Workshop: von der Wandergitarre zu interessanten Voicings

muelrich

Power-User
24 Aug 2006
2.697
1
Hallo liebe Kollegen,

inspiriert vom Workshop des Herrn aus der Pfalz habe ich mir gedacht, auch mal was zu machen.
Hin und wieder habe ich ja schon mal auf Beiträge geantwortet, wo jemand meinte: " das kann man doch nicht anders spielen, sind halt Dur-Akkorde".

Da ich ja in der letzten Zeit im akustischen Duo unterwegs bin, besteht für mich bei jedem Stück die Aufgabe, mir zu überlegen, was ich denn dazu beitragen kann, dass es interessanter klingt, als wenn ich unisono Akkorde zupfe/schlage. Und immer im Hintergrund Solo-Fills zu dudeln, ist ja auch keine Lösung.

Im folgenden also mal eine kleine Auflistung von Akkordvoicings, die mir da so aufgefallen bzw. eingefallen sind:

1. Pacing the cage (Bruce Cockburn)


Die Strophe betsht aus den Akkorden C - G - F - F

(ist im Orginal Capo IV, also E-Dur, aber das lassen wir jetzt mal weg....)

Könnte, mit Wanderakkorden, so klingen:

[mp3]www.hans-ulrich-mueller.de/music/WS01.mp3[/mp3]

Spielt der Herr Cockburn aber so:

[mp3]www.hans-ulrich-mueller.de/music/WS02.mp3[/mp3]

Was ist passiert?

C = X-3-2-0-1-0 das ist ganz normal C-Dur
G = x-2-0-0-3-3 das ist G, aber mit H im Bass
F = x-0-3-0-1-1 Fadd9 mit A im Bass

Nicht nur wurde der letzte Akkord um die None erweitert, was schon mal viel schöner klingt, die Basslinie läuft jetzt C - H - A abwärts !

2. First cut is the deepest (von... ganz vielen)

Die Akkorde gehen so:

[mp3]www.hans-ulrich-mueller.de/music/WS03.mp3[/mp3]

G - D - C - D

und werden im Prinzip das ganze StĂĽck, also sowohl Strophe als auch Refrain gespielt.

In einer unplugged Version von Sunrise Avenue (ja, ich weiĂź, radiokompatibler Pop-Kram....) fand ich folgende voicings:

[mp3]www.hans-ulrich-mueller.de/music/WS04.mp3[/mp3]

G = x-x-5-4-3-0 Das ist G6
Edit: 3 statt 2
D = x-x-4-0-3-0 Das kann man eigentlich nur noch entfernt als D erkennen, die Terz fehlt dafĂĽr sowohl die 4 als die 2
C = x-x-2-0-1-0 C-Dur, aber mit E im Bass
D = x-x-0-2-3-0 Dadd 9

Was wieder auffällt, ist die Bewegung der Bassstimme von G -F# -E- D abwärts

Transponiert in A könnte man diese Akkorde, ebenfalls mit absteigender Basslinie auch so spielen:

[mp3]www.hans-ulrich-mueller.de/music/WS05.mp3[/mp3]

A = x-0-2-2-2-0
E = 4-x-2-4-0-0
D = 2-x-0-2-1-0
E = 0-2-2-1-0-0

3. G - D - A (findet man ja in vielen StĂĽcken)

Wandergitarre:

[mp3]www.hans-ulrich-mueller.de/music/WS06.mp3[/mp3]

Dreiklänge auf D- G- und H-Saite:

[mp3]www.hans-ulrich-mueller.de/music/WS07.mp3[/mp3]

Das wären:

G = x-x-5-4-3-x
D = x-x-4-2-3-x
A = x-x-2-2-2-x

Zum einen haben wir eine recht enge Lage. Dann wieder die absteigende Basslinie.
Und: wir haben Grundlage und beide Umkehrungen, so dass beim A die 1, beim D die 3 und beim A die 5 im Bass ist.
Alleine mit diesen drei D-Dreiklang Voicings kann man ne ganze Menge netter Dinge machen. Einfach ausprobieren .....

4. Details in the fabric (Jason Mraz)

Jupp. Schon wieder Pop-Mucke.

Die grundlegende Akkordverbindung ist: Fmaj7 - Em(7)

[mp3]www.hans-ulrich-mueller.de/music/WS08.mp3[/mp3]

Taucht auch immer wieder auf. Z.B. Longer shadows von Ken Hensley (falls sich daran noch einer erinnern kann ....

Oder bei Mahavishnu Orchestra (oder waren es Barnd X ?)... da heiĂźt das dann aber Cmaj7/#11 und Hm7/11
und das ist dann Jazz und deshalb auch einmal #11 und einmal nur 11 höhö.....Jazz wollen wir hier ja gar nicht ....

Bei Jason Mraz werden diese Akkorde recht subtil verändert:

[mp3]www.hans-ulrich-mueller.de/music/WS09.mp3[/mp3]

Fmaj7/A = x-0-3-2-1-0
Em/H = x-2-0-0-3-3

Subtil ja, aber doch ein geändertes Klangbild

Im Orginal geht der Bass von F nach E, hier jetzt von A nach H !

5. Dear Prudence (Beatles)

Das geht ja so: C - C7 - F - Fm

[mp3]www.hans-ulrich-mueller.de/music/WS10.mp3[/mp3]

Hiram Bullock interpretiert das wie folgt:

[mp3]www.hans-ulrich-mueller.de/music/WS11.mp3[/mp3]

Das sind nur Dreiklänge:

C = x-3-2-x-1-x
C7/Bb = x-1-2-x-1-x
F/A = x-0-3-x-1
Fm/Ab = 4-x-3-x-1

Sehr geil, das ganze, und wieder: absteigende Basslinie ;-)

So. FĂĽr viele hier war das bestimmt kalter Kaffee (oder, wie der Italiener sagen wĂĽrde: warmes Wasser). Ich hoffe dennoch, mit diesen kleinen Beispielen einigen m,al eine Anregung gegeben zu haben, mit Akkordvoicings mal rumszuspielen. Da geht viel !

Danke fĂĽrs Lesen und Lauschen

Uli
 
Hi Uli,

schöner Beitrag!

Sich mit diesem Thema auseinander zu setzen, ist auch nicht nur für Akustiker interessant. Man kann das auch elektrisch anwenden und in höheren Lagen umsetzen.

Die dahinter stehende Frage ist ja, welche Töne man einsetzt und wie man sie anordnet. Gibt ja nicht nur Powerchords... Im Zusammenspiel mit Keyboardern ist das meiner Ansicht nach sogar essentiell.

Dazu kommt, dass man diese Akkorde auch zerlegen kann, sprich als Arpeggio spielen. Wenn man dann nicht aufpasst, spielt man plötzlich ein Gitarrensolo, das auch noch was mit dem Song zu tun hat, der gerade läuft und nicht nur Gniedelei ist. Ist natürlich uncool und die Musikerpolizei zieht dann die Mundwinkel runter. Könnte allerdings den anderen gefallen.

Aber wer will das schon...

GruĂź

erniecaster
 
Vielen Dank für den schönen Beitrag. :top:

Wie auch Ernie schon sagt, kann und sollte man das Ganze unbedingt auch im E-Betrieb mal antesten. Ich mache das seit einiger Zeit ständig und spiele nur noch die Hälfte... dafür aber bewusster und wie ich meine auch schöner. Und man kann die Dynamik in der Band damit auf ein ganz neues Level bringen.

Bruce Cockburn -der von Muelrich ja als Beispiel genutzt wird - ist einer der GANZ groĂźen was das erfinden toller Akkorde angeht. Sollte man unbedingt mal in Ruhe (!) anchecken!

Und zu Jason Mraz...

http://www.livefromdarylshouse.com/currentep.html?ep_id=70

...ohne Worte!
 
erniecaster schrieb:
Gibt ja nicht nur Powerchords...

Zugegeben: Black Sabbath hat in der Urtbesetzung echt geile NUmmern rausgehauen, die nur auf Powerchords basieren, aber:

die ausschlieĂźliche Verwendung derselben langweilt mich mehr als Standard-Lagerfeuerakkord-Liedbegleitung, und das will schon was heiĂźen.

Danke für diesen schönen Beitrag, Uli.
Mit Verzerrung (Sounds mit Haaren am Sack aufwärst sind mein Metier, du weißt das und wirst dich Anfang Oktober ja erneut davon überzeugen) müssen Voicings zwar generell sparsamer gehandhabt werden als auf der Akustik, manche aber blühen zu ungeahnter Intensität auf.
 
*Chat-Modus on*
Ich verspreche dir, dass wir auf dem Gig ein, zwei Beatles-Klassiker in neuem Gewand, d.h. mit neuen Voicings, spielen.
*Chat-Modus off*
 
Wen ich in Sachen "interessante Voicings durch Wahl der Basstöne" sehr ans Herz legen kann ist Billy Joel. Hört euch mal "Leningrad" an oder "All about Soul". Beides harmonisch triviale Nummern, aber die Basslinien liegen fast nie auf den Grundtönen und sorgen für unglaubliche Spannung. Genial!
 
partscaster schrieb:
Bruce Cockburn -der von Muelrich ja als Beispiel genutzt wird - ist einer der GANZ groĂźen was das erfinden toller Akkorde angeht. Sollte man unbedingt mal in Ruhe (!) anchecken!

Hi,

das man oefter mal die Terz als Basston nehmen kann und nicht nur den Grundton spielen kann hat schon der alte Bach gewusst und auch angewendet....ich kann mich taeuschen, aber ich glaube das war schon einige Zeit vor Cockburn....

Gruss
Der Nominator
 
muelrich schrieb:
Ich habe ja auch nie behauptet, was neues zu erzählen :roll: :shock: ;-)

Hi,

iss klar, nur der Kollege hat was von "...erfinden von tollen Akkorden..." geschrieben....

...waren es nicht die Schweizer die die Akkorde erfunden haben...lanege vor Bach und Cockburn ....:)))

GruĂź
Der Nominator

PS:...dabei faellt mir gerade eine wahre Geschichte ein ...als ich vor vielen Jahren mal einem Bassisten erklaeren musste dass es auch fuer einen Bassisten nicht ganz unwichtig ist ob der Akkord nun gerade in Dur oder Moll ist....insbesondere dann wenn man als Bassist die Terz spielt...:))
 
muelrich schrieb:
Nominator schrieb:
....insbesondere dann wenn man als Bassist die Terz spielt...:))

Das war kein Bassist, das war ein verkappter Gitarrist ...muhaha ...

May be, aber nach einiger Zeit und einiger boeser Blicke von mir wenn er mal wieder bei einem Moll-Akkord die Dur-Terz spielte, hat er das dann doch fuer immer gecheckt ....war auch ein netter Zeitgenosse mit dem ich immerhin 6-7 Jahre zusammen gespielt habe....
 
Nominator schrieb:
Hi,

das man oefter mal die Terz als Basston nehmen kann und nicht nur den Grundton spielen kann hat schon der alte Bach gewusst und auch angewendet....ich kann mich taeuschen, aber ich glaube das war schon einige Zeit vor Cockburn....

Gruss
Der Nominator

Es ging dabei um Cockburn im Allgemeinen, natürlich nicht nur um das Beispiel von oben! Und da passiert dann schon eine Menge mehr als "nur" andere Basstöne zu wählen.
 
partscaster schrieb:
Nominator schrieb:
Hi,

dass man oefter mal die Terz als Basston nehmen kann und nicht nur den Grundton spielen kann hat schon der alte Bach gewusst und auch angewendet....ich kann mich taeuschen, aber ich glaube das war schon einige Zeit vor Cockburn....

Gruss
Der Nominator

Es ging dabei um Cockburn im Allgemeinen, natürlich nicht nur um das Beispiel von oben! Und da passiert dann schon eine Menge mehr als "nur" andere Basstöne zu wählen.

Hi,

dass da mehr passiert nehme ich mal stark an - leider habe ich keine Aufnahme von ihm und Youtube ist hier in China (wo ich fuer 2 Jahre bin) geblockt....

Aber Du hattest "...erfinden von Akkorden..." geschrieben, und wer hat schon Akkorde "erfunden" ....ich kenne niemanden...
Es gibt wohl Leute die bestimmte Akkorde haeufiger als andere benutzen - was dann einen bestimmte Klangcharakteristik ergibt - so z.B. bei Steely Dan.

Ich habe mir gestern abend einen Titel in dem von Dir genannten link Daryls House angehoert - war eine Ballade und wunderschoen, und gerade die bestand aus geschaetzten 50% mit Terz im Bass...man sollte sie nicht unterschaetzen, und wenn man dann noch eine None mit einflieĂźen laesst...klingt das so wie dieser Titel dort...

GruĂź aus Beijing
Der Nominator
 
Nominator schrieb:
Aber Du hattest "...erfinden von Akkorden..." geschrieben, und wer hat schon Akkorde "erfunden" ....ich kenne niemanden...

Da haste aber schon die gute alte Goldwaage ausgepackt... oder schon fast Erbsen gezählt... ;-) ;-)

Mr. Cockburn bei Youtube wäre sowieso nicht sehr ergiebig. :|
 
muelrich schrieb:
einen Schraibfäler bei den Akkorden hab ich gefunden ;-)

ok, den Fehler im Griffbild haste verbessert, aber Du schreibst weiter:

Das kann man eigentlich nur noch entfernt als D erkennen, die Terz fehlt dafĂĽr sowohl die 4 als die 2
Was wieder auffällt, ist die Bewegung der Bassstimme von G -F# -E- D abwärts


Na, und was ist das F#.....wieder die Terz - sie fehl also nicht ...die Quart (G) ist aber auch da.....

Und 2 kleine Tipps von mir:

A = x-0-2-2-2-0
E = 4-x-2-4-0-0
D = 2-x-0-2-1-0
E = 0-2-2-1-0-0

Hier klingt beim D-Akkord das C auf der H-Saite etwas ungelenk...
Ich wĂĽrde das so insgesamt greifen:(iss aber Geschmacksache..)

A = x-0-5-4-3-0
E = 4-x-4-4-5-0
D = 2-x-2-2-3-0
E = 0-2-2-1-0-0

Und hier:

G = x-x-5-4-3-x
D = x-x-4-2-3-x
A = x-x-2-2-2-x

kann man wunderbar das A als Bass stehenlassen - das sieht dann so aus:

G = x-0-5-4-3-x
D = x-0-4-2-3-x
A = x-0-2-2-2-x

ich sach nur : Joe Cocker - with a little help from my friends

GruĂź
Der Nominator
 
Nominator schrieb:
Das kann man eigentlich nur noch entfernt als D erkennen, die Terz fehlt

Da hast Du absolut Recht. Die Terz hat sich im Basston versteckt, die SAU ! ;-)

Nominator schrieb:
D = 2-x-0-2-1-0

Ich wĂĽrde das so insgesamt greifen:(iss aber Geschmacksache..)

D = 2-x-0-2-3-0

Da war er wieder, der Schraipfäler .......Das C (also h-Saite, 1.Bund) hat da auch nix zu suchen gehabt. Das unter Voicing ist das, was ich gespielt habe.

Und selbstverständlich gehen Deine voicings auch.

Da geht ja insgesamt noch viiiiel meeeehr ;-)
 

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