ollie":36dlb71l schrieb:
Ab Logic Pro 8 gibt`s den Low Latency Modus -damit dürfte eigentlich gar keine Latenz mehr zu hören bzw. zu spüren sein...ausser beim Gesang, da bitte dann das Softwaremonitoring ausschalten - dann gibt`s halt den Hall erst beim Mix!
Ich muss hier mal korrektiv (ihr könnt auch gerne "klugscheißerisch" sagen) eingreifen.
Der Low Latency Modus in Logic hat absolut rein gar nix mit den Systemlatenzen zu tun. Der Low Latency Modus sorgt lediglich dafür, dass Plugins, welche eine Eigenlatenz mitbringen, temporär deaktiviert werden. Kannste selber testen, einfach mal 'n Adaptive Limiter auf 'ne Spur packen, dann Low Latency anschalten, schon wird der AD orange und tut nix mehr.
An der Gesamtsystemlatenz ändert sich dadurch aber wie gesagt nicht das kleinste Bischen.
Was den Gesang angeht, so ist der timingmäßig das unkritischste "Instrument", deshalb fallen leicht höhere Latenzen da an sich nicht so in's Gewicht - aber halt nur "an sich". Denn anders als die meisten anderen Instrumentengattungen hört der/die Sänger/in sich auch im Kopf. Wenn man da jetzt ein auch nur leicht verzögertes Monitorsignal hinzufügt, dann kommt's zu allerlei seltsamen Effekten wie Dopplungen, chorus-ähnlichem oder gar Phasenauslöschungen. Einigermaßen in den Griff kann man das bisweilen bekommen wenn man geschlossene Kopfhörer (mögen die meisten Sänger aber nicht) und eine relative hohe Monitorlautstärke benutzt. Hängt aber wirklich am allermeisten von der Person ab.
Oder man macht's eben für Gesang per Hardware-Monitoring. Auf den Software-Hall muss man deshalb aber auch nicht verzichten. Das geht dann so:
- Trockenes Signal per HW monitoren.
- Im Logic Software-Monitoring angeschaltet lassen.
- Im Rec-Modus den Kanalfader komplett runterziehen (Logic bietet ja separate Level für scharf- und nicht scharfgeschaltete Tracks an, sehr praktisch).
- Einen Pre-Fader-Send einrichten, den zu einem Hall der Wahl schicken.
-> Et voila! Trockenes Signal latenzfrei, Hall aus'm Rechner, perfekt (dem Hall machen die paar Millisekunden mehr an Predelay rein gar nix aus).
Und dann noch mal generell zum Thema Latenzen, weil's da ja einiges an Un- bzw. Halbwissen zu geben scheint (bitte nicht persönlich nehmen, kann man ja auch nicht unbedingt wissen).
In einem typischen, computerbasierten Studio in dem man gerne virtuelle Instrumente aber auch sowas wie Amp Sims spielt, fallen an den folgenden Stellen im Signalweg Latenzen an:
- Wandler der Soundkarte. Diese sind üblicherweise sehr klein, aber es können schon auch mal, In- und Output zusammengenommen, so 2-3ms werden. In den meisten Fällen sollten diese Wandlerlatenzen allerdings keine Rolle spielen.
- Verarbeitungspuffer der Software bzw. des Kartentreibers. Das ist die sog. Puffergröße, die man in irgendwelchen Voreinstellungen des benutzen Programms einstellen kann. Dazu gleich noch mehr.
- Die sog. "Safety Buffers" der Soundkarte. Im Übrigen etwas, von dem nicht so viele Leute zu wissen scheinen. Diese werden auch meist vom Hersteller nicht angegeben, nur wenige Firmen sind so vorbildlich wie bspw. RME, welche übrigens diesen Wert für ihre PCI/PCMCIA/ExpressCard-Modelle mit 64 Samples angeben. Für alles, was nicht PCI/PCMCIA ist, also speziell USB und FW, gelten fast immer mehr oder minder deutlich höhere Werte. Das können dann auch schon mal 256 Samples und mehr sein.
- Plugin-Latenzen. Gerade dynamische Plugins, speziell Limiter, fügen hier oft ziemlich enorme Werte hinzu, aber auch Impuls-Hallgeräte können ganz schön reinhauen. Dass diese Latenzen bei der Wiedergabe kompensiert werden hilft uns natürlich nicht weiter, wenn wir per Software-Monitoring aufnehmen wollen. Im Übrigen auch ein Grund, weshalb man auf einem Master-Out *niemals* derartige Plugins benutzen sollte, solange man noch im Aufnahmestadium ist (bzw. wenn doch, dann sollte das Programm eine Funktion wie Logics Low Latency Modus bieten).
So, auf einige dieser Latenzen haben wir natürlich Einfluss, und zwar auf zweierlei Art und Weise:
1) Einstellen der Puffergröße.
2) Erhöhung der Samplerate. Bei - na sagen wir mal - 96kHz sind 64 Samples halt schneller vorbei als bei 44.1kHz.
Was 1) angeht so benutzt man da den niedrigsten Wert, bei dem man knackfrei arbeiten kann und dennoch genug Leistung zur Verfügung hat. Logic arbeitet super mit kleinen Latenzen, Cubase, zumindest auf'm Mac, total scheiße, um es auf gut deutsch zu sagen. Sobald die Systemlast steigt, fummeln die meisten Cubase-Nutzer an den Latenzen rum, sprich, die werden tüchtig erhöht, so dass man in einem aktiven Mix kaum noch was per Software-Monitoring aufnehmen kann. Logic juckt das wenig, ich merke zwischen 64 und 512 Samples quasi keinen Unterschied hinsichtlich der Systemlast, bei Cubase ist das gravierend.
Hinsichtlich 2) kann ich nur sagen, dass flüssiges Arbeiten bei 96kHz echt nur auf Computern allerneuester Bauart möglich ist, gerade wenn viele Plugins verwendet werden (nur Audio aufzunehmen ist unkritisch). Da will man schon gerne mal 'n Quadcore Rechner haben, sonst lässt man's lieber gleich bleiben.
Nun endlich noch ein paar Bemerkungen hinsichtlich Latenz und Puffergrößen.
Die meisten Leute haben dann irgendwo mal gelesen (oder es auch ausgerechnet), dass 64 Samples bei 44.1kHz ca. 1.5ms entsprechen. Stimmt ja auch. Nur, was kaum jemand berücksichtigt: Sobald ich Audio-Softwaremonitoring betreibe, fällt diese Latenz gleich doppelt an, nämlich an Ein- wie Ausgang. Da sind wir dann schon bei 3ms.
Dann kommen die erwähnten Sicherheitspuffer dazu. Für die meisten gängigen USB/FW Interfaces ist 256 Samples anscheinend gar kein so unüblicher Wert. Das sind dann glatte 6ms dazu, egal wie sehr ich meinen Softwarepuffer runterschraube. Die ganz modernen FW/USB Interfaces können übrigens niedriger (und die Duet gehört dazu), aber unter 128 ist an sich nix (Ausnahme evtl. RMEs neuestes Teil, die Fireface UC).
Genau ermitteln lässt sich sowas übrigens nur durch eine analoge Messung, sprich, man jagt ein hart geschnittenes Signal einmal komplett durch die Software, führt den Ausgang auf den Eingang zurück und vergleicht's mit dem Original.
Bei meiner M-Audio FW-410 komme ich da bei 64 Samples auf eine Gesamtlatenz von knapp unter 10ms, der interne Sicherheitspuffer (an dem man absolut nix ändern kann) wird also vermutlich bei 256 Samples liegen, der Rest kommt wohl von den Wandlern. Damit liegt die, betagt wie sie ist, noch ziemlich gut im Rennen. Ähnliche Werte sind aber bspw. auch mit Native Instruments' Rig Kontrol zu erzielen. Die besten Werte auf dem FW-Markt bekommt man derzeit wohl von MotU, die können auf ca. 6-7ms Gesamtlatenz runtergedreht werden. Die Werte der Duet habe ich nicht im Kopf, sollte aber ähnlich sein.
Wie schon erwähnt, mit PCI oder PCMCIA/ExpessCard Interfaces lassen sich meist noch bessere Ergebnisse erzielen, außerdem ist es nach wie vor so, dass die Teile effizienter arbeiten, sprich, man eine (je nach Recher auch merkbare) höhere Leistungsausbeute hat.
Noch zu erwähnen wäre vielleicht, dass man sich schon mal vor Augen führen sollte, was diese Millisekunden denn im echten Leben bedeuten.
Um einen Meter zurückzulegen, braucht der Schall so um und bei 3ms (Extremtemperaturen und Unterwassergigs lassen wir jetzt mal aus dem Spiel). 10ms entsprechen also grob einer Entfernung von 3 Metern - und soweit vom Amp entfernt kann eigentlich jeder Gitarrist noch prima spielen.
Kommt natürlich noch der Meter (also weitere 3ms) dazu, der dann gerne mal zwischen Kopp und Monitoren liegt. Aber auch damit kommt man noch prima klar.
Für mich persönlich wird's bei zwei Dingen komisch:
- Latenzen über 15ms. Da fängt's dann an, sich irgendwie "zäh" anzufühlen. Das deckt sich auch mit meinen Erfahrungen auf größeren Bühnen - 5-6 Meter sind eben doch schon ganz schön weit.
- Spiel über Kopfhörer. Klar die Latenz wird nicht größer (eher kleiner, da der Meter zwischen Monitor und Ohr fehlt), aber, anders als wenn ich 3 Meter vom Amp weg stehe, kommt hier kein Raumeindruck hinzu. Das fühlt sich dann doch bisweilen einfach eigenartig an. Das Spielgefühl sagt, dass der Amp weiter weg sein sollte, das Ohr hat aber ein furztrockenes, absolut raumloses Signal. Komische Sache. Ein bischen Hall kann da manchmal helfen, aber ab und an ist's irgendwie doch einfach seltsam.
Wie dem auch sei, ich kann mit 10ms irgendwie ganz gut leben, ab 5ms und darunter sollte Software-Monitoring selbst für Drummer machbar sein (deren Kopf sich ja meist auch ca. 'n Meter vom Instrument entfernt befindet, also kennen die 3ms bereits).
Gruß
Sascha