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Anonymous
Guest
Hi Gitarreros,
wir hatten ja schonmal eine Diskussion über mangelndem Service und Beratung, über Fachpersonal und ahnungslose Aushilfen in Musikläden gehabt. Der Grund: viele Läden stellen kein Fachpersonal mehr ein.
Einige werden mitgekriegt haben das ich selber Musikalienhändler bin, aber keine Chance auf eine Anstellung habe. Ich habe deshalb mal einen Brief an den Verband der Musikgeschäfte geschrieben den ich auch mal hier veröffentlichen möchte.
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Musikhandel, bzw. in den neuesten GDM-Mitteilungen weisen Sie auf die geringe Anzahl der Auszubildenden zum Musikalienhändler, bzw. auf zuwenig Geschäfte, die ausbilden, hin.
Leider weisen Sie aber nicht auf die geringen Chancen (bzw. auf die Möglichkeiten einer Anstellung), die Musikalienhändlern NACH ihrer Ausbildung gegeben sind, hin (wenn diese nicht gerade das Glück hatten, nach der Ausbildung übernommen zu werden, so wie es mir passiert ist)
Das ist jedenfalls der Eindruck, den ich mittlerweile vom Berufsstand des Musikalienhändlers gewonnen habe.
Warum?
Nun, erstmal soviel zu den positiven Seiten des Berufs, bzw. meiner Motivation diesen Beruf zu erlernen:
Ich habe mich Mitte der 90er Jahre für die Ausbildung zum Musikalienhändler entschieden, da sich alles bei mir um Musik gedreht hat, bzw. es noch heute tut: Musik hören, sammeln, musizieren, Konzertbesuche, Fachsimpeln... Was war als naheliegender als diesen Beruf aufgrund meiner Musikbegeisterung zu erlernen?
Zumal mir die Freude am Beruf weitaus wichtiger als der Verdienst ist (ich weiss, das man als Musikalienhändler nicht reich wird...). Mit macht(e) der Umgang mit Kunden Spass, die Möglichkeit zum fachsimplen, die lockere Art (wie es sie ausserhalb der Musikbranche nicht so gibt); die Idee mein Hobby (bzw. was dem näherkommt) beruflich umzusetzen uberwogen die Überlegegungen welche Möglichkeiten mir noch nach der 10. Klasse offenstanden.
Dafür habe ich mich sogar für die Ausbildung anstelle einer weiterführenden Schule (und somit anstelle eines höheren Schulabschlusses) entschieden.
Wurde ich anfangs für meine Berufswahl belächelt, missverstanden (ich wurde als Verkäufer, der an der Kasse steht, bezeichnet), stirnrunzelnd hinterfragt ("Musi...was? Was machst du?") oder gar vom Arbeitsamt alles andere als unterstützt ("nun klappern sie mal die Geschäfte ab", als ich als Traumberuf "Gitarrenbauer" nannte; die Bezeichnung "Zupfinstrumentenmacher" fand ich gleich abschreckend, das ich die Idee gleich wieder verwarf), so habe ich stets darauf bestanden als Musikalienhändler und nicht bloss als "Einzelhandelskaufmann im Musikgeschäft" angesehen zu werden. Wenn schon, dann auch konsequent. Genau die Einstellung auf die Sie in der Mitteilung hinweisen.
Ich habe die Entscheidung mit der Auffassung begründet, das ich das Geld damit verdiene, wofür ich es konsumiere, ( CD's, Gitarren und Zubehör, Konzertbesuche, Musikzeitschriften, usw.)
Auch wenn es das meiste nicht in unserem Sortiment gibt, so ist es doch die gleiche Branche. Für mich bedeutet "Musikalienhändler" sämtlicher Bereich indem mit der Ware "Musik" gehandelt wird, und nicht bloss Angestellter im Musikladen.
Nun aber zu den Schattenseiten des Berufes:
Über die schlechte Lage in der Musikwirtschaft (weniger Kunden, immer mehr Service für weniger Verdienst...) brauche ich nicht zu philosophieren. Das hiesse Eulen nach Athen tragen.
Vor längerer Zeit bin ich aus privaten Gründen (Beziehung) in einer der grössten deutschen Stadt gezogen.
Aufgrund des damit verbundenen (erheblich) längeren Fahrtweges und da ich mehr in meinem Metier arbeiten möchte (Gitarren z.B.) habe ich mich noch vor dem Umzug nach einer neuen Stelle in der Stadt umgeschaut. Ausserdem ist die Zukunft meines (noch aktuellen) Arbeitsplatzes ungewiss.
Sämtliche Bewerbungen blieben - wer hätte damit gerechnet - erfolglos. Manche Bewerbungen blieben unbeantwortet, auf manche Nachfragen erhielt ich antworten wie "Musikalienhändler? Diesen Beruf gibt es bei uns nicht!" (War übrigens das grösste Musikhaus weit und breit) oder ich war nicht anspruchsvoll genug: "Abitur Voraussetzung, am liebsten Musikstudenten" - (Wofür habe ich mich denn nun für die Ausbildung anstelle der weiterführenden Schule entschieden?) oder gar "Zu teuer. Wir können keine Fachkräfte bezahlen." (wie bitte? wieviel weniger noch kann eine Aushilfe verdienen?) Na prima! Wofür habe ich denn den Beruf gelernt? Haben nun Aushilfen etwa bessere Chancen?
Ich dachte "viele Musikhändler stellen Musikalienhändler bevorzugt ein!"
Was nun? Ich habe nicht trotz - sondern gerade WEGEN - der Ausbildung KEINE Chance im Beruf in meiner näheren Umgebung unterzukommen.
Sieht so etwa "der Wert der qualifizierten Ausbildung" aus?
Stattdessen darf ich seit meinem Umzug den damit verbundenen längeren Arbeitsweg (mit dem ÖPNV) in Kauf nehmen. Das Chaos mit der Deutschen Bahn (täglich überfüllte Züge, ständige Verspätungen zur Arbeit) brauche ich erst gar nicht näher zu erläutern.
Das wirkt sich natürlich auf die Arbeits(un)lust aus. Der Stress mit der Fahrerei sowie die (sehr) hohen Fahrtkosten stehen in absolut keinem Verhältnis zu dem kleinen Verdienst!
Dafür dann der hohe Zeitaufwand...
Sie können ja argumentieren das ich ja zum Arbeitsplatz hinziehen könnte, aber ich sehe nicht ein das ich meinen Beruf ÜBER die Beziehung stelle (in der der andere Teil ein mehrfaches verdient!)
Zum anderen ist die Zukunft meines Arbeitsplatzes nicht mehr sicher. (Ich arbeite deshalb schon nicht mehr vollzeitig)
Aus der anfänglichen Begeisterung blicke ich nun in eine ungewisse Zukunft. Mittlerweile habe ich auch die Freude am Musikkonsum verloren, so das ich diesen drastisch reduziert habe.
Mir gefällt die Tatsache nicht das ich damit die (Aushilfs-) Jobs mit-finanziere die ich gerne hätte, bzw. die mir verwehrt bleiben! Da mein Musikkonsum bis vor kurzem nicht gerade gering war und recht die Kosten für den Arbeitsweg viel zu hoch sind, habe den Eindruck nur noch zu arbeiten um mir meinen Job, bzw. meinen Beruf erhalten zu können.
Ich bereue zwar nicht mich DAMALS für den beruf entschieden zu haben, aber heute würde ich es nicht mehr tun.
Ich hatte nach der Ausbildung sogar die Möglichkeit einen höheren Abschluss zu erlangen, dafür hätte ich ein Halbjahr an die Berufsschule dranhängen können. Dann hätte ich aber nicht vollzeitig arbeiten können und wäre nicht übernommen worden. Heute frage ich mich ob ich damals nicht eine Fehlentscheidung (und zwar eine ganz bedeutende) getroffen habe.
Ich freue mich zwar das es noch junge Leute gibt die diesen Beruf erlernen möchten, aber ich würde jedem von dieser Entscheidung abraten!
Warum sollen noch junge Menschen zum Musikalienhändler ausgebildet werden (so wie Sie es fordern), wenn man sich nach der Ausbildung in diesem Beruf nicht verwirklichen kann?
Ist DAS etwa "im Sinne der Branche"? Halten Sie es für verantwortlich mehr Ausbildungsplätze zu fordern, wenn die nötigen Arbeitsplätze dazu fehlen?
Sollte ich in absehbarer Zeit keine Stelle finden, so werde ich den Beruf an den Nagel hängen (müssen) und dem Musikhandel auch als Kunde ganz den Rücken zukehren. Wenn schon, denn schon. Ich frage mich ob ich wohl zu blauäugig mit meiner Berufswahl gewesen bin. Von ihrer Forderung "Ausbildung nicht unter "Wert verkaufen!" bleiben für mich nur leere Worte übrig.
Mit musikalischen Grüssen.
wir hatten ja schonmal eine Diskussion über mangelndem Service und Beratung, über Fachpersonal und ahnungslose Aushilfen in Musikläden gehabt. Der Grund: viele Läden stellen kein Fachpersonal mehr ein.
Einige werden mitgekriegt haben das ich selber Musikalienhändler bin, aber keine Chance auf eine Anstellung habe. Ich habe deshalb mal einen Brief an den Verband der Musikgeschäfte geschrieben den ich auch mal hier veröffentlichen möchte.
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Musikhandel, bzw. in den neuesten GDM-Mitteilungen weisen Sie auf die geringe Anzahl der Auszubildenden zum Musikalienhändler, bzw. auf zuwenig Geschäfte, die ausbilden, hin.
Leider weisen Sie aber nicht auf die geringen Chancen (bzw. auf die Möglichkeiten einer Anstellung), die Musikalienhändlern NACH ihrer Ausbildung gegeben sind, hin (wenn diese nicht gerade das Glück hatten, nach der Ausbildung übernommen zu werden, so wie es mir passiert ist)
Das ist jedenfalls der Eindruck, den ich mittlerweile vom Berufsstand des Musikalienhändlers gewonnen habe.
Warum?
Nun, erstmal soviel zu den positiven Seiten des Berufs, bzw. meiner Motivation diesen Beruf zu erlernen:
Ich habe mich Mitte der 90er Jahre für die Ausbildung zum Musikalienhändler entschieden, da sich alles bei mir um Musik gedreht hat, bzw. es noch heute tut: Musik hören, sammeln, musizieren, Konzertbesuche, Fachsimpeln... Was war als naheliegender als diesen Beruf aufgrund meiner Musikbegeisterung zu erlernen?
Zumal mir die Freude am Beruf weitaus wichtiger als der Verdienst ist (ich weiss, das man als Musikalienhändler nicht reich wird...). Mit macht(e) der Umgang mit Kunden Spass, die Möglichkeit zum fachsimplen, die lockere Art (wie es sie ausserhalb der Musikbranche nicht so gibt); die Idee mein Hobby (bzw. was dem näherkommt) beruflich umzusetzen uberwogen die Überlegegungen welche Möglichkeiten mir noch nach der 10. Klasse offenstanden.
Dafür habe ich mich sogar für die Ausbildung anstelle einer weiterführenden Schule (und somit anstelle eines höheren Schulabschlusses) entschieden.
Wurde ich anfangs für meine Berufswahl belächelt, missverstanden (ich wurde als Verkäufer, der an der Kasse steht, bezeichnet), stirnrunzelnd hinterfragt ("Musi...was? Was machst du?") oder gar vom Arbeitsamt alles andere als unterstützt ("nun klappern sie mal die Geschäfte ab", als ich als Traumberuf "Gitarrenbauer" nannte; die Bezeichnung "Zupfinstrumentenmacher" fand ich gleich abschreckend, das ich die Idee gleich wieder verwarf), so habe ich stets darauf bestanden als Musikalienhändler und nicht bloss als "Einzelhandelskaufmann im Musikgeschäft" angesehen zu werden. Wenn schon, dann auch konsequent. Genau die Einstellung auf die Sie in der Mitteilung hinweisen.
Ich habe die Entscheidung mit der Auffassung begründet, das ich das Geld damit verdiene, wofür ich es konsumiere, ( CD's, Gitarren und Zubehör, Konzertbesuche, Musikzeitschriften, usw.)
Auch wenn es das meiste nicht in unserem Sortiment gibt, so ist es doch die gleiche Branche. Für mich bedeutet "Musikalienhändler" sämtlicher Bereich indem mit der Ware "Musik" gehandelt wird, und nicht bloss Angestellter im Musikladen.
Nun aber zu den Schattenseiten des Berufes:
Über die schlechte Lage in der Musikwirtschaft (weniger Kunden, immer mehr Service für weniger Verdienst...) brauche ich nicht zu philosophieren. Das hiesse Eulen nach Athen tragen.
Vor längerer Zeit bin ich aus privaten Gründen (Beziehung) in einer der grössten deutschen Stadt gezogen.
Aufgrund des damit verbundenen (erheblich) längeren Fahrtweges und da ich mehr in meinem Metier arbeiten möchte (Gitarren z.B.) habe ich mich noch vor dem Umzug nach einer neuen Stelle in der Stadt umgeschaut. Ausserdem ist die Zukunft meines (noch aktuellen) Arbeitsplatzes ungewiss.
Sämtliche Bewerbungen blieben - wer hätte damit gerechnet - erfolglos. Manche Bewerbungen blieben unbeantwortet, auf manche Nachfragen erhielt ich antworten wie "Musikalienhändler? Diesen Beruf gibt es bei uns nicht!" (War übrigens das grösste Musikhaus weit und breit) oder ich war nicht anspruchsvoll genug: "Abitur Voraussetzung, am liebsten Musikstudenten" - (Wofür habe ich mich denn nun für die Ausbildung anstelle der weiterführenden Schule entschieden?) oder gar "Zu teuer. Wir können keine Fachkräfte bezahlen." (wie bitte? wieviel weniger noch kann eine Aushilfe verdienen?) Na prima! Wofür habe ich denn den Beruf gelernt? Haben nun Aushilfen etwa bessere Chancen?
Ich dachte "viele Musikhändler stellen Musikalienhändler bevorzugt ein!"
Was nun? Ich habe nicht trotz - sondern gerade WEGEN - der Ausbildung KEINE Chance im Beruf in meiner näheren Umgebung unterzukommen.
Sieht so etwa "der Wert der qualifizierten Ausbildung" aus?
Stattdessen darf ich seit meinem Umzug den damit verbundenen längeren Arbeitsweg (mit dem ÖPNV) in Kauf nehmen. Das Chaos mit der Deutschen Bahn (täglich überfüllte Züge, ständige Verspätungen zur Arbeit) brauche ich erst gar nicht näher zu erläutern.
Das wirkt sich natürlich auf die Arbeits(un)lust aus. Der Stress mit der Fahrerei sowie die (sehr) hohen Fahrtkosten stehen in absolut keinem Verhältnis zu dem kleinen Verdienst!
Dafür dann der hohe Zeitaufwand...
Sie können ja argumentieren das ich ja zum Arbeitsplatz hinziehen könnte, aber ich sehe nicht ein das ich meinen Beruf ÜBER die Beziehung stelle (in der der andere Teil ein mehrfaches verdient!)
Zum anderen ist die Zukunft meines Arbeitsplatzes nicht mehr sicher. (Ich arbeite deshalb schon nicht mehr vollzeitig)
Aus der anfänglichen Begeisterung blicke ich nun in eine ungewisse Zukunft. Mittlerweile habe ich auch die Freude am Musikkonsum verloren, so das ich diesen drastisch reduziert habe.
Mir gefällt die Tatsache nicht das ich damit die (Aushilfs-) Jobs mit-finanziere die ich gerne hätte, bzw. die mir verwehrt bleiben! Da mein Musikkonsum bis vor kurzem nicht gerade gering war und recht die Kosten für den Arbeitsweg viel zu hoch sind, habe den Eindruck nur noch zu arbeiten um mir meinen Job, bzw. meinen Beruf erhalten zu können.
Ich bereue zwar nicht mich DAMALS für den beruf entschieden zu haben, aber heute würde ich es nicht mehr tun.
Ich hatte nach der Ausbildung sogar die Möglichkeit einen höheren Abschluss zu erlangen, dafür hätte ich ein Halbjahr an die Berufsschule dranhängen können. Dann hätte ich aber nicht vollzeitig arbeiten können und wäre nicht übernommen worden. Heute frage ich mich ob ich damals nicht eine Fehlentscheidung (und zwar eine ganz bedeutende) getroffen habe.
Ich freue mich zwar das es noch junge Leute gibt die diesen Beruf erlernen möchten, aber ich würde jedem von dieser Entscheidung abraten!
Warum sollen noch junge Menschen zum Musikalienhändler ausgebildet werden (so wie Sie es fordern), wenn man sich nach der Ausbildung in diesem Beruf nicht verwirklichen kann?
Ist DAS etwa "im Sinne der Branche"? Halten Sie es für verantwortlich mehr Ausbildungsplätze zu fordern, wenn die nötigen Arbeitsplätze dazu fehlen?
Sollte ich in absehbarer Zeit keine Stelle finden, so werde ich den Beruf an den Nagel hängen (müssen) und dem Musikhandel auch als Kunde ganz den Rücken zukehren. Wenn schon, denn schon. Ich frage mich ob ich wohl zu blauäugig mit meiner Berufswahl gewesen bin. Von ihrer Forderung "Ausbildung nicht unter "Wert verkaufen!" bleiben für mich nur leere Worte übrig.
Mit musikalischen Grüssen.