cucamonga schrieb:
Ich habe u.a. eine Les Paul Custom und ein ES335 etc.
die it Nitrolack lackiert sind
Die zuletzt bespielte Gitarre stelle ich immer neben dem Amp auf einen einzelnen Ständer und nicht in den großen Mehrfachständer.
Nun haben aber die meisten Einzelständer in ihren Schaumstoffen Weichmacher drin die den Nitrolack bekannterweise angreifen. Seriöse Händler wie Thoman und Musicstore weisen bei diesen Ständern auch immer darauf hin. Aucb bei denen von K & M. So suchte ich einen z.B. aus Holz etc. ohne diese Weichmacher.
In S.o.M. im Stuttgarter Zentrum erlebte ich dass der Verkäufer mir doch ernsthaft weiss machen wollte dass diese K & M Ständer keine Weichmacher hätten und Nitrolack nicht angreifen würden.
Das ist doch dreist!?!?!?
Hauptsache er hat sein Zeug verkauft und die teure Gibson des Kunden wird angegriffen ist ihm schnurz. Mit so Leuten mache ich keine Geschäfte.
Also Vorsicht vor solch "Fachleuten".
Ich merke schon, es posen hier eine Menge Leute rum, obwohl sie im Detail auch keine Ahnung haben, sonst würden sie erklären. ;-)
Also der Punkt bei diesem genannten Problem sind nicht die Weichmacher, sondern deren Wanderung bei direktem Kontakt des Lacks mit dem Schaumstoff!
Was meinen die Hersteller der Ständer also konkret:
Bei manchen(!) Nitrolacken finden sich Weichmacher im Lack, bei manchen nicht. Es gibt also Nitrolacke ohne Weichmacher. Zu nennen wäre hier bspw. der Schnellschliffgrund von Clou. Eigentlich eine Grundierung aber durch den Zuschlag von Harzen, am Ende doch auch ein Lack! Nur finden sich hier keine Weichmacher im Material, weil es gewünscht ist, dass es sehr spröde ist, um die eingelassene Holzoberfläche schön schleifen zu können.
Ganz alte elektrische Instrumente kommen in der Regel auch ohne Weichmacher aus, weil sie entweder mit Schellack (sehr harter Lack aus Naturharz der aus Schildläusen gewonnen wird) in 10 Anstrichsschichten gestrichen und aufpoliert wurden oder mit Nitrocelluloselack (ebenfalls sauspröde) ab etwa den 20er Jahren lackiert wurden. Auch diese Lacke mussten wie der Teufel poliert werden.
Mit der fortschreitenden Entwicklung der chemischen Industrie gelang die Entdeckung des Polymethylmethacrylats, dass sich mit Nitrocelluloselacken mischen ließ. Das Polymethylmethacrylat ist elastischer, was Risse in den Lacken minimierte und bei Durchtrocknung noch glänzend, was das Polieren praktisch beendete und zusätzlich konnten mit diesen Nitromischlacken höhere Schichtdicken lackiert werden, was die Arbeit um ein Vielfaches verkürzte.
Entwickelt wurden diese Lacke ab 1928. Zuerst wurden sie im Flugzeugbau eingesetzt. Ab Mitte der 30er Jahren im größeren Stil in der Automobilindustrie und eigentlich (also manchmal schon früher) erst nach dem Kriege im Möbelbau und Musikinstrumentenbau. Das heißt aber nicht automatisch, dass sie in allen Lacken sind, die mit Nitroverdünnung zu verdünnen waren! Eben genau dann nicht, wenn gar kein Polymethylmethacrylat im Lack war. Logisch! ;-)
Normalerweise müsste es ein üblicher Service sein, dass Hersteller wie Gibson, Fender & Co.KG hinweise geben, welche Modelle Polymethylmethacrylat oder andere Acrylate als Harzzuschlag besaßen.
Jedenfalls denke ich mal, dass die ersten Saiteninstrumente in den frühen 50ern damit lackiert wurden. Bei ältern Instrumenten muss man eher nicht damit rechnen.
Erst Ende der 70er- Anfang der 80er Jahr kamen dann die Polyurethanlacke (2-Komponentig) großflächig zum Einsatz. Dass es frühere Anwendungen gab mag ich nicht ausschließen. Hierbei könnte ich mir vorstellen, dass die rote (Metallik) Strat von 1963 ein PU-Lack war. Evtl. war es aber auch Polyethylen...
Diese Lacke sind beinahe frei von Acrylaten weil die anderen Harze ebenfalls elastisch sind.
Oft kann man Polymethylmethacrylat daran erkennen, dass sie leicht vergilbt sind, durch Leinölzuschläge die vergilben und dunkel werden, wenn sie unter Lichtabschluss lagern. In dem Fall wäre ich ganz vorsichtig!
Was passiert bei der Weichmacherwanderung genau:
Weiche Polymethylmethacrylatmaterialien neigen dazu, ihre weichen Acrylate an die spöderen Polymethylmethacrylatmaterialien abzugeben. Das geht zuweilen so weit, dass die weichen Materialien - also die Schaumstoffe - regelrecht zerfließen und den Lack des Instruments an der berührten Stelle regelrecht aufweichen. Fasst man an der Stelle an, dann klebt das Instument dort und der Lackschaden ist kaum ohne Radikalkur behebbar.
Es lohnt also bei älteren Instrumenten (Zeitraum siehe oben), oder auch aus dem Ostblock(!) an unwichtigen Stellen mal ein wenig vom Schaumstoff auf dem Lack zu platzieren, um dann zu schauen, ob eine Verklebung (Weichmacherwanderung) stattfindet.