Milchmädchen küsst Homo oeconomicus im heimischen Musikladen

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Anonymous

Guest
Liebe GWler!
Angeregt durch mehrere threads im Juli über die Marktlage bei Squier- und Fendergitarren und durch Beobachtungen in einem großen Musikladen in Köln Mitte August, kommt mir die folgende Milchmädchenrechnung in den Sinn.

I) Ein Händler bemüht sich, ein ansehnliches Sortiment von Fender-Teles und -Strats vorzuhalten. Lassen wir Custom-Shop-Modelle, American-Vintage-Reissues und Thinline-Teles außer Acht! Danach wird der Kunde, der sich unverbindlich einen Überblick verschaffen will, vermutlich nicht fragen. Bleiben, wenn ich recht sehe, drei Mexiko- und vier US-Serien. Gibt es bei allen Sieben unterschiedliche Korpusholz/Griffbrett-Kombinationen? Angenommen ja, dann sollte jede Serie durch mindestens zwei Exemplare repräsentiert werden. Das Milchmädchen errechnet 28 Fender-Gitarren von nur 2 Typen – eine Menge Holz, dessen Verkaufspreis pro Stück etwa zwischen 500 und 1.400 € liegt. Natürlich wird ein vernünftiger Händler nicht so schematisch einkaufen, ohne die aktuell bei ihm eintreffende Nachfrage zu berücksichtigen.
Trotzdem – wäre das Milchmädchen-Sortiment nicht doch für etliche Kunden mehr als eine große Spielwiese? Der kritische Kunde hat vor der Pirsch sein Zeitbudget und seine Preisgrenze festgelegt. Wahrscheinlich ist er außerdem durch ein paar Abneigungen oder Vorlieben gegenüber Farben eingeschränkt. Sonst hat der Homo oeconomicus keine Vorentscheidungen getroffen. Er schießt sich nach etlichen Versuchen auf zwei Gitarren ein, die in seinen Preisrahmen passen. Nun drückt ihm das Milchmädchen noch drei, vier baugleiche oder sehr ähnliche Instrumente in die Hand. Eine Stunde später schlendern die beiden knutschend in den Sonnenuntergang. Der Heimatfilm wäre hier zu Ende.

II) In einer anderen möglichen Welt geht’s weiter. Der Kunde ist nicht bis über beide Ohren verliebt. Er geht noch mal auf die Pirsch, um gezielt Exemplare aus einer, vielleicht zwei Serien zu vergleichen. Fünf Gitarren, zehn? Es muss irgendwann reichen, wenn er das neue Zeitbudget einhalten will. Der Kunde verfolgt schließlich nicht die Absicht, die Weite der Serienstreuung zu vermessen; er lebt auch nicht in dem Wahn, die beste Fender im Umkreis von hundert Kilometern erlegen zu müssen. Gute Ohren und genügend Selbstbewusstsein vorausgesetzt, wird er jedoch dies finden: ein Instrument, das zu seiner Spielweise, seinem geplanten Einsatzzweck und seinen Klangvorstellungen besonders gut passt. Dieses Exemplar hat er nicht willkürlich herausgepickt, sondern nach einigen Vergleichen begründet ausgewählt.

III) Auch das Szenario II ist leicht rosarot gefärbt. Denn, wie viele kleine Händler können es sich leisten, das Milchmädchen-Sortiment in den Laden zu stellen?
Aber könnte der Kunde ohne Milchmädchen-Sortiment die Serien mühelos miteinander vergleichen? Könnte er ohne diesen Vergleich zielsicher in Szenario II eintreten? Würde er es ohne den Kuss des Milchmädchens überhaupt versuchen?
Wo kämen wir hin, wenn der Kunde bei jedem kleinen Händler ein halbes Dutzend baugleicher Standardgitarren begutachten könnte! Das Fender-Marketing (bspw.) wirkt dem entgegen.
Natürlich verfolgt eine Vermarktungsstrategie in erster Linie wichtigere Ziele. Es kommt mir aber so vor, als ob der konzernartige Anbieter Fender einen erwünschten Nebeneffekt in seine Strategie eingebaut habe: Wir erschweren es den Kaufinteressenten, ein halbwegs scharfes Bild unserer Produktpalette zu gewinnen. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Kaufentscheidungen, denen nur wenige Vergleiche im Rahmen unserer Produktlinien vorausgingen. Dem Umsatz kann das nicht schaden.
Das Milchmädchen würde dagegen diese Forderungen erheben: Verstopft den Einzelhandel nicht mit Marketingtools wie Signatur X, Special Y oder Premium Z! Liefert stattdessen 08/15-Gitarren in rauen Mengen, made in Mexiko, made in USA! Stellt diesen Arbeitspferden zwei preisgünstige Squier-Serien entgegen! Rundet das Ganze mit ein paar Schnäppchen aus dem Custom-Shop ab!

Gruß Moby
 
Hallo GWler,

gib' beim großen T doch einfach mal in das Suchfeld

E-Gitarren und Fender ein.

Ergebnis:

E-Gitarren, Fender = 494

E-Gitarren, Fender, ST-Modelle = 272

Wow!


Gruß

Ha.Em



P.S.: In dem großen Musikladen in Köln-Mitte war ich gestern, wollte mir 'ne Gretsch und die Duesenberg CC ansehen und bei Gefallen auch tatsächlich kaufen. Zum einen wird's Zeit, dass die ihren Neubau fertigstellen, der ganze Laden ist ja sowas von verwinkelt und vollgestopft, zum anderen habe ich im Stillen für mich gedacht: Alter, das ist alles zuviel, zuviel Zirkus; und bin nach Hause gefahren - ohne Gitarre.
 

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