Hallo zusammen!
Mein neuer Amp ist da und es ist ein Peavey Bandit geworden. Bislang ist das alles natürlich noch Honeymoon. Ob der Bandit wirklich der aktuell richtige Amp für mich ist, wird sich noch zeigen. Dennoch möchte ich meine bisherigen Gedanken und Erfahrungen schon einmal zusammen fassen. Vielleicht hilft es dem einen oder anderen beim Kauf seines Amps und sei es nur dadurch, dass derjenige meine Gedanken als Unsinn verwirft und sich eigene macht.
Weitere Teile werden folgen. Nach der ersten Probe und nach ein paar Wochen. Ich hoffe, ich kann Anfang des Jahres auch einen Gig-Bericht liefern.
Wer sich für die Geschichte meiner Ampsuche nicht interessiert, kann den Text bis zu „Es geht los“ überspringen.
Alles begann mit dem Verkauf meines Tech21 Trademark 60. Ich hatte zu dem Zeitpunkt keine „elektrische Band“ mehr und hatte den Amp auch irgendwie satt. Prompt kam eine neue Band, ich benutzte das Vox Tonelab, später in Verbindung mit einem Hughes&Kettner Silver Edition (ein langes Review dazu gibt es auch.) Diese Anlage ging mir irgendwann einfach auf die Nerven. Ich kaufte wieder einen Tech21, den ich ja in guter Erinnerung hatte. Komischerweise gefiel mir „der Neue“ gar nicht – er klang belegt in den Höhen. Nun kann es gut sein, dass ich mittlerweile in den Höhen nicht mehr so gut höre oder ich eine verklärte Erinnerung in mir trug – sei es drum, ich war nicht zufrieden. Selbstverständlich probierte ich, den Speaker zu tauschen, was keinerlei Erfolg brachte.
Dann ergab sich die Chance, mit rolli zu tauschen, er bekam den Tech21 und ich dafür einen PCL Stagedingens 60. Der PCL erfreut sich hier im Forum größter Beliebtheit – mir gefiel er dennoch nicht wirklich. Ich war überzeugt davon, den Amp in kürzester Zeit für einen Rekordpreis über die Börse hier zu verticken, musste aber feststellen, dass zwischen Forumsbeliebtheit und reißendem Verkaufsabsatz doch ein Unterschied besteht. Irgendwann erbarmte sich auge und der PCL hat jetzt in Österreich ein besseres Leben. Der Verkauf des Amps passte zeitlich sehr gut, ich zog gerade um und der Platz war knapp und die elektrische Band hatte sich in der Zwischenzeit auch gerade in ihre Bestandteile aufgelöst.
Ich beschloss, eine eierlegende Wollmilchsau zu kaufen, einen digitalen Amp mit Floorboard, und auf das letzte Eckchen Sound zu pfeifen und mich gefälligst mit den Nachteilen dieser Spezies zu arrangieren. Der Beschluss stand fest, ich pfiff, es stellte sich heraus, dass das Pfeifen auf die Nachteile allerdings nicht funktionierte.
In der Zwischenzeit spielte ich mit meinem Tech21 Liverpool Pedal, probierte eine Menge Zerrer davor und anderen Krempel dahinter. Letzten Endes überlebten ein Fulltone OCD und ein MXR Micro Amp als Booster die Testreihen. Für die Effekte kam das Line6 M5 zum Einsatz und am Ende landete das Ganze in einem Aktivmonitor. Das war prima so und mit der Anlage ging es dann in meiner mittlerweile neuen elektrischen Band auch weiter.
Dort ergab sich dann ein kleines Problem. Meine Motivation für einen Ampkauf ging erbarmungslos gegen Null, denn das klang einfach klasse. Zum Glück setzte sich die Unvernunft durch und ich setzte meine Ampsuche weiter fort. Virtuell vorausgewählt waren der Bugera V22, der Tech21 Trademark 30 und von Peavey der Envoy und der Bandit. Der Bugera schien mir ein Dauerkandidat für die Werkstatt zu sein und Behringer mag ich eh nicht – raus aus der Auswahl! Der Tech21 kam vor allem wegen seines berühmten XLR-Ausgangs in Betracht. Ich erinnerte mich allerdings an den GT2, der mit der Ampsektion des Trademark 30 sehr verwandt ist und daran, dass der GT2 gegen die neueren Produkte aus dem Haus Tech21 doch abfällt. Da der Tech21 vergleichsweise teuer ist, nur 30 Watt und einen 10er Speaker hat, fiel er doch durchs Raster. Beim Stöbern in der Bedienungsanleitung des Envoy fiel mir auf, dass der keinen Effektweg hat und auch da waren Leistung und Speaker zweifelhaft. Das fand ich doof, kein Envoy. Also dann der Klick bei Thomann für den Peavey.
Es geht los!
Der Bandit ist kein Übungsamp sondern ein ausgewachsener Combo. Das Gehäuse erscheint mir stabil (im krassen Gegensatz zum PCL, der in ein umgebautes Meerschweinchengehäuse eingebaut daherkommt). Okay, Griff, Füße und Ecken wirken freundlich gesprochen preiswert – es ist aber auch ein sehr preiswerter Amp. Die ungefähr 20 kg Gewicht lesen sich schwerer als ich sie finde. Im Vergleich wiegt eine volle Kiste Bier mit 0,33 l Flaschen etwa 17 kg, damit man mal eine Vorstellung hat. Das ist problemlos zu händeln von der Wohnung oder dem Probenraum raus ins Auto oder bei Transporten zu Gigs aber definitiv nichts mehr für den Spaziergang zum Gig mit dem Amp in der Hand.
Natürlich hatte ich alle möglichen Tests über den Amp vorher gelesen und mir daraus einen Plan gemacht, wie ich mit meinem anderen Geraffel meine Anlage aufbauen wollte. Vor der ersten Bandprobe hatte ich keine Gelegenheit, mich mit dem Amp zu beschäftigen, also habe ich dann einfach mein Stressbrett vor den cleanen Kanal gehängt und gespielt.
Fangen wir ganz vorne an. Die zwei Eingänge führen nicht nur zu unterschiedlicher Empfindlichkeit für das Gitarrensignal sondern auch zu deutlichem Soundunterschied. Ich weiß selbst noch nicht, ob ich die leicht bedämpften Höhen mag oder nicht, das wird sich noch rausstellen. Der Amp hat Leistung genug und Gain kann man sowohl sehr niedrig als auch sehr hoch fahren, daher sehe ich diese beiden Eingänge eher als Möglichkeit der Klangfärbung und nicht so sehr als technische Notwendigkeit an.
Per Kippschalter kann man im Cleanbereich zwischen Classic, Vintage und Warm wechseln. Das könnte man schon fast analoges Modeling nennen, denn hier passiert eine ganze Menge. Classic ist ein normales Transen-Clean, bei Vintage wird es etwas „knochiger“ und Warm geht Richtung Jazz. Mittels Klangregelung lassen sich noch jede Menge Dummheiten anstellen oder der Sound sinnvoll bearbeitet werden.
Dennoch bleibt das immer Transen-Clean. Schnell, sehr schnell und sehr unbarmherzig. Da komprimiert überhaupt nichts, die Töne spritzen nur so raus. Spielerische Nuancen setzt der Amp toll um oder anders formuliert: Schlampiges Spiel hört man sofort. Was überhaupt nicht funktioniert, ist Anzerren. Es mag ja sein, dass es ein Anzerren im Cleanbereich mal gibt, wenn man den Volumeregler bis zum Anschlag aufreisst – dann aber bluten die Ohren, das ist überhaupt nicht praxisgerecht (für Menschen, die zum üblichen Kundenkreis für so einen Amp gehören). Wir reden über einen sauberen, wenn nicht sogar reinen Cleankanal. Ein Booster vor diesem Cleankanal macht einfach nur lauter und es zerrt auch hier nichts. Der Fulltone OCD als Zerrer vor dem Cleankanal führt natürlich zu Zerre. Das ist aber nicht harmonisch, Zerrer und Amp verbinden sich nicht zu einer Einheit sondern es fühlt sich „aufgepropft“ an. Das bin ich vom Liverpool-Pedal total anders gewohnt. Natürlich habe ich das Liverpool auch davor probiert. Das ist nett, verlangt aber eine total andere Einstellung als vor der P.A.
Die Signalkette OCD, Booster, Liverpool, Cleankanal des Bandit birgt Fallen. So lange das Liverpool eingeschaltet ist, gibt der Booster ein nettes Anzerren, der OCD ein Rhythmusbrett und Booster + OCD den Solosound. So bin ich das auch gewohnt. Sobald das Liverpool ausgeschaltet ist, reagiert der Bandit auf OCD und Booster zusammen mit einem bitterbösen Lautstärkesprung ohne Gainzuwachs. Nicht schön.
In der ersten Bandprobe war ich mit dem Ergebnis überhaupt nicht einverstanden. Der Versuch, mit meinem bewährten Stressbrett einfach in den Effektreturn zu gehen, brachte auch keine vernünftigen Resultate. Leichter Frust machte sich breit und eine gewisse Neigung, einen Retourenschein zu bestellen.
Aber der Amp hat ja noch einen zweiten Kanal. Die Fachpresse und das Internet loben den zweiten Kanal entweder für Metaller oder gar nicht. Neben Gain, Master und Klangregelung gibt es auch hier einen Kippschalter für Classic, Modern und Highgain. Classic hat am wenigsten Gain, Modern klingt für mich eher nach den Achtzigern mit extrem ausgedünnten Mitten und Gain plusplusplus. Damit kann ich nichts tun. Die Bezeichnung Highgain ist für die dritte Schalterstellung meiner Ansicht nach Unsinn. Das klingt tatsächlich eher nach einem vorgeschalteten fetten und mittigen Zerrer.
Der Zerrkanal ist für mich eine Überraschung. Tatsächlich lässt sich dort im Bereich Classic bei Gain rund um Schalterstellung 3 ein leichter Crunch zusammendrehen und jetzt machen Booster und OCD als Vorschaltgeräte wieder richtig Spaß, alle Pedalkombinationen kommen gut und in praxistauglicher Lautstärkeabstimmung. Das Ganze klart auch sehr schön auf, wenn man am Volumenregler der Gitarre dreht, ohne Pedale und mit etwas zurückgenommenem Volumepoti geht das sogar clean.
Das wird vermutlich meine Standardeinstellung. Wenn man jetzt den Kippschalter auf „Highgain“ umlegt, entspricht das ungefähr dem Sound „Classic+OCD+eine Spritze Anabolika“ und ist schon ein ordentliches Brett. Zerrer und/oder Booster lassen noch Spiel nach oben. Zur Erinnerung: Gain ist gerade auf 3!
Fachpresse und Internet sind sich einig, dass der Zerrkanal rauscht, sich das aber in einem akzeptablen Rahmen hält. Dem schließe ich mich erstmal so an. Wenn zum Rauschen das Brummen der Singlecoils dazu kommt, ist das schon hörbar. Das Thema Noisegate steht im Raum...
Cleankanal und Zerrkanal lassen sich natürlich per Fußschalter umschalten, dazu kommt ein regelbarer Booster. Das ist nett gedacht, hat aber so seine Tücken. Wenn man mit Kanalumschaltung und Booster arbeiten will, muss man einen Kompromiss mit der Boostregelung finden. Nach meinem Geschmack reagieren Cleankanal und Zerrkanal darauf unterschiedlich, was in einem Kanal schon zuviel ist, ist im anderen noch zuwenig.
Der digitale Hall ist unauffällig und nett, lässt sich nicht per Fuß schalten. Auf der Rückseite finden sich drei weitere Kippschalter. Einmal Power-Level mit 100, 50 und 25% - das kann man gleich wieder vergessen, da tut sich quasi nichts. Dazu kommt ein Dampingschalter, der angeblich das Ansprechverhalten zwischen tight, medium und loose regelt. Ich fürchte, dass ich bei einem Blindtest den Unterschied nicht erkennen würde. Einen Anschluss für eine Zusatzbox gibt es auch noch, der ist bislang unberührt. Der Amp ist im übrigen laut. Um im Bandbetrieb klar zu kommen, musste ich bisher nicht einmal auf die Hälfte aufdrehen und ich hatte durchaus das Gefühl, dass da noch was geht, was ich aber ohne Gehörschutz lieber nicht probiere. Einen Effektweg gibt es natürlich auch, der funktioniert mit meinem Kram unauffällig.
Die Rückseite birgt noch eine Überraschung! Es gibt einen Direct Out und der ist richtig gut. Ich mag es sehr gern, wenn ich meinen Amp über so etwas an die P.A. Anschließen kann und neutral verstärkt klingt das exakt so wie aus dem Speaker. Hut ab, meine Damen und Herren von Peavey!
Fazit: Der Amp ist relativ leicht, scheint robust (dafür ist Peavey ja eh bekannt), sehr vielseitig, locker laut genug und hat einen tollen Direct Out. Der Cleankanal verträgt sich nicht so sehr gut mit Effekten, der Zerrkanal dafür umso besser. Die Bedienung ist übersichtlich, dennoch erfordert die Vielseitigkeit einfach, dass man sich ein wenig einarbeitet. Dennoch ist die Kiste natürlich erheblich simpler zu händeln als die Kollegen aus der Modeling-Abteilung. Ein „klingt wie ein Marshall, Vox, Fender etc.“ gibt es hier nicht. Der Bandit „klingt nicht wie“ sondern IST ein Bandit.
Noch ein paar Worte zum Fußschalter. Bis zu Peavey hat es sich leider nicht rumgesprochen, dass man Fußschalter mit dem Fuß bedient und die Dinger auf dem Boden liegen, anders kann ich mir diesen Plastikmüll nicht erklären. Darüber hinaus gibt es weder am Amp noch am Fußschalter LEDs, anhand derer man erkennen kann, in welchem Kanal man ist und ob der Boost an oder aus ist. Ein Rücksendeticket bitte, Herr Thomann!
Liebe Leute, das hier ist immer noch ein Honeymoon-Review, auch wenn es jetzt schon lang geworden ist. Ich reiche Praxisberichte nach.
Noch Fragen?
Gruß
erniecaster