doch die gesamte Band hören, weil ich gerne höre, was die Band spielt? (Kleine Anekdote am Rand: Ein Schlagzeuger sagte genau den Satz oben, er meinte, dass das Timing der Keyboarderin so schlecht sei, dass er selbst beim Zuhören aus dem Takt käme, wenn er sie auf dem Monitor hätte.)

Warum wollt ihr nicht alles auf dem Monitor?

Gruß

erniecaster
 
erniecaster schrieb:
Hallo!
......
"brauche nur Bass und ein bißchen Gesang, bloß keine Keyboards."

......

Warum wollt ihr nicht alles auf dem Monitor?

Gruß

erniecaster

Muss ich überlesen haben...kann ich so nicht finden...

Aber ein Grund könnte sein, dass sich die Monitore so überschneiden, dass ich das Keyboard auch trotzdem gut höre (aus einer anderen Monitorbox).

Beim Gesang sieht es so aus. Wenn man 5 Stunden singen muss dann MUSS man sich so gut hören, dass man entspannt singen kann. Sonst is die Stimme weg. Das spielt bei kürzeren Auftritten keine so grosse Rolle.

LG
Auge
 
Bei uns in der kleinen Nachspielkapelle ist das völlig unterschiedlich von Musiker zu Musiker:
- ich habe meist nur meinen Gesang und meine Gitarre drauf
- unsere Sängerin hat gern alle Backing vocals bißchen mit dabei und manchmal auch etwas keyboards
- unser Keyboarder braucht auch alle Gesänge, seinen Gesang und das Keyboard. Und er braucht die volle Dröhnung: in ear monitoring UND ein zusätzliches Sidefill
- Unser Bassist steht hinter dem Keyboarder und stöhnt immer, daß das Sidefill zu laut ist. Der braucht nix und findet eh, Sound wird überbewertet. Groove, Mann!! Lern spielen, dann brauchste keinen Monitor!
- Unser Trommler braucht seinen Gesang brettlaut (klar, er muß ja auch das Drumset übertönen, die Sängerin und die Gitarre - der Mann hat Geschmack)
- Trompeter/bvoc braucht seinen Gesang "...und bitte keine Trompete!!")
- der Saxer braucht das Sax
Allgemein gilt: alle hören von den anderen akustisch bzw. durch deren Monitore schon recht viel. Ich brauch z.B. nie Keyboards, selbst dann nicht, wenn der Bassist und ich im Lauf des Gigs das Sidefill auf fast Null runtergedreht haben (ohne daß der Keyboarder was gemerkt hätte...)
 
Moin.
Ich brauche über den Monitor harmonische und rythmische Kontrolle, wenn ich die nicht ohne kriege.
Im Akustikduo sind das also erstmal beide Gesänge, je nach Bühne kommen Bass/Gitarre dazu. Meist reicht aber die Bühnenlautstärke und das was aus der PA kommt.
In einem Rockbandsetting: Mein eigener Gesang und evtl meine Gitarre. Wenn Harmoniegesang gefragt ist, brauche ich auch die anderen Sänger. Und wenn ich nicht selbst Gitarre spiele, brauche ich den Gitarristen(wenn der nicht schon die Bühne mit einem Amp beschallt) oder den Bass für die Tonartzuordnung. Meist lasse ich mir etwas HiHat auf den Monitor geben, Kick und Snare sind idR laut genug.
"Alles auf den Monitor" kenne ich nur bei "Sidefill" Nutzung. Und da kommt auch nur das drauf was nicht von alleine laut genug ist. Also Gesänge, Akustische Gitarren(DI-EGitarren) und Keys. Dann noch einen Monitor nur für den Gesang in die Mitte und ich komme super klar.
So ähnlich biete ich bei kleinen Festivals gerne einen Monitormix an. Das geht dann auch mit alten Analogmischern, die zuwenig Auxwege haben:
Aux1 wird der Sänger in der Mitte/Front
Aux2 die zweite Reihe - der Schlagzeuger/Keyboarder/Bassisten
und aus einem Stereoausgang werden die äusseren Frontmonitore mit dem Summensignal beschickt(nicht so laut).

Hat man nur 2 Monitore zur Verfügung: Der Sänger/Frontmensch kriegt seinen eigenen Monitor und der Rest der Band eine Box als Sidefill(von schräg Vorne auf die Band zeigend, auf Ohrhöhe NICHT am Boden).
Gruß
Ugorr
 
Musical Musical

Von Zeit zu Zeit wechseln vier Mitglieder unserer Nachspielband mal die Rollen. Dann stehen wir nicht auf der (Haupt-)Bühne, sondern sitzen davor oder daneben und agieren als Live-Band für Musical-Aufführungen. In Bodenheim (bei Mainz) gibt es einen Theaterpädagogen, der seit Jahren immer mal wieder Stoff aus der Bodenheimer Geschichte in Form kleiner Musicals verarbeitet, für die er ein Drehbuch schreibt und deutschsprachige Rock- und Popsongs entweder im Original oder in leicht umgetexteter Form auswählt. Aufgeführt wird das Ganze von einer völlig gemischten Truppe aus rund 50 Akteuren aus Bodenheim im Alter von 8 bis 80. Alles blutige Laien, sowohl vor als auch hinter den Kulissen, aber durch mehrere gemeinsame Aufführungen mittlerweile doch in etwas routinierter Form. Aufgeführt wird immer an zwei oder drei Abenden kurz vor Weihnachten mit mittlerweile recht großem technischem Aufwand (drahtlose Kopfbügelmikrofonie für alle Akteure, zwischen 300 und 500 Zuschauer pro Aufführung, eigener DVD im Nachgang usw.).
Das erste Musical war 2004 eins zur Geschichte der Auswanderung aus Bodenheim in die USA, weil im 19. Jahrhundert tatsächlich bemerkenswert viele Bodenheimer in die „Neue Welt“ gingen. 2005 wurde es wegen des großen Erfolges im Sommer nochmal open air aufgeführt. 2012 folgte dann ein Musical zum Konflikt der Bodenheimer mit den einmarschierenden französischen Truppen kurz nach der französischen Revolution und in diesem Jahr gibt’s ein inhaltlich sehr heftiges Thema: die Geschichte der Hexenverbrennungen in Bodenheim.

Edit: wer darüber genaueres lesen möchte, schaue mal hier: http://www.theatour-bodenheim.de

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Alle Grundzüge der Geschichten und alle zentralen Figuren sind historisch belegt, Fiktion ist nur das „Drumherum“, die Randgeschichten und Details, die das Ganze unterhaltsamer machen.

Vorbereitung: Raushören macht Arbeit
Die Musik der Musicals stammt oft aus der Feder von Peter Maffay (das garantiert mir viel Spaß mit den Gitarrenparts), Heinz-Rudolf Kunze oder auch mal Künstlern wie Yvonne Catterfeld, Luxuslärm oder Tim Bendzko. Wir bekommen ein halbes Jahr vor der Aufführung eine CD mit den Songs, hören sie uns raus und proben einige Wochen vor den ersten Gesamt-Proben das Ganze unter uns. Erschwerend kommt dazu, daß wir diese Projekte nur zu viert machen (drums, bass, git, keyb), was bei komplexen Arrangements erhebliche Fähigkeiten in der Prioritätensetzung erfordert.
Besonders krass war das im vergangenen Jahr, als wir für eine ähnliche Laientheatergruppe aus einem anderen Ort in der Nähe das ABBA-Musical in einer rheinhessischen Fassung umgesetzt haben. Wenn jetzt der eine oder andere Gitarrenrock-Fan die Nase rümpft, kann ich nur sagen: hört euch mal die Arrangements der ABBA-Klassiker an, da staunt man, wie komplex und vielschichtig das alles ist. Mehrere verschiedene E-Gitarren, oft auch harmonisierte Soloparts oder Linien, Akustik-Gitarren, Streicher, Bläser, Piano, Hammond, Synthi-Sounds, Percussion ohne Ende und natürlich die Mehrstimmigkeit der ABBAs plus zusätzliche Chor-Parts - es wäre kein Problem, damit 15 Leute zu beschäftigen. Das runter zu stricken, ohne daß es peinlich klingt, ist sehr schwer. Da greift man dann auch mal zu ungewöhnlichen Methoden, z.B. kauft man einen Digitech HarmonyMan, um intelligentes Harmonizing bieten zu können, man spielt im Chorus Gitarre und in der Strophe Keyboards oder ähnliches. Aber es geht - alle Songs klangen recht authentisch, und die Musiker im Publikum bestätigten uns, daß man an keiner Stelle dachte: oh, das ist aber jetzt arm!

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Bei Maffay ist es meist einfacher und gitarrentechnisch sehr vergnüglich. Da darf man mit verschiedenen Gitarren arbeiten, mit Vox-, Plexi- oder auch mal Rectifier-Sounds, es gibt klassische Riffs und rockige Soli, das macht Laune.
Wie gehen wir dabei vor? Erst mal arbeitet jeder individuell an den Parts für sein Instrument. Bei mir bedeutet das meist auch gleich, zu überlegen, welche Parts ich spiele und welche ich weglassen muß - oder unserem Keyboarder aufs Auge drücken kann. Dann schreiben wir Leadsheets und ich checke als nächstes mit dem Regisseur, ob wegen der gesanglichen Möglichkeiten der Sänger Transpositionen erforderlich sind. In diesem Jahr haben wir da Glück gehabt, es ging ohne Verlegungen in „böse“ Tonarten ab. Und die CD enthielt schon mehrere Songs in angepasster Tonart (pitch transpose macht’s möglich). Das führte zu dem lustigen Detail, daß ich dachte: „Ui, die (mir bis dato unbekannte) Band Luxuslärm hat aber nen Sänger mit ner komischen Stimme…ganz guttural!“ Und irgendwann hab ich die Band gegoogelt, die Originalversion von „Wirf den ersten Stein“ gefunden - und gemerkt, daß der Sänger eine Sängerin und der Song eigentlich ne Terz höher ist…!
Nach dem individuellen Vorbereiten proben wir die Songs zusammen durch und bereiten uns darauf vor, gegebenenfalls Background-Gesang zu übernehmen. Das Durchspielen ohne Leadgesang ist übrigens eine super Übung - man muß sich vielmehr auf die Abläufe konzentrieren und man hört wegen des fehlenden „Vordergrunds“ einfach mehr Details der Instrumente. Kann ich nur empfehlen, auch für andere Zwecke!

Wer probt, hat Angst?
Etwa 3-4 Wochen vor der Aufführung gibt es dann mehrere lange Proben mit den Sängern. Dann bekommen wir mit, wer welchen Song singt - und wie routiniert er/sie damit umgeht. Das Level ist völlig unterschiedlich, was von uns dann auch fordert, daß wir die weniger versierten stützen und führen, damit sie sich zurecht finden. Und die wenigsten dieser Hobby-Sänger sind es gewohnt, mit einer Live-Band zu spielen und über ein Mikro zu singen, weshalb da „Markus’ kleine Grundlagenkunde der Mikrofonhandhabung“ immer gefragt ist. Vor allem aber: wir müssen in der Lage sein, leise zu spielen, um die Leute nicht an die Wand zu nageln. Aber grooven soll’s natürlich trotzdem! Und wenn einer mal aus der Bahn fliegt, müssen wir dafür Sorge tragen, daß er oder sie möglichst schnell und unauffällig wieder in den Song findet. Da wir seit 20 Jahren sehr eingespielt sind, geht das zum Glück ganz gut und wir bekommen immer sehr viel positives Feedback von der Musicaltruppe („gut, daß ihr das wieder mit uns macht, das ist echt beruhigend…“).

Technik wie bei den Großen
Die Woche vor den Aufführungen ist dann voll mit Aufbau und Band-Soundcheck (ein Abend), Hauptprobe mit komplettem Durchlauf (2. Abend), Generalprobe (3. Abend) und Aufführungen (bei ABBA waren es drei, sonst meist zwei an Fr und Sa abend).
Das Presonus-Mischpult, das ich in einer früheren Folge schon mal vorgestellt habe, hat für diese Events besonderen Nutzen: wir bringen unseren Tonmann Andre mit, der übernimmt den Band-Mix, wir geben die Stereo-Summe ans FOH-Pult. Dort sitzen meist 2 Techniker, die an den Abenden mit den ständig wechselnden Drahtlosmikros der Darsteller und Sänger schon alle Hände voll zu tun haben. Deswegen setzen wir Andre mit dem iPad daneben, der dann die Band übernimmt und per WLAN immer noch Zugriff auf alle Kanäle, EQs usw. hat, auch wenn am Hauptpult nur unsere Stereosumme verarbeitet wird. Die FOH-Techniker können also alles beeinflussen (über ihn und das iPad), müssen sich aber auch nicht so intensiv darum kümmern. Für alle Seiten eine tolle Lösung: wir haben unsere gewohnten Monitorwege (auf die wir auch die Summe der Darsteller- und Gesangsstimmen zusätzlich bekommen, um uns zu orientieren), Andre kennt die Band und den Sound und bereitet sich ebenso vor wie wir das tun, indem er die Songs anhört und die FOH-Techniker haben weniger Streß.

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Für uns hat diese Musicalwoche einen großen stimmungsvollen Reiz - ich weiß nicht, ob ihr das nachempfinden könnt, und vielleicht klingt es auch ein bißchen albern, aber so ist es nun mal: wenn die Technik steht, das Bühnenbild, die Besucherstühle und das Licht, wird aus einer normalen Sporthalle schon ein wenig ein Musicaltheater. Und wir fühlen uns ein kleines bißchen wie die „Profis“, die in Hamburg, Berlin oder Stuttgart sowas „in ernst“ machen und sich am frühen Abend an ihren Arbeitsplätzen einfinden. Wir verbringen die gesamten Abende der Woche in der Halle, es wird immer „ernster“ und meist stellt sich dann auch eine gewisse Routine und Sicherheit ein, die dann zur Premiere nochmal durch erhebliche Anspannung konterkariert wird. Wenn der erste Abend rum ist, steigt meist die Euphorie (auch wenn’s Fehler oder Pannen gab), man bespricht anschließend vielleicht nochmal das eine oder andere Detail, ändert was am Sound oder gibt dem einen oder anderen Sänger nochmal einen Tipp - und fühlt sich wie ein „arbeitender“ Musical-Musiker.

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Der Gong ertönt...los geht's!
Jetzt (also: heute, 19.12.) haben wir gerade die Generalprobe am gestrigen Abend hinter uns. Die war so, wie man sich eine Generalprobe wünscht: grundsätzlich ging fast alles richtig gut, eine fette Panne (hier technischer Art, Kollision mehrerer Funksysteme) sorgte dann aber auch dafür, daß das schlechte Omen gebannt werden konnte (gute Generalprobe = schlechte Aufführung).
Zur Aufführung kommen 12 Songs, eine bunte Mischung. Ich werde morgen nochmal einen Post schreiben, in dem ich über die Songs und unsere Herangehensweise beim Arrangement etwas mehr schreibe. Jedenfalls darf ich nach Herzenslust zwischen Strat, Les Paul, 6saitiger und 12saitiger Akustik wechseln, habe sowohl ganz sensible Balladen als auch krachende Rocknummern zu spielen und das erfordert volle Konzentration.
Aber wenn dann die Hexe auf dem Scheiterhaufen steht, ist die Musik dann doch mal gerade kurz egal...wow, das wird ein Spektakel!

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Edit: warum stehen ein paar Bilder auf dem Kopf? Bei mir am Rechner sind sie richtig rum...nur im Post falsch...das hatten wir doch schon mal, oder?
 
Die Songs des Musicals "Hexe - de Deibel soll se hole"
Ich hoffe, es interessiert den einen oder anderen, mal zu lesen, wie ich an die Songs herangegangen bin und was wir beim Raushören und Proben so überlegt haben. Falls ihr das langweilig findet, wäre ich für dezente Hinweise per PN sehr dankbar ;)

1. Bangert / Kuckuck
Ein Song aus "Tabaluga", der im Original "Kuckuck" heißt und uns in einer Live-Version mit Laith Al-Deen vorliegt. Pssst...mal ins Original reinhören?
Sehr geile Nummer mit Aktentaschen-Beat, beeindruckendem Gesang von Laith Al-Deen und fetter rockiger Gitarre, ein bißchen Country-inspiriert, wie mir scheint. Ich habe länger gebastelt, um einen passenden Sound zu erzeugen und wurde dann mit einer Tele (Steg-PU) und einem mittelstark zerrenden Vox AC 30 fündig. Mich würde interessieren, ob Ihr das auch so seht oder eine andere Kombination wählen würdet.
Weil es mir zu aufwendig schien, die Tele auch noch mitzunehmen (neben Strat und Krautster), spiele ich das jetzt mit dem Steg-PU der Strat.
Schöner instrumentaler Zwischenteil mit kurzem Slap-Bass-Solo und Publikumsanimation.
Im Musical heißt der Song "Bangert". Für Nicht-Rheinhessen: das spricht man "Bong-gert" aus und es bedeutet "freche, übermütige, Jungs, die Streiche spielen" - und genau solche kommen im Stück vor. Der Text wurde entsprechend angepasst.
Die größere Änderung ist aber die Transposition: da der Sänger im Musical eine gute, aber sehr tiefe Stimme hat, wird aus der Originaltonart G-Dur für uns C-Dur. Nach einiger Eingewöhnung lässt sich das genauso gut spielen, die Fills und Riffs liegen halt einfach ganz woanders.
Im Original ist ziemlich dezent gemischt auch noch eine Akustik-Gitarre zu hören. Also haben wir kurzerhand einen Freund aktiviert, der bei früheren Musicals schon mitgemacht hatte. Er spielt bei diesem und noch einem anderen Song eine schöne, dezent-flächige Strumming-Akustikgitarre.

2. Tanz mit mir (Faun)
Schon so eine typische Nummer, für die wir uns in unsrer kleinen Quartett-Besetzung ein wenig strecken müssen. Total mittelalterlich instrumentiert, beginnend mit irgend so einem Ostinato-artigen Akkord von ich weiß gar nicht welchem Instrument.
Da unser Keyboarder mit den diversen Flötenmelodien schon gut eingedeckt ist (teilweise beidhändig und mit unterschiedlichen Sounds), kann er das nicht mit dem Synthi spielen. Also nehme ich einfach die Strat auf der hinteren Zwischenposition und spiele power chords, aber nicht mit Plek, sondern mit den Fingern, damit es etwas dumpfer klingt. Das klingt natürlich nicht genau wie im Original, ist aber live doch gut umsetzbar. Es füllt ein ähnliches Frequenz-Spektrum.

3. Ja ja (Luxuslärm)
Das ist die für mich ehrlich gesagt schwierigste Nummer. Durch den gesamten Song zieht sich ein Arpeggio, das ziiiemlich fehleranfällig ist. Ich kann kein "sweep picking", spiele das also mit alternate picking und muß deshalb höllisch konzentriert sein. Soundtechnisch ist das dafür recht einfach: Strat Halspickup, angezerrter Bassman- oder Plexi-Sound. Im Zwischenteil spiele ich eine Variation des Sounds mit langem Delay. Gegen Ende des Songs heißt es besonders aufmerksam sein, weil die Sängerin (wie alle eine reine Hobby-"Sängerin" aus Bodenheim, die keine live-Erfahrung hat) manchmal mit den adlibs durcheinander kommt und dann das Ende an anderer Stelle vermutet…wir versuchen in solchen Momenten möglichst gut auf die Sänger einzugehen und "beharren" nicht darauf, daß unser Ablauf der richtige ist. Das kann man machen, wenn man mit Leuten arbeitet, die nach einem Ausrutscher wieder in den Song zurück finden - aber hier geht’s nur so, daß wir uns nach den Sängern richten. Zum Glück ticken Alex, unser Drummer, und ich hier ziemlich gleich, so daß wir schnell in der gleichen Spur sind.

4. Unbeliebt (Heinz-Rudolf Kunze)
Juhu, eine Nummer mit Akustikgitarre! Als Intro ein schönes Picking-Pattern, dann durchgängig Strumming. Bei solchen Patterns bin ich immer wieder überrascht, wie gut es möglich ist, schon beim reinen Zuhören (ohne paralleles Mitspielen) die Griffmuster zu erkennen. Als ich den Song erstmals richtig anhörte, dachte ich: ok, eindeutig G-Dur, Wechsel auf D-Dur, dann C-Dur mit e im Bass. Als ich die Gitarre in die Hand nahm, merkte ich natürlich: es ist nicht G-Dur, sondern Bb, aber mit Capo im 3. Bund ist man schon daheim. Sowas ist dann meist ein billig gemachter Punkt, weil es uuunglaublich original klingt…;)
Ich bin eigentlich kein großer Fan von Heinz-Rudolf Kunze, aber dieser Text hat echt witzige Passagen: "ich zahl meine Steuern, doch ich steure die Zahlen, ich wurde geboren in Ost-West-Falen…"
Für unser Musical mit den Laiendarstellern zeigte sich, daß es dem guten Stefan, der den Song übernehmen sollte, schwer fiel, so viele Textsilben in der kurzen Zeit sauber auszukauen. Also haben wir das Tempo ganz sacht reduziert, ohne dem Song den Drive zu nehmen.
Und Alex und ich dürfen auch wieder Chor singen…nett!

5. Wirf den ersten Stein (Luxuslärm)
When Pop goes heavy…der Song hat eine schön sägende Recti-Gitarre mit treibenden Achteln im Refrain. Strophe und Refrain selbst sind eigentlich nix wildes. Der Zwischenteil wird schon interessanter: nach einem unisono-Riff von Bass und Gitarre kommt ein Break und der gleiche Lauf nochmal von einem verfremdeten Bass (Modulationseffekte, Plektrum, relativ dünn gemischter Sound). Dummerweise gehört unser Basser Frank eher zur Kategorie "Sound wird überbewertet, spiel, du Depp!" und weigert sich strikt, hier zum Plektrum zu greifen. Von Modulationseffekten hat er eh noch nie gehört ("Des is fer Kinner, so wie dich! Her mer bloos uff!"). Also landet das Riff bei mir. Ich setze am Eleven Rack diverse Hebel in Bewegung (Flanger, EQ) und komme tatsächlich einigermaßen in die Nähe des Sounds.
Schwierig ist dann allerdings, daß direkt danach ein Powerchord kommt, von dem ich den Eindruck habe, daß er auf zwei Saiten (h und g Saite) mit den Fingerkuppen gespielt wird, und zwar in Achteln, was beim Tempo des Songs schon flott ist.
(Vielleicht hört ihr das ja anders? Würde mich sehr interessieren, ob ihr das auch so spielen würdet oder anders)

6. Angst (Zeit / Peter Maffay)
Der Song heißt bei Peter Maffay "Zeit", im Musical wurde er textlich verändert und in "Angst" umgetauft. Weshalb die mp3-Datei, die ich bekommen habe, den Namen "Revolution" trägt, weiß ich auch nicht ;)
Auch hier wieder eine recht deftige Riff-Gitarre in der Strophe, die sich mit dem Gesang abwechselt, unter dem die Gitarre dann noch die Basstöne spielt. Ansonsten relativ klassische brat-Rock-Gitarre mit sattem Marshall-Sound und sehr klischeehafter, aber geiler Bridge (absteigende Basslinie über gleichbleibendem Riff). Eine schnell gemachte Nummer. Der einzige notwendige Kompromiß besteht darin, daß wir live nicht die gedoppelte (oder gedreifachte?) Gitarre 1:1 nachbauen können. Aber der Song klingt auch so dicht und fett genug.

7. Rette mich (Peter Maffay)
Diesmal ist die akustische Gitarre eindeutig eine 12saitige. Praktisch, hab ich mir doch gerade eine Guild-Kopie von Harley Benton geleistet (die hier: https://www.thomann.de/de/harley_benton_custom_line_clj_412e_nt.htm). Prima, da wird das Gitarrenregal beim Musical doch so breit, daß mich jeder für nen Profi hält. Oder für nen Aufschneider ;)
Auch hier lag unser Augenmerk eigentlich mehr auf dem Chorgesang, weil der zum breiten, sphärischen Eindruck des Refrains sehr viel beiträgt. Mit zwei Stimmen ist das natürlich auch nur ansatzweise zu schaffen, aber immerhin.
Dann hatte ich aber doch den Eindruck, daß gegen Ende des Songs ein wenig die Steigerung fehlt. Schließlich kommt im Original ja nach dem Zwischenteil noch eine oder mehrere fette E-Gitarre rein. Udo, unser Aushilfs-Akustikgitarrist, kam allerdings mit der 12saitigen nicht klar. Also dann doch die große Lösung: anfangs spielen wir mit zwei akustischen Gitarren (er die 6saitige, ich die 12saitige), dann spielt er den Zwischenteil alleine (die gedämpften Akkorde) und in diesen 8 Takten stelle ich die 12saitige ab und greife die Strat mit schönem dick angezerrten Vox-Sound. Ist sowas Aufschneiderei? Keine Ahnung. Aber ich find es einfach für den Song die beste Lösung: wir haben am Anfang das breite, flächige Element durch die zwei akustischen Gitarren und am Ende den Druck und die schmutzige Power der E-Gitarre dazu.
Außerdem sitzen wir eh an der Seite und außerhalb des Blickfelds der meisten Zuschauer.
Solche Arrangement-Maßnahmen finde ich das Reizvolle an diesen kleinen Musical-Projekten. Mit vier bzw. fünf Leuten ein Klangbild zu zaubern, was nicht nur gut klingt, sondern auch alle wichtigen Steigerungen enthält, so daß die Sänger das Gefühl haben, nah am Original zu sein und die Zuschauer nicht gelangweilt werden. Und uns selbst macht’s ja so auch Spaß.

8. Falsche Propheten (Peter Maffay)
Wieder eine richtig klassische Rock-Nummer mit Powerchords im Refrain und single note-Riff in der Strophe. Das Gitarrensolo nach dem ersten Refrain hat ein grausam schönes Leslie. Das habe ich mir dann doch erspart und statt dessen einen klassischen Rocksound mit Delay eingesetzt. Ansonsten gibts zu dem Song nicht viel zu sagen, außer daß die Akkordfolge im Refrain am Ende gefährlich variiert wird. Hingucken…!

9. Ich laufe (Tim Bendzko)
Uuuh, Tim Bendzko ist ja so gar nicht meins. Ich mag die Art seines Gesangs nicht. Naja, Gesang…die mit Melodie gesprochenen Worte…;) Aber ich muß sagen, dieser Song hat mit jeder Probe ein bißchen mehr Faszination bei mir ausgelöst. Das unglaublich sparsame Arrangement macht ihn sehr "verletzlich", was ja zum Text passt. Wir mussten nach einigem Durchspielen erst mal wieder "zurückschalten" und alles streichen, was wir zuviel gespielt hatten. Und schon klang’s wieder authentischer. Allerdings ist sowas nicht ohne Risiko, wenn man es mit nicht so versierten Sängern zu tun hat. Felix, der den Song singt, war mehrmals irritiert, weil er dachte, wir würden nicht weiter spielen. Und wenn man dann die eigene Stimme hört und merkt: "Das ist alles, was da im Moment passiert", kann einen das auch schon nervös machen. Aber er hat sich schnell reingefunden und souverän gesungen. Und mir ist der Song immer mehr ans Herz gewachsen. Schöne Nummer!

10. Freier Fall (Peter Maffay)
Yiiihawww!! Das ist mein absoluter Lieblingssong des diesjährigen Musicals. Hört mal rein, dann wisst ihr auch, warum. Erst ein fettes drum sample, dann ein richtig geil bröselig-knarzender Tweed-Sound und dann in der zweiten Strophe ein knochiger Strat-Hals-PU-Plexi-Sound vom feinsten. Wow. Da erwacht natürlich des Soundtüftlers Ehrgeiz! Das Eleven Rack ist für solche Spielereien ein wahrer Genuß. Ich konnte gar nicht genug bekommen von diesem Song. Noch besser wurde es aber, als wir in der Probe drüber brüteten, was wir mit dem Sample-Sound vom Anfang machen sollten. Alex konnte den Groove zwar am Schlagzeug spielen - aber es klang natürlich völlig anders! Unser Keyboard-Daktari Oli grinste nur genüßlich und sagte: "Äh, ich hab das mal abgesampelt. Wir können das Sample laufen lassen und wenn das Schlagzeug einsetzt, schalte ich es einfach ab, dann gibts auch kein Timing-Problem, wenn man’s nicht mehr gut hören sollte!"
Skeptische Blicke unseres Bassisten ("Her doch uff! Sample…so’n Mist! Lern spiele!!"), aber nach kurzem Anspielen war der Drops gelutscht. Geil, das klingt fett, so machen wir’s.
Das Ganze erforderte live natürlich laute Wiedergabe des Samples auf meinem Monitorweg. Dank des Presonus mit individuellen Auxwegen für jeden Musiker war das aber kein Problem und ich konnte mich super daran orientieren.
Ansonsten prügelt der Song richtig gut durch, mit fetten Läufen und Riffs im Zwischenteil (instrumental) und unisono-Riffs von Bass und Gitarre im Refrain. Für mich der Höhepunkt des ganzen Musicals - und der Song unmittelbar vor der Verbrennung der Hexe, also auch dramaturgisch durchaus angemessen.

11. Du bleibst immer noch du (Yvonne Catterfeld)
Noch so eine "Lieblingsinterpretin"…aber sie sieht entscheidend besser aus als Tim Bendzko!
Der Song ist eine klassische L.A.-Pop-Ballade im David Foster-Stil. Klischee kann auch schön sein. Schnell mal einen Lukather-clean-Sound mit Multichorus, Compressor, Hall, Delay programmiert und dann die typischen Single-Note-Fills einstreuen. Hach, macht ja irgendwie auch Spaß. Und in der Bridge darf dann ja auch nochmal der Lukather-Rhythmus-Rocksound angeworfen werden.
Das einzige was zum Glück noch fehlen würde, wär ein schönes 8taktiges Gitarrensolo. Naja, man kann nicht alles haben. Dafür sieht Yvonne Catterfeld echt g… ach, das sagte ich schon?

So, ich hoffe, die Exkursion durch unsere Musical-Songs hat euch nicht gelangweilt. Mich würde interessieren, wo ihr abweichende Wahrnehmungen der Gitarrenparts habt oder wo ihr anders an die Stücke herangegangen wärt! Ich versuche in den kommenden Tagen auch nochmal ein paar Aufnahmen zu posten, in der Hoffnung, daß Original und "Nachbau" nicht zu weit auseinanderklaffen ;) Danke fürs Mitlesen!
 

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