Honeymoon Review - Yamaha CPX600

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erniecaster

Power-User
19 Dez 2008
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Tag zusammen!

Das wird ein längerer Beitrag – die Zusammenfassung vorab: Ich habe eine neue Gitarre namens Yamaha CPX 600 und finde sie toll.

Disclaimer: Keine Verbindungen mit Hersteller, Vertrieb oder Händler. Der folgende Text ist als Meinung zu verstehen. Jedes „ist“ bitte als „ist in meinen Augen, Ohren, Händen, meiner Umgebung und meiner Meinung nach“ zu lesen.

Erst noch schnell eine Rechenaufgabe. Mit dem Kauf einer Gitarre habe ich die Gesamtanzahl meiner Gitarren um ein Drittel gesteigert. Wie viele Gitarren habe ich jetzt und wie viele brauche ich noch? Nun aber los.

Heute ist es fast unmöglich, unbrauchbare Instrumente zu erwerben. Wenn man natürlich eine Explorer mit Floyd Rose für seine Bluegrass-Karriere kauft, darf man hinterher nicht der Gitarre vorwerfen, dass sie totaler Mist ist. Ich habe mir vor dem Kauf also meine Gedanken gemacht, was die Gitarre tun und damit auch können soll.

Meine Akustikgitarre Nummer eins ist eine Yamaha AC3R. Ein wunderbares vollmassives Instrument mit sehr gutem Tonabnehmer- und Preampsystem, das alles kann, was ich spielen und hören will. Brauche ich noch eine Akustikgitarre? Eigentlich nicht, aber ich hätte gerne ein Backup und eine Gitarre für die etwas ruppigeren Gelegenheiten wie Kneipe, Lagerfeuer, Fete, Session, regnerischem Open Air und sonstige Veranstaltungen, bei denen ich ohne große Sorgen um mein Instrument auch mal auf die Toilette gehen kann, ohne den Instrumentenkoffer mitzunehmen.

Arbeiten wir also mal das Pflichtenheft ab.
1. Optik – Hässliche Instrumente kaufe ich schon lange nicht mehr. Da die Gitarre offen in der Wohnung hängt, beziehe ich bei der Auswahl an dieser Stelle auch immer meine Frau ein.
2. Bespielbarkeit und Verarbeitung– Da bin ich ziemlich unkompliziert. So lange die Gitarre bundrein und oktavrein ist, Halsform und String-Spacing nicht völlig absurd sind, lässt sich der Rest zur Not nacharbeiten.
3. Akustischer Sound – In der Kneipe, am Lagerfeuer etc. muss sie brauchbar klingen. Für die schönen, ruhigen Momente oder bei eventuellen Aufnahmen nehme ich meine AC3R.
4. Elektrischer Sound – Auch hier gilt, dass es grundsätzlich um die ruppigeren Momente aber auch um den Einsatz als Backup geht. Das muss funktionieren, nur brauchbar reicht nicht, das soll gut sein.

Ich habe schon einmal eine Yamaha CPX 700 besessen. Davor hatte ich eine APX, die ich mit einem Preamp einer CPX ausgestattet hatte. Diese beiden Yamahas waren immer verlässlich und problemlos und ich habe viele schöne Gigs damit gespielt. Also habe ich mich wieder für eine CPX entschieden. Die farblich attraktivste war letztlich die Old Violin Sunburst, eine Akustikgitarre in sunburst wollte ich schon immer haben und meine Frau war auch zufrieden. Her damit!

Was haben wir da jetzt? Die Gitarre ist vollständig aus gesperrten Hölzern gebaut, die auf liebreizende Namen wie „Nato“ oder „Hardwood“ hören, Piezopickup, Preamp. Kein Feenstaub.

Das Sunburst ist auf den ersten Blick schön gemacht. Der Lack ist insgesamt nicht mehr so lieblos in dick draufgerotzt, wie ich das von früheren Gitarren unterer Preisklasse kenne. Auf den zweiten Blick ist auf der Decke eine ziemlich Lacknase, die mich aber nicht stört. Die Halsrückseite ist mattiert.

Die Mechaniken sind brauchbar und halten die Stimmung. Haptisches Wohlgefühl, Gänsehaut und die Verwendung von Begriffen wie sahnig und schmusig finden allerdings nicht statt.

Die Bespielbarkeit ist grundsätzlich gut. Die Halsform gefällt mir, die CPX 600 hat die etwas kürzere Mensur von 628 mm (wie bei Gibson). Das würde sich wie Butter spielen, wenn die Stegeinlage nicht zu hoch wäre – hier muss ich nacharbeiten. Bundierung ist okay, nachpolieren der Bundstäbchen und Öl für das Griffbrett sind mal wieder Pflicht. Die CPX ist übrigens wirklich leicht, das ist ausnehmend angenehm.

Akustisch ist die CPX überraschend gut. Ich hatte von einer vollständig gesperrten Gitarre weniger erwartet und kenne da auch erheblich schlechtere Instrumente. Saitentrennung ist gut, nix bollert oder nervt, keine topfigen Frequenzen. Von alleine geht sie nicht, man muss schon mit dem Anschlag arbeiten. Verschränkte Obertöne der 13. Oktave gibt es trotzdem nicht. Die CPX 600 reagiert auf Anschlag und Spieltechnik natürlich nicht so extrem und unmittelbar wie die teurere AC3R aber sie tut es absolut. Das ist vollkommen in Ordnung, besser als gefordert und erwartet. Keine Gänsehaut, verlässliches Arbeitsgerät. Mehr noch – die macht Spaß!

Dann rein in die elektroakustische Peripherie, alle Verschönerungsgerätschaften ausgeschaltet und in den neutralen AER AG-8 Monitor. Alle Klangregler auf neutral und Volumenregler aufdrehen. Was jetzt aus dem Speaker tönt, ist ein absolut überzeugender Akustikgitarrensound. Unscharf formuliert klingt es wie die CPX 600 akustisch klingt – nur „besser“. Das ist um Längen besser als das, was ich von meinen alten Yamahas in Erinnerungen habe. Bei denen habe ich die ausgefuchste Klangregelung an Bord zum Ausgleich der Defizite genutzt. Hier fällt mir einfach kein Grund ein, überhaupt die Klangregelung anzufassen.

Das ist insgesamt verstärkt ein saugutes Ergebnis. Getrübt wird es nur durch ein kleines Detail: Wenn man am Preamp der Gitarre den gut funktionierenden Tuner einschaltet, wird das Signal nicht stummgeschaltet, was ich nicht praxisgerecht finde.

Mein Fazit? Sieht gut aus, wird bald gut bespielbar sein, klingt akustisch prima und verstärkt richtig gut und macht insgesamt Spaß. Ich habe vorher eine Menge andere Elektroakustiggitarren probiert und dabei ausdrücklich auch sehr viel teurere. Die CPX 600 passt für mich absolut sehr viel besser als alles vorher und das völlig unabhängig von Preis, Herkunftsland und Hersteller.

Ich bin auf mein eigenes Update von diesem Honeymoon-Review gespannt. Hoffentlich gibt es bis dahin die Möglichkeit, über den Einsatz bei Gigs zu schreiben.

Bleibt gesund und habt eine schöne Zeit!

erniecaster
 
Hi,

ich bin mittlerweile auch bei einer Akustikgitarre von Yamaha gelandet, und bin da echt auch sehr angetan.
Bei mir ist es eine LL-TA geworden, vollmassiv und unabhängig vom Preis (aus meiner Sicht als Elektriker) ein wirklich großartiges Instrument.

Die AC3R ist aber auch immer noch ein bisschen im Hinterkopf, das Konzept gefällt mir gut.
 
Hallo,

die Blumen gehen an Rolli - und die Yamaha ist auf dem Rückweg zu Thomann.

Ich hatte mich gerade gewappnet, die Stegeinlage zur Verbesserung der Saitenlage abzuschleifen und stellte dabei fest, dass eben diese Stegeinlage nur einen knappen Millimeter aus dem Steg heraus ragt. Wenn man plant, mehr als einen Millimeter der Stegeinlage abzuschleifen, wird es blöd.

Die Suche nach einer Backupgitarre geht weiter. In Anbetracht der Tatsache, dass im Moment eh keine Gigs anstehen, ist das Thema Backup aber auch nicht so dringend.

Gruß

erniecaster
 
Hallo und guten Tag!

Jetzt ist eine CPX 600 in schwarz bei mir eingezogen. Ab Werk war die Saitenlage leider unbrauchbar, das ist jetzt nachgearbeitet worden.

Im Vergleich zur ersten CPX 600 ist die schwarze jetzt einwandfrei lackiert. Der Hals der schwarzen ist etwas fetter. Um ehrlich zu sein, klang die in sunburst in meiner Erinnerung etwas dynamischer als die schwarze. Ich würde ernsthaft in Erwägung ziehen, dass es hier so etwas wie eine Serienstreuung gibt.

Ich habe die CPX als Gitarre fürs Grobe und für ruppige Liveeinsätze gekauft und dafür ist sie gut geeignet. Für leise und intimere Anwendungen habe ich andere Instrumente.

Grüße

erniecaster
 
Hallo,

noch ein Update nach 14 Tagen. Ich habe meine Lieblingssaiten aufgezogen, das Griffbrett ein wenig geölt und mal alle drei hier vorhandenen Akustikgitarren an den Amp angeschlossen und ein wenig verglichen.

Die CPX 600 punktet sofort in Sachen Spielkomfort durch die Mensur von "nur noch" 634 mm. Die teilmasssive Eastman PCH1 GACE mit 645 mm Mensur hat dafür ein haptisch ganz tolles offenes Finish auf der Halsrückseite und die erheblich teurere vollmassive Yamaha AC3R mit 650 mm eine fantastische Halsform. (Eine Erniecaster-Signature hätte die kurze Mensur, die Form der AC3R und das Finish der Eastman.) Am bequemsten bleibt aber die billige CPX.

Beim verstärkten Sound bleibt die CPX ganz lässig der Sieger. Das lief etwas so: Alles am EQ der Gitarre auf neutral, alle EQs aus, Ohren auf, drei Akkorde und zwei Linien spielen und die Schultern zucken. Da gibt es nichts zu verbessern, tweaken oder drehen, um spielfertig zu sein. Aus dem Amp kommt sofort ein erwachsener, fetter, dynamischer und ausdrucksstarker Akustikgitarrensound. Mit ein paar Handgriffen am EQ war ich dann absolut da, wo ich hin will.

Die AC3R hat ein aufwändiges Preampsystem. Komplett neutral eingestellt, ist das nicht überzeugend, nach ein wenig Kurbelei ist der Sound mehr als brauchbar. An die CPX kommt das aber nicht heran.

Das puristischere Pickup-Mikro-System MiSi Trio Air in der Eastman wirkte heute deutlich abgeschlagen, die Saiten auf der Eastman sind aber auch runtergerockt. Ohne Außenborder ist das nichts.

Fazit? Verstärkt ist die Yamaha CPX grandios. Sie spielt sich wie Butter und ist einfach zu handhaben. Akustisch fällt die CPX gegen die Eastman und gegen die AC3R deutlich ab. Für Lagerfeuer und Gegröle in der Kneipe ist das aber deutlich mehr als ausreichend.

Grüße

erniecaster
 
Hallo,

wir haben uns getrennt und ich bin klüger geworden. Die kürzere Mensur fand ich anfangs total klasse, beim "ernsthaften" Spielen hat sie mich plötzlich genervt. Irgendwann kam dann das Thema Halsform dazu. Eigentlich habe ich mich da immer für sehr anspruchslos gehalten, plötzlich fühlte ich mich nicht mehr wohl.

Die Nachfolgerin ist unterwegs und ich werde natürlich berichten.

Gruß

erniecaster
 

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