groby schrieb:
Dann wäre ja jetzt eine Gelegenheit, auch was zu den betonten Unterschieden zu sagen.
Hallo,
jepp, jetzt etwas ausführlicher.
Strat/Tele haben in der Regel einen Hals aus Ahorn, manchmal mit Palisandergriffbrett. Bei ES wird für den Hals mal Ahorn benutzt, mal Mahagoni einteilig, mal Mahagoni mehrteilig und Mahagoni ist schon vom Holz her ein weiteres Feld als Esche/Erle. Das ist schon erheblich weniger konstant.
Die übliche Halsform von Strat und Tele ist mittlerweile beim letzten Prgorammierer von CNC-Fräsen im tiefsten China bekannt. ES kommen mal mit Hälsen in Dachlattenformat, dann wieder mit inbanezzigen Rennhälsen. Griffbretter mal völlig flach, mal wenig Radius und mal mehr. Und das Bundformat von Spaghetti zu Eisenbahnschienen, flach oder hoch, gibt es in allen Kombinationen.
Body Strat/Tele ist aus Esche oder Erle. Bei ES ist das Holz für den Sustainblock von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. Manchmal habe ich das Gefühl, es werden die Teile genommen, die für ganze Bodys einfach zu klein sind. Ich habe da auch schon Sperrholz gesehen. Der "Holzkasten drumrum" ist auch meistens Sperrholz und was da genutzt wird, wissen die Götter.
Selbst Gibson hat die Form der ES über die Jahre hinweg immer etwas variiert - Strat/Tele sind da erheblich konstanter. Die Kopisten sind da noch etwas freier - ich habe schon richtig schlimme Bodys gesehen. Auch die Dicke variiert immens, dazu sind einige ES extrem leicht und andere fast so schwer wie eine Paula.
Soviel zu meinen Erfahrungen von verbautem Material. Aber was macht das mit Soundunterschieden?
Von Mumpf zu bröseligem Kreischen ist alles da. Während man bei Strat/Tele manchmal schulterzuckend da steht und denkt "okay, soll halt ne Strat/Tele sein, das geht aber auch besser" kratzt man sich bei einer ES manchmal die Denkerstelle am Kopf blutig und fragt sich, was zum Teufel das jetzt sein soll. Der "Trademark-Sound" der ES ist einfach nicht so ausgeprägt wie bei Strat/Tele. Spiel eine Hagström ES und eine Ibanez ES und der Unterschied ist erheblich höher als bei einer Squier Strat/Tele oder einer Kopisten Strat/Tele.
Diese Aussagen sind sehr pauschaliert, es geht um die Tendenzen.
Was jetzt tun, wenn man so eine Gitarre haben will? Ich bin mittlerweile ein überzeugter Online-Käufer, was daran liegt, dass es in meiner Ecke keinen "Laden umme Ecke" gibt. Ich würde mir im Budget raussuchen, was es von den üblichen Verdächtigen überhaupt gibt: Ibanez, Yamaha, Gibson (ja, die haben auch Gitarren um 600 Euro), Epiphone, Hagström, Cort und ja, Harley Benton. Vintage als Marke würde ich persönlich nicht in Betracht ziehen. Dann mal schauen, was optisch denn passt - geht es denn um Barjazz oder um schmutzigen Rockenrohl? Da bleibt im Regelfall schon nicht mehr so viel über, jedenfalls bei mir. Dank Internet kann man auch schonmal was über Halsformen herausfinden und mit den Hälsen abgleichen, die man selbst mag, gleiches vielleicht über Bundgrößen.
Und nach ein bisschen Lesen sind es vielleicht eine Handvoll interessante Instrumente - und da bestellt man sich eins von einem seriösen Online-Händler. Passt nicht? Retour. Spätestens der dritte Schuss sollte sitzen. Das empfinde ich heutzutage bei echter Kaufabsicht und vernünftiger Recherche vorher nicht mehr als befremdlich oder verwerflich, im übrigen bestelle ich bei diesen Gelegenheiten dann auch Kleinteile wie Saiten und Plektren. Bei dem genannten Etat bleibt auch nicht viel für die Fahrt quer durch die Republik, um die absolut beste Gitarre in dieser Preisklasse zu finden. Es ist durchaus auch denkbar, dass man feststellt, dass in dem Budget die richtige Gitarre nicht zu finden ist und das bedeutet entweder das Budget zu verändern oder den Wunsch als unerfüllbar einzuordnen.
Soviel zu meiner Sicht der Dinge.
Gruß
erniecaster