Wie funktioniert ein "Modeler"?

DerOnkel

Power-User
26 Nov 2004
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Ellerau
Vor einiger Zeit gab es in einem anderen Board eine Diskusion ĂŒber die sogenannten "Modeler", was fĂŒr mich den Grund geliefert hat, mir einmal ein paar grundsĂ€tzliche Gedanken zu dem Thema zu machen:

Modeler vs. Analog

Bis vor kurzem wurden Übertragungssysteme ausschließlich als analoge Lösung realisiert. Als Grundbestandteile wurden Spulen, Kondensatoren, WiderstĂ€nde, Dioden und Transistoren verwendet. Das man die damit realisierten Funktionen auch in zeit- und wertdiskreter Form realisieren konnte, hatte lange Zeit nur theoretische Bedeutung, da Speicher und schnelle Signalprozessoren (DSP) sehr teuer und/oder nicht verfĂŒgbar waren.

Bei diesem Verfahren werden die analogen Komponenten durch digitale Verzögerungsglieder, Addierer und Mutiplizierer ersetzt. Dabei lassen sich Verzögerugsglieder durch Speicher realisieren und die Rechenoperationen sind eine typische DomÀne eines Mikroprzessors.

Man benötigt also Speicher, DSP und die beiden Wandler (Analog zu Digital und Digital zu Analog) und natĂŒrlich ein Programm, den sogenannten Algorithmus.

1. Eigenschaften eines Übertragungssystems (VerstĂ€rker)

Ein Übertragungssystem ist in der Lage folgende VerĂ€nderungen an einem am Eingang angelegten Signal vorzunehmen:
  1. Lineare VerstÀrkung,
  2. Lineare Verzerrung,
  3. Nichtlineare Verzerrung
Theoretisch gibt es natĂŒrlich auch noch die Variante, daß nichts verĂ€ndert wird, was aus Sicht der Übertragung aber keinen Sinn macht und deshalb im weiteren Verlauf vernachlĂ€ssigt wird. Ein Beispiel fĂŒr so ein System wĂ€re ein idealer Impedanzwandler.

1.1 Lineare VerstÀrkung

Eine angelegte SignalgrĂ¶ĂŸe wird um einen konstanten Faktor vergrĂ¶ĂŸert (VerstĂ€rkung) oder verringert (DĂ€mpfung). Es ist dabei unerheblich, ob es sich Gleichspannung oder Wechselspannung handelt. Alle Frequenzen (auch f=0Hz) werden um diesen Faktor verĂ€ndert.

Beispiel:

Ua= a*Ue (a<1: DÀmpfung, a>1: VerstÀrkung)

Besteht das Eingangsignal also aus einem Frequenzgemisch, wird dieses Gemisch insgesamt verĂ€ndert. Eine Änderung der Signalinformation wird dabei nicht erzeugt!

Diese VerĂ€nderung wird in der Praxis durch einen VerstĂ€rker oder einen Spannungsteiler realisiert, die fĂŒr unser VerstĂ€ndnis jedoch als ideal aufzufassen sind!

1.2 Lineare Verzerrung

Regt man ein System mit einem Dirac-Puls an, so entspricht die Systemantwort im Frequenzbereich exakt seiner Übertragungsfunktion. Der in der Regelungstechnik ĂŒbliche Weg ĂŒber die Sprungantwort basiert auf praktischen Überlegungen, fĂŒhrt letztendlich aber zum gleichen Ziel.

Bei der linearen Verzerrung handelt es sich wiederum um eine VerstĂ€rkung. Allerdings ist diese frequenzabhĂ€ngig. Die Übertragungsfunktion eines elektromagnetischen Tonabehmers ist ein gutes Beispiel dafĂŒr:

SH2B_490.gif


Hier ist zu erkennen, daß Frequenzen unter 1 kHz nicht verstĂ€rkt werden (~0dB), der Bereich zwischen 1 und 3 kHz verstĂ€rkt wird und ab 3kHz eine DĂ€mpfung eintritt.

Im Gegensatz zur linearen VerstĂ€rkung wird hier also das VerhĂ€ltnis der Amplituden der einzelnen Frequenzen verĂ€ndert. Im akustischen VerstĂ€ndnis könnte man sagen, daß eine "Klangumformung" oder "VerfĂ€rbung" stattfindet.

Mathematisch muß dieses Verhalten durch komplexe Gleichung beschrieben werden. EingebĂŒrgert hat sich die Darstellung im Frequenzbereich, die durch die sogenannte Fouriertransformation mit dem Zeitbereich verbunden ist.

Ua(j*w)=G(j*w)*Ue(j*w) (darin ist G(j*w) die Übertragungsfunktion)

Lineare Verzerrungen werden in der Praxis durch sogenannte Filter realisiert. Ein Equalizer ist ein gutes Beispiel fĂŒr einen solchen linearen Verzerrer.

1.3 Nichtlineare Verzerrung

Wir betreten jetzt einen Bereich, der fĂŒr die reine Übertragungstechnik eigentlich unerwĂŒnscht ist. FĂŒr Modulation und Demodulation ist er jedoch notwendig und auch die Gitarristen mögen gerne nichtlineare Verzerrungen.

Diese Art von Verzerrung entsteht durch die Aussteuerung einer nichtlinearen Kennlinie, wie sie bei Röhren und Halbleitern Gang und Gebe ist.

Man kann vereinfacht sagen, daß die VerstĂ€rkung des Systems eine von der Eingangsspannung abhĂ€ngige GrĂ¶ĂŸe ist.

Ua=a(Ue)*Ue

Das bedeutet, daß unabhĂ€ngig von der Frequenz die Ausgangsspannung nur von der Eingangsamplitude beeinflußt wird.
In der Praxis werden die nichtlinearen Kennlinien gerne durch ein Knickkennlinie oder eine quadratische Funktion angenÀhert.

Ua=a*Ue^2

Das sich dadurch die Signalform am Ausgang verÀndert, ist leicht einsehbar. Bei einer Sinusaussteuerung kann die Signalform am Ausgang von einem ein- oder beidseitig abgeplatteten Sinus bis zu einem Rechteck variieren.

Auch wenn man es optisch auf einem Oszilloskop nicht mehr sehen kann, ist das Ergebnis einer solchen Verzerrung "hörbar". Unterwirft man das Ausgangssignal einer Fourieranalyse, so stellt man fest, daß zusĂ€tzliche Frequenzen im Spektrum auftauche, die im Eingangssignal nicht enthalten waren. Je nachdem, ob es sich um Vielfache der Eingangsfrequenz handelt oder nicht, empfinden wir das Resultat als "klingend" oder als GerĂ€usch.

Analog zur linearen Verzerrung muß man bei der nichtlinearen Verzerrung von einer "Klangerweiterung" sprechen.

Da zusÀtzliche Frequenzen entstehen, Àndert sich auch die Information des Signales. Wir hören jetzt ja ein anderes Klangereignis!

2. Der VerstÀrker

2.1 Die analoge Welt

Bevor man sich mit der digitalen Nachbildung eines VerstĂ€rkers befaßt, sollte man die analoge Realisierung genau analysieren. Betrachten wir einmal die bekannte VerstĂ€rkerschaltung. Dabei spielt es erst einmal keine Rolle, ob ein Transistor oder eine Röhre verwendet wird.
  1. Durch die Beschaltung mit WiderstÀnden macht die Schaltung eine lineare VerstÀrkung. Das ist genau das, was sie ja auch tun soll. Aber
  2. durch die KapazitÀten (Trennkondensatoren zur Arbeitspunktabsicherung,...) und die WiderstÀnde entsteht jedoch auch ein frequenzabhÀngiges Verhalten. Es ergeben sich dadurch in erster Linie drei HochpÀsse.

    Da das VerstĂ€rkerelement (Transistor, Röhre) auch ĂŒber parasitĂ€re KapazitĂ€ten verfĂŒgt, entstehen noch weitere Filter, die in aller Regel ein Tiefpaßverhalten zur Folge haben. Über alles entsteht dann meist ein sogenannter Bandpaß. Wir haben also jede Menge linearer Verzerrer im Spiel.
  3. Die Kennlinien des aktiven Elementes sind nur innerhalb eines gewissen Aussteuerbereiches annĂ€hernd linear. Durch gezielte Gegenkopplung wird versucht, diesen Bereich zu vergrĂ¶ĂŸern.
Wird das System ĂŒbersteuert, so entstehen nichtlineare Verzerrungen.

2.2 VerstÀrker goes digital...

Möchte man das eben beschriebene Verhalten digital nachbilden, so sind mehrere Dinge notwendig:
  1. Nachbildung der linearen VerstÀrkung

    Das ist relativ einfach. Das digitalisierte Signal wird einfach mit einer konstanten GrĂ¶ĂŸe multipliziert.
  2. Nachbildung der linearen Verzerrung

    Hier mĂŒssen mehrere analoge Filter digital nachgebildet werden. Dazu ist es unbedingt notwendig, die entsprechenden Übertragungsfunktionen zu kennen. Sie werden dann mathematisch abgetastet. Dabei kommt dann die sogenannte Z-Transformation zum Einsatz.

    G(j*w) -> H(z)

    Am Ende der Prozedur steht dann ein Algorithmus, der aus Verzögerungen, Addierern und Multiplizieren besteht. Die Koeffizienten fĂŒr die Multiplizierer ergeben sich aus der Übertragungsfunktion H(z).

    Die Realisierung solcher Filter mit Hilfe eines DSP stellt heute kein großes Problem mehr dar.
  3. Nachbildung der nichtlinearen Verzerrung

    Hier wird es schon etwas schwieriger. GrundsĂ€tzlich muß man die nichtlineare Kennlinie digital nachbilden. Da sich eine geschlossene mathematische Beschreibung in der Regel als schwierig und daher ungenau erweist, wird das ganze hĂ€ufig durch eine Tabelle gelöst.

    In ihr wird jedem möglichen Wert der Eingangsspannung der entsprechende Wert der Ausgangsspannung zugeordnet. Da bei einem digitalen Signal die Wertemenge der Amplitude begrenzt ist, kann man den Eingangswert hervorragen als Index benutzen, um so aus einem mit Werten belegten Array den notwendigen Ausgangswert auszulesen.
Auch die nichtlineare Verzerrung lĂ€ĂŸt sich also gut mit den Mitteln der digitalen Signalverarbeitung nachbilden.

2.3 Der Teufel steckt im Detail

Da wir jetzt wissen, welche digitalen System wir benötigen, kann man das ganze ja mal schnell zusammenprogrammieren. Aber so einfach ist das leider nicht, denn es kann von entscheidender Bedeutung sein, an welcher Stelle der Kette die Nachbildung der Verzerrung erfolgt. Wer schon einmal mit einen Equalizer vor und nach einem Verzerrer experimentiert hat weiß, daß bezĂŒglich der Wirksamkeit und des Effektes große Unterschiede bestehen.

Es gibt viele kleine Dinge, die das Resultat nicht zu 100 Prozent vergleichbar machen können:
  1. Die Reihenfolge von VerstÀrker, Filter(n) und Verzerrer(n)
  2. Die Auflösung der Lockup-Table fĂŒr den Verzerrer
  3. Die Realisierung der Filter
  4. Übertragungsfehler durch ADC und DAC.
Wie bei jeder digitalen Signalverarbeitung eines analogen Signals muß man natĂŒrlich sicherstellen, daß der ADC in keinem Fall ĂŒbersteuert wird! Entweder wird der Aussteuerbereich ausreichend groß gewĂ€hlt, oder es muß bei Bedarf eine Begrenzung der Signalamplitude vorgenommen werden. In diesem Zusammenhang fĂ€llt auch hĂ€ufig der Begriff "Headroom".
In der Praxis wird man sicherlich eine Kombination beider Methoden wÀhlen.

2.4 Das Modell eines InstrumentenverstÀrkers

Das, was fĂŒr eine VerstĂ€rkerstufe gilt, muß natĂŒrlich auch fĂŒr einen gesamten VerstĂ€rker gelten. Es macht jedoch keinen Sinn, das gesamte GerĂ€t als Box mit einem Eingang und Ausgang zu verstehen und die Meßergebnisse in eine digitale Lösung umzusetzen. Dabei bleiben zu viele Details auf der Strecke. Der bessere Weg ist dieser:
  1. Zerlegung des analogen VerstÀrkers in einzelne Stufen.
  2. Analoge Modellierung der einzelnen Stufen.
  3. Digitalisierung der analogen Modelle (Algorithmen).
  4. Verkettung der einzelnen Algorithmen zu einer Gesamtlösung.
Das, was hier mal schnell in 4 Schritten dargestellt wurde, ist allerdings eine sehr umfangreiche Aufgabe. Gerade die beiden ersten Punkte bedĂŒrfen großer Aufmerksamkeit, denn jeder Fehler in den analogen Modellen ist dann spĂ€ter auch in der digitalen Lösung enthalten. Wer hier also an Aufwand spart, wird nie zu einem akzeptablen Ergebnis gelangen!

3. Ein Modeler klingt schlecht!

Das muß allerdings nicht so sein. Der zu treibende Entwicklungsaufwand ist jedoch nicht unerheblich und kann in der Regel nur von Elektroingenieuren geleistet werden. Dementsprechend entstehen hier hohe Kosten. Damit dĂŒrfte auch klar geworden sein, warum die billigen Modeler tatsĂ€chlich schlecht klingen. Man hat aus Zeit- und KostengrĂŒnden einfach nicht sorgfĂ€ltig genug gearbeitet und quasi die HĂ€lfte vergessen!

Zusammenfassung

Mit Hilfe der Methoden der digitalen Signalverarbeitung lĂ€ĂŸt sich ein analoger VerstĂ€rker vollstĂ€ndig nachbilden (Gleiches gilt ĂŒbrigens auch fĂŒr die Modellierung von Effekten).

Die QualitÀt und damit das klangliche Ergebnis steht und fÀllt mit der QualitÀt der verwendeten analogen Modelle des zu modellierenden VerstÀrkers.

Ulf
 
DerOnkel":uw4u7klf schrieb:
3. Ein Modeler klingt schlecht!

Das muß allerdings nicht so sein. Der zu treibende Entwicklungsaufwand ist jedoch nicht unerheblich und kann in der Regel nur von Elektroingenieuren geleistet werden. Dementsprechend entstehen hier hohe Kosten. Damit dĂŒrfte auch klar geworden sein, warum die billigen Modeler tatsĂ€chlich schlecht klingen. Man hat aus Zeit- und KostengrĂŒnden einfach nicht sorgfĂ€ltig genug gearbeitet und quasi die HĂ€lfte vergessen!

Vor etlichen Jahren wurde mal in G & B der Aufwand beschrieben, der z.B. fĂŒr ein Amp-Model zu erbringen war. Fand ich sehr interessant! Thomas Blug erzĂ€hlte im Rahmen eines Tages der offenen TĂŒr bei H & K und spĂ€ter nochmal vor einem Konzert im REX, das die Entwicklungskosten fĂŒr ein Model ca. 20.000 DM betrugen.

Umso weniger verstÀndlich ist es, dass H & K auf halbem Wege aufgegeben hat. Auf meine mail vom Januar 2004 habe ich nie eine Antwort erhalten.

mad cruiser":uw4u7klf schrieb:
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