schorsch27 schrieb:
...wie macht Ihr das ?
... sondern den Grobablauf von Intro, Anzahl Strofen, wer macht wie lang solo usw.
Wir hatten (in meiner vorigen Band) im Proberaum eine Tafel um daran Songsabläufe zu veranschaulichen, was allerdings in unserer progressiven Phase noch häufiger genutzt wurde. Dazu hatte ich mal einen Myspace-(haha, anybody remember that?)-Blog verfasst. Den Text habe ich hier mal zur hoffentlichen Erbauung eingeklebt. Auf Los geht's los.
Los:
Ein Musterbeispiel an aufgeräumter Anschaulichkeit ist jenes Werk:
[img:375x500]http://static.flickr.com/68/221815519_b8d1b67c18.jpg[/img]
Wie jedermann ersichtlich, beginnt das Lied mit einem triumphalen "Bklimp Tötöp", ("Bklimp" steht natürlich für "Bass-Geklimper", "Tötöp" für "Bandeinsatz"). Diese goldene Kombination erfährt im Laufe einiger Wiederholungen eine geschmackvolle Steigerung.
Ist dies geschehen, stürtzt sich der Song sogleich kopfüber in einen ebenfalls effektvoll wiederholten "Kawemse"-Teil, der - man darf es anhand des Namens "Kawemse" vermuten - ebenfalls eine Intensitätssteigerung in der Spannnungskurve des Liedes vollbringt, bevor - hier wenden wir uns abermals der Tafel zu - ein "Struhig" ankündigt, dass vermutlich eine nunmehr r
uhige
Strophe anschliesst.
Dramaturgisch meisterhaft setzt sich der Songablauf mit einer Strophe fort in der in irgendeiner mir gerade nicht präsenten Weise Gitarrist Robert eine größere Rolle spielt (die Tafel rät kryptisch "Strobert").
Anschliessend fügt sich ein - die Tafel weist den Weg - "tiefer" Teil an, der von einem nachfolgenden Refrain grandios gekontert wird.
Die Aufzeichung bricht an dieser Stelle ab und es bleibt der Nachwelt vorbehalten, zu deuten, warum eine goldfischli-förmige Gestalt den Refrain zu verschlucken droht oder ein Schaltbild eines Potis gegen Masse einem kleinen weg rennendem Männlein hinterherjagt.
Um welches Lied es sich hierbei handelt ist dem Autor dieser Zeilen nicht mehr geläufig. Es darf aber vermutet werden, dass die Band dieses Lied mittlerweile souverän beherrscht und die klare aufgeräumte graphische Darstellung der Song-Architektur an dieser Tafel eine Schlüsselrolle dabei spielte.
(Ich wurde nachträglich aufgeklärt, der Fisch sei natürlich ein Fermaten-Symbol, mit dem der Bassist unserem Sänger eine Idee im Songablauf erklären wollte. Im Laufe der Diskussion wurde die Fermate dann zu einem Fisch-Symbol mit Augenbrauen vervollständigt. Unser Sänger wird wohl verstanden haben woum es ging. Nochmal nachgefragt hat er jedenfalls nicht. Ist wohl auch besser so.)
Wenden wir uns einem weiteren, späteren Meisterwerk zu:
[img:375x500]http://static.flickr.com/69/223568923_0e0367c816.jpg[/img]
Diese den Betrachter förmlich zulächelnde Anschaulichkeit kartographierte elegant eine weitere Kreation, welche aufgrund zweier sehr fräsend klingender Gitarrenparts den Namen eines ehemaligen Küchenmixerherstellers als Arbeitstitel bekam: Moulinex
Den Auftakt erfuhr dieses Lied durch ein einleitendes "Introzumpel" ("Zumpel" ist der hier trefflich verwendete musikphilosophische Fachbegriff für "Dingenskirchen").
Eine interessante Wendung widerfährt dem Lied im folgenden Part, treffend "Hau die Ziege" genannt. Der Name lässt vermuten, dass es in diesem Teil quasi "hoch hergeht". Nach einem kurzen
Teil in der Tonart "
h" (humorig durch den Begriff "Haar-Teil" in Wort und Skizze dargestellt), begibt sich das Lied in eine perfekt harmonisierte "Haar-Teil" und "F"-Teil-Folge, bevor diese grandiose Komposition eine "Zumpel"-Reprise durchläuft (das doppelte "pp" im zweiten "Zumpel" weist unseren Bassisten darauf hin, hier die Anschläge zu verdoppeln) und sich das Werk - ja, man möchte beinahe sagen "orgasmisch" - in einem kleinen und dann einem größeren "Hau die Ziege"-Teil entlädt.
Man beachte die größere Ziegenzeichnung zur Veranschaulichung der analog dazu stärker zu gestaltenden Intensität des "Ziegenhauens" in jenem Abschnitt.
Ganz klar: Ein Meisterwerk lesbarer und übersichtlicher Gliederungsdarstellung. Hier offenbart sich die Anatomie eines Songs in klarer Linie und Stringenz.