physioblues":sg4usufl schrieb:
Hi,
woher soll er auch wissen, was Punk ist?
Punk ist doch schon lange tot, und wenn dann gibt es lokale kleine Punkszenen.
Aber diese Bands, wie oben genannt, haben mit Punk nicht so richtig viel zu tun. Sobald eine Band bei Majors ist und MTV-kompatibel wird, kann es kein Punk mehr sein. ZU viele Kompromisse bei der Produktion, zu viel Zugeständnisse an den Kommerz, zu viel Pepsi/Marlboro Light.
Dem Begriff Punk haftet so eine eigenartige Romantik an. Diese verliert sich schnell, wenn man nachts in irgendwelchen stinkenden Buden friert und außer zwei Six-Packs und ein paar Bröselchen vom Afghanen nichts mehr übriggeblieben ist. !!!
Guden Tach!
Punk ist genau so (wenig) tot oder lebendig wie Rock & Roll oder blues. Den Begriffen haftet auch eine eigenartige Romantik an. Ebenso HipHop, Stichwort Ghetto-Romantik.
Klar sind die genannten Bands Pop. Pop und Punk ist - je nach Bterahctungsweise - immer schon oder nie wirklich ein Widerspruch gewesen. Die Sex Pistols waren schon von Malcom McLAren inszeniert und durchgestyled ...
Die donots sind natürlich ein fake. Das ist so die typische Art von wenig originellen Bands, die in D nach oben kommen. Siehe auch H-Blocks oder Guano Apes. Scheußliche sachen.
Die beatsteaks dagegen touren schon ewig durch D und haben sich den jetzigen Erfolg in langen Jahren hart erarbeitet. Ziemlich real. Jet ist eh kein Punk von der Musik her. Blink 182 - keine Ahnung. Ich finde, sie haben schöne Popsongs. Ob das jetzt Punk ist, egal, interessiert mich auch nicht so brennend, die Band. Ist irgendwie Green day die 2te Version .
Der Kommerzvorwurf ist ziemlich unsinnig. Jeder will Platten verkaufen, auch Punkbands. Kaum einer weiß, wer wieviel Kompromisse dafür eingeht. Der Major/Independent Gegensatz ist auch unsinnig. Indies haben Bands genauso betrogen wie die Majors und beide tun es immer noch. Bei Indies ohne eigenen Vertrieb hat oft der Vertrieb die wirkliche Kontrolle. Jeder, der einen Standard Plattenvertrag unterschreibt, macht riesige Kompromisse.
Was eine Band braucht , die möglichst ohne Kompromisse arbeiten will, ist: Eigener Verlag, eigenes Label, eigener Vertrieb, am besten noch ein eigenes presswerk. Nur wer die Kontrolle über die Produktionsmittel hat. hat die Kontrolle über das Produkt. Und letztenendes ist es ein Produkt, more or less, so weh es auch tut. Inwieweit man sich selbst zum Produkt machen will, ist am Anfang erstmnal die eigene Entscheidung. Ein wenig Prostitution ist fast immer dabei. Den ersten Kompromiss machst Du, wenn Du einmal drüber nachdenkst, was die Leute von dir erwarten, bevor Du auf die Bühne gehst
Seltsam aber, dass die Hosen und die Ärzte zwei von den wenigen deutschen Top-Acts sind, die eine eigene Plattenfirma haben und so ein wenig mehr Kontrolle und Kohle für sich selbst behalten. Zufall, dass beide gewisse Punk Roots haben?
Ach so, die neue Ärzte Platte halte ich für eine der intelligentesten deutschsprachigen Pop-Platten des Jahres. Natürlich Pop, aber auch Punk. Irgendwie. Auch wenn die längst Millionäre sind.
physioblues":sg4usufl schrieb:
Fahr ich neulich in einem nagelneuen 35.000 Euro teueren Audi mit, legt der Fahrer eine Toten Hosen CD ein und sagt: "Ich finde Punk echt scharf.". Im Handschuhfach sind dann noch mehr CDs gelegen. Zillertaler Schürzenjäger, Kuschelrock und Rammstein.
Punk ist tot, q.e.d. !!!
Nö. Nur weil ein audifahrer ohne Ahnung die Hosen für Punk hält noch lange nicht. Die Toten hosen sind so ne Art mainstream Deutschhardrock von der Musik her, klar. Campino ist ein furchtbarer Dummschwätzer der relativ offensichtlich zuviel geld für südamerikanische Stimmungsmacher übrig hat.
Finde an den Hosen trotzdem relativ viel sympatisch, die Zelebrierung der Köln Verachtung, Bayern Verhöhnung, Fortuna Düsseldorf-Verehrung, das ganze hochhalten derr Proll-Fahne eben, die Cover-Platte mit den englischen Punkrock klassikern ... neue Platten würde ich trotzdem keine kaufen. Und mit Punk haben die Hosen wirklich nicht (mehr) so viel zu tun.
Gestern besuchte ich auf das Boxhamsters Konzert in Marburg. Diese Punkband gibts seit 1987, 6 oder 7 Platten im Eigenverlag rausgebracht, keine Videos auf MTV und Viva. jetzt die erste Platte auf nem Hamburger Label. Komischerweiser schreit keiner Ausverkauf und kommerz. Die Szene scheint es ihnen zu gönnen, in 17 Jahren und bei Konzerten auch vor nur 20 Leuten in der Pampa haben sie die credibility erworben. Der Sänger ist mittlerweile 39, hat ein Kind. Der Basser arbeitet schon seit Jahren in einem regulären Job, den er sogar gelernt hat. Ist es Punkrock?
9 Euro eintritt, ich hatte mehr erwartet. auch bei den Preisen noch Punkrock. Konzert ziemlich voll, Publikum von 14-45 buntgemischt. Punkrock-Familienfest . Vorband "Trend" ist erträglich bis nett, fast ein bischen retro, aber textlich und musikalisch zu harmlos. Dann die Boxhamsters. Nach dem ersten Schlagzeugeinsatz klar, wo der Hammer hängt. Pogo vor der Bühne. Eine Saite reisst. Gitarre gewechselt, Lied an der gleichen stelle weitergespielt. Ein paar langsamere Lieder sind dazwischen, ansonsten die melancholischen melodien von Gesang und gitere über den klassischen schnellen Punkbeats. Sie spielen straight durch, kaum Pausen oder alberne ansagen, kein sich ewig feiernlassen und auf Zugaberufe warten. Immer noch eine instution im deutschsprachigen Punkrock. Und angeblich steht auch wiedere eine kooperation mit der Düsterpunklegende EA 80 an. Wäre etwas, worauf man sich freuen könnte.
Punkt lebt, gestern wieder ein eindeutiger beweis. Auch wenn die Protagonisten teils wie Zombies, teils wie gestandene Familienväter aussehen.
Ach so, der Laden, indem das Konzert stattfand, wird zu einem großen Teil von ehrenamtlichen geschmissen. Trotzdem oder gerade deswegen spielen da immer wieder überregional bekannte Bands. Passt irgendwie.
Was ist Punk?
Für mich sind Radiohead, die Boredoms, Aphex Twin oder Fantomas mehr Punk als Blink 182, logisch. Boxhamsters oder EA 80 sowieso. Wenn Mia erzählen, sie machten Elektropunk und dann zum Grand Prix antreten ist das natürlich lächerlich. Aber es gibt eben keinen Titelschutz für das Punk-Etikett. jeder Dummschwätzer kann es für sich in Anspruch nehmen.
Was man unter Punk versteht ist natürlich ziemlich individuell. Keine von den Bands, in denen ich spielte und spiele, war musikalisch wirklich Punk. Aber jede hatte etwas kompromissloses, wütendes, verzweifeltes. Immer haben wir versucht, möglichst viel selbst zu machen an Organisation und Produktion. Ging auch gar nicht anders, weil uns eh nie jemand gesignt hätte.
Aber ob ich damals auf geliehenen Bässen oder meinem schrottigen Ostblock-Bass gespielt habe, kaum Geld für neue Saiten hatte, da ich Nachtarbeit an der Tanke unterbezahlt war oder heute halbwegs vernünftiges ziemlich umfangreiches Equipment und einen regulären job habe, das Prinzip ist immer noch ähnlich.
Beim letzten Konzert meines aktuellen Projektes habe ich Synthie und Gitarren gespielt, obwohl ich beides noch weniger kann als Basspielen. Aber es hat funktioniert für die paar Leutem, die den Weg in die kleine Untergrundkneipe gefunden haben. Für meinen Bandkumpel und mich hat es auch funktioniert. Also alles im grünen Bereich und irgendwie immernoch ein wenig Punk und underground. Geht auch gar nicht anders.
Irgendwann dieses Jahr werden wir noch einen Teil unseres mit schnöder Lohnarbeit hart verdienten Geldes in selbstproduziertes Vinyl im Eigenverlag stecken. Anachronistisch und kommerziell gesehen unsinnig, da ein absehbares Verlustgeschäft. Also irgendwie Punk?