GL 2 T

Seriennummer
5578
Hersteller
Steinberger
Baujahr
1988
Der Protagonist ist unversehens in den Achtzigern angekommen. Mit dem Punk kam die Tele zu längst verdienten Ehren, allerdings machte sie sich auch mit der Neuen Welle – oder wie das im Ausland vorher hieß „New Wave“ – gut. Nach radikalen Anfängen in einer Mischung aus bildender Kunst mit vielen avantgardistischen Performance Elementen macht sich wellemäsig Pop und Style breit. Jan Hammer spielte die Musik zu einer meiner alltime Lieblingsfernsehserien „Miami Vice“ und Leute wie Falco waren für mich plötzlich en vogue. Ich habe meine Lederjacken deshalb nicht weg geworfen, aber plötzlich weite Bundfaltenhosen mit Umschlag angezogen, trug Halb- statt hoher Turnschuhe, hatte Schulterpolster und Minipli. Meine Freundin war in der Designschule und ich arbeitete meine Vorliebe für klare Designs heraus. Die Reduzierung der Gitarre auf das absolute Mindestmaß, auf den ersten Blick nicht (viel) mehr als ein viereckiges Brett mit Hals, das Bo Diddley Modell stand sicher ein bisschen Pate, die Steinberger kam auf den Markt und wurde fortan für mich das Maß des Gitarrendesigns. In Formel Eins der aktuellen Musiksendung meines Vertrauens spielten plötzlich alle Steinberger (Bässe, aber auch Gitarren), Moti Special, alle diese Popfritzen! Wie geil und erst der Basssound bei Pete Townshends „Give Blood“ (und die Chor Sängerinnen, ich liebe die Achtziger) oder Annette Hopfenmüller bei Herwig Mitteregger am Bass, hui!
Es bedarf keiner Erwähnung, dass ich diese Gitarre in echt nicht in die Hände bekam. Da halfen auch Miniplis und Bundfaltenhosen nix. Im Vorbeifahren sah ich dann im Showroom eines kleinen Musikgeschäfts die rote Hohner stehen. Angehalten, Nase platt gedrückt, der Laden hatte schon zu, total GAS. Ich weiß nicht mehr genau was sie kostete, entgegen meiner sonstigen Gewohnheit habe ich die Rechnung nicht gleich abgelegt und schon war sie weg. Ich glaube es waren knappe 500,00 DM. Dazu baute ich mir einen Koffer der formgetreu der Gitarre angepasst und mit geprägtem schwarzen Plüsch ausgekleidet ist, der Wahnsinn!
Die Hohner hatte fĂĽr mich allerdings einen Nachteil. Sie setzte sich in der Band auch nach Pickuptausch nicht in dem Sinne durch den ich brauchte. Schade. Hergeben wollte ich sie dennoch nicht.
Jahre später, irgendwann Mitte der 00er Jahre, ich bin Stammgast bei ebay und es gab etwas Geld. Ich habe dann bei Thomann oder einem ähnlichen Portal eine Suchanzeige für eine echte Steinberger aufgeben, nachdem ich erfolglos nach Angeboten recherchiert hatte. Tatsächlich bot mir ein Kollege aus der Schweiz eine GL 2 für € 2.200,00 an. Nach kurzem Familienrat, die Designschülerin war mitterweile Kunsthistorikerin geworden, lehnten wir ab! Wenn ich mich recht erinnere ging diese Gitarre später in der Bucht für € 1.800,00 übern Tisch.
Ich habe dann kontinuierlich nach diesen Steinbergern gesucht, meist kamen sie aus Hong Kong oder Amerika, mal auch aus Italien oder Spanien und kosteten alle deutlich über € 2.000,00. Diese Preise erschienen mir marktgerecht und ich konnte mir das damals auch durchaus leisten, aber Vorkasse nach Hong Kong war mir suspekt.
Dann war ich 2008 in New York und dachte wo, wenn nicht hier?
Wir haben wirklich alle Gitarrenläden in Manhatten abgeklappert, „oh you’re looking for a Steinberger, fantastic. I do not have one, but I suggest you to go to XXX Store, in any case ask for YYY, he will help you … say I told you …” “You’re from germany, great, I got friends in Berlin, wonderful, let me call ZZZ maybe he can help us …” Thanks, euch allen, Ihr wart wunderbar hilfsbereit und (fast) alle super freundlich. Eventuell hätte man mir eine aus Californien besorgen können. Bei deren Ankunft wäre ich allerdings dann schon wieder zuhause gewesen…
Die Kleinanzeigen der Guitar, ich glaube das erste Mal online überhaupt besucht, wiesen mir dann nur gute 2 Monate später den Weg. Die GL 2 T aus erster Hand mit allen Papieren, nur so ein kleines Teil vom Tremolo war nicht mehr auffindbar, in bestem Zustand in Hannover von einem Akademiker. Der schwierigste Part war den Verkäufer zu erreichen. „ Oh Mr. XXX, sorry he is actually in the Laboratory, please try again in 30 minutes…“, das gleiche auch gerne in (gebrochenem) Deutsch. Und dennoch konnte ich dann irgendwann tatsächlich mit dem Verkäufer reden. In einem Zeitfenster von 1 ½ Stunden empfing er mich in Braunschweig bevor die Kindergeburtstagsparty einer seiner Töchter startete. Ich habe es trotz Navi nicht gleich gefunden: so eine Reihenhaussiedlung, total nette entspannte Leute und freundliche Kinder, ein aufgeregter Hund, ein kurzer Test, wenn er das fehlende Teil noch finde, schicke er es mir nach, ansonsten ne Mail mit der genauen Bezeichnung zum Ordern bei Steinberger, Kaufvertrag, Zahlung, € 1.350,00 plus Sprit nach Hannover und die GL2T war mir. Geiiiiiilll!
Ein unglaubliches Instrument. Es liegt trotz relativ fleischigem Hals super in der Hand. Spielt sich wie von selbst, ist extrem resonant, toller Attack, irres Sustain und trotz der EMG 81 auch clean durchaus einsetzbar. Der helle Wahn. Ich erwäge den Hals PU bei Gelegenheit durch einen 89, der hier noch rumliegt, zu ersetzen. Das machte diese Gitarre (noch) vielseitiger.
Zur Frist Lady fehlen der Steinberger die vielen gemeinsamen Jahre, die ich mit anderen Instrumenten aus dem Pool teile. Linienführung, Handling und Sound sind einmalig. Sicher ist das nicht jedermanns Ding. Polarisiert schon die Optik ist der Sound manchem sicher zu „kühl“ (mit Verlaub: mE völliger Quatsch). Dazu kommen dann noch die EMGs. Im Vergleich mit meiner Paul Stanley klingen die 81er hier aber weitaus „offener“, weniger „heavy“.
Da bei mir am Hinterkopf unaufhaltsam das Knie wächst, ist es mit Minipli nix mehr. Die Bundfaltenhosen bekomme ich am Bund allerdings schon noch zu und ein Jackett mit Schulterpolstern habe ich auch noch im Schrank, und dann „cold days, hots nights“, gerne mit Gina und Trudy …

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