Wenn die wilde Horde tobt...

B

Banger

Guest
Bei meinem letzten Besuch bei meinen Eltern zeigte mir mein Vater eine Ausgabe der GOODTIMES, die einen Zeitungsartikel der Tageszeitung "Die Rheinpfalz" vom 14. April 1967 enthielt.
Ich war mal so frei, den abzutippen - die Wortwahl ist einfach zu herrlich! ^ ^

Verletzte, zerstörte Stühle und eingeworfene Scheiben gehörten zu den "Erfolgen" einer wilden Horde
Das war die bisher größte Schlacht in der Halle
"The Who" gaben dem Beat in Ludwigshafen den Todesstoß - nur "The Lords" akzeptabel

vgl. Der "Happy Jack" der "Whos's" sah einen "unlucky George". Tatenlos und mit finsterer Miene mußte Dr. Georg Böhn zusehen, wie Fans beim jüngsten "Beat-Happening" in der Friedrich-Eber-Halle "aufräumten". Über 130 Stühle, zahlreiche Verletzte, sechs zerschlagene Scheiben und ein Haufen zertrümmerter Bierflaschen waren das Resultat der bislang unerfreulichsten Veranstaltung in der Friedrich-Ebert-Halle. Wer glaubte, nach Buchmanns "Troggs-Schau" sei keine Steigerung mehr möglich, hatte die Rechnung ohne die Beat-Fans gemacht. Dr. Böhn wäre besser beraten gewesen, hätte er damals an seinem Entschluß, keine Beat-Veranstaltungen mehr durchzuführen, festgehalten. Aber nach einer letzten Veranstaltung muß es ja noch eine "allerletzte" geben: Das Gastspiel der "Who's". Allein, es wäre falsch dem jugendlichen Publikum allein die Schuld in die Schuhe schieben zu wollen. Man müßte ihm sogar ein Kompliment machen. Bis zum Auftritt der "Who's" verhielt sich das Völkchen äußerst diszipliniert, von dem selbstverständlichen Gebrüll einmal abgesehen.

Der Auftritt der unangenehmen englischen Gäste, die besser zu Hause geblieben wären, wurde ebreits recht spektakulär eingeleitet. Techniker nagelten das Schlagzeug auf der Bühne fest, "sinnvolle" Vorbereitungen wurden getroffen. Als die Urwaldmusiker endlich auf die Bühne kletterten, war die Atmosphäre explosiv. Die Fakire aus England bauten allein auf ihre Schau, von Musik kann bei übertriebener Zerhackerarbeit und nur noch stampfenden Rhythmen ohnehin keine Rede sein.
Als besonderer Gag wurden auf der Bühne Rauchbomben entzündet, dann gingen "The Who" mit viel "System" daran, ihre Instrumente zu zertrümmern und die Fragmente ins Publikum zu schleudern.

Die Antwort der Fans ließ nicht lange auf sich warten. Stühle und Verbindungsstreben flogen auf die Bühne, die Fans marschierten nach vorn. Hier kam es zum Zusammenstoß mit den Ordnern und in kürzester Zeit war eine Saalschlacht im Gange, die für Ludwigshafener Verhältnisse einmalig war.
Wüste Schlägereien, frenetisches Geschrei und durch die Luft fliegende Stühle bestimmten das Bild. Soweit hätte es allerdings nicht kommen müssen, hätten sich die Ordner etwas besser auf ihre eigentliche Aufgabe besonnen. Einige von ihnen fanden die Gelegenheit anscheinend recht passend, ihrerseits die überschüssige Kraft vom Stapel zu lassen.
Tritte ins Gesicht, das Hinausschleifen in Ekstase geratener Fans waren "Heldentaten", die in diesem Ausmaß wohl nicht erforderlich waren. Das DRK mußte mehrere Verletzte ins Krankenhaus einliefern, einen davon mit abgerissenem Ohrläppchen.

Dabei hatte alles recht zivilisiert angefangen. "The Actions", von Veranstalter Sigi mit viel provozierendem Blabla angekündigt, gefielen sich in farbenfroher Kleidung und einem mehr laut als hart geschlagenen Beat, der von dilettantischen Disharmonien strotzte. Der Sänger der Gruppe zeichnete sich durch übergroße Beweglichkeit aus, seine Kollegen standen herum wie die Ölgötzen. Da wurde ein Schlagzeug tyrannisiert, ein Mikrofon bis an die Grenzen der Zentrifugalkraft herumgewirbeld.

Rondo und Chaine brachten leicht folkloristische Einlagen, ihre Vorbilder Sonny and Cher konnten sie nie erreichen. Bei viel Melodik und spielerischem Talend, fiel die Kleidung unangenehm ins Auge. Der nächste Auftritt brachte den ersten Höhepunkt. Für die "Easy Beats" spielte die Londoner Band "Johnny's Children". Das heißt spielen ist zuviel gesagt. Miserables Zusammenspiel mit schlechter Schau und einem Sänger, dessen choreographische Ausbildung nicht über die Grundschule von Ballettoder Gymnastik herausreichte. Was sich dieser langmähnige Typ sonst noch erlaubte, hätte einem Süchtigen im vorgerückten Stadium eines LSD-Rausches alle Ehre gemacht. einpeitschende Rhythmen mit überbetontem Schlagzeug richteten einen einzigen Appell an die niedrigen Instinkte der Fans. Ein Purzelbaum auf der Bühne und zertrümmerte Scheinwerfer schlossen die miese Schau ab. Der Bandleader mußte von Saalordnern abgeführt werden.

In der Pause wurden die "besten" Beat-Kostüme prämiert. Miniröcke, kürzer als Shorts, machten bei den Mädchen das Rennen, bei den Beat-Jüngern schossen Klamotten in den verrücktesten Farbkompositionen den Vogel ab. Schade für die "Lords", daß sie ihren ersten Auftritt nach langem Krankenhausaufenthalt in einer derartigen Veranstaltung absolvieren mußten. In Uniformn der preußischen Kavallerie brachten sie als einzige Band das, was man gemeinhin von einer derartigen Veranstaltung erwartete: Beat mit der Betonung auf dem Musikalischen und einer gemäßigten Schau, die sich in den Rahmen fügte. Auch in diesem Stadium des Abends war das Publikum noch erträglich. Mit dem abschließenden Auftritt der "Who's" kam es zu den eingangs erwähnten Szenen.

Unverständlich bleibt bei all dem, daß die recht stark vertretene Polizei nicht eingriff. Wie von zuständiger Seite verlautet, war der Krawall "nicht so schlimm", als daß ein Einschreiten gerechtfertigt erschienen wäre.
Eine kaum verständliche Auffassung, angesichts dessen, was sich ein der Halle abspielte. So saß denn auch ein gutes Dutzend kräftiger Polizisten während der Tumulte in einem Aufenthaltsraum und spiele Karten.

Die Abendveranstaltung in der Ebert-Halle hatte ihre negativen Schatten schon einige Stunden vorher über den Rhein nach Mannheim geworfen. Elf langmähnige Jünglinge, die bei der späteren Vernehmung vor der Polizei aussagten, zum Beat-Abend in die Ebert-Halle gewollt zu haben, hatten sich am frühen Nachmittag in den Lauer'schen Gärten zusammengerottet und zwei Politessen in Zivilkleidung in unsittlicher Weise belästigt. Zuvor hatten sie schon zwei 15jährige Mädchen in die "Zange genommen". Bevor die Polizei eintraf, machten sich die 15, 16, 17 und 19 Jahre alten Knaben aus dem Staube, konnten aber am Wasserturm gestellt werden. Bis auf einen 17jährigen wurden sie bald wieder auf freien Fuß gesetzt.
 
Banger":1853gfdv schrieb:
Zeitungsartikel der Tageszeitung "Die Rheinpfalz" vom 14. April 1967 enthielt.

....und ich war dabei!

John´s und nicht Johnny´s Children hieß die eine Band übrigens, und der Gitarrist war ein gewisser Marc Bolan. Ich kann mich noch an den Titel "Desdemona" erinnern, der später nochmal von Marsha Hunt gecovert wurde.

In der tat war der Krawall nicht so schlimm wie in der zeitung dargestellt, und die Lords waren wohl deswegen noch am ehesten gelitten, weil sie - abgesehen von der Frisur - dem musikalischen Verständnis der Altvorderen noch ein winziges Bißchen entgegekamen. "Have a drink on me!"

Aber wir waren nicht wegen der Lords da...

;-)
 
LOL das ist ja mal cool! 40 Jahre her, zu dieser Zeit formierten sich bei uns gerade die Puhdys und man hörte überall die Les Humphrey Singers. Mexikoooooh ... :lol:

Danke, dass Du Dir die Mühe mit dem Abtippen gemacht hast.

Gruß,
Sven
 
Danke Bangus für die unterhaltsame Lektüre ...

Banger":1bbs38d1 schrieb:
... Techniker nagelten das Schlagzeug auf der Bühne fest, "sinnvolle" Vorbereitungen wurden getroffen ...

So hat man das damals gemacht? Und das hielt?
Heute benutzt man doch Beton-Anker und Zurr-Geschirr, oder übertreiben wir da ein bisschen? :lol:

Banger":1bbs38d1 schrieb:
... Als besonderer Gag wurden auf der Bühne Rauchbomben entzündet ...

Meinten die die lustigen Zigaretten, die sich die Jungs auf der Bühne anzündeten?
 

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