Schmerzliche aber notwendige Erfahrung...

auge

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Liebe Gitarristen,

letztes Wochenende musste ich erfahren, was ich eigentlich wissen müsste.
Aber mal langsam:
Als allerletzten Song bei Hoamspü hab ich zum Abschluss noch ein realtiv langes und sehr emotionelle Gitarrensolo.
Ich hab da immer recht melodieorientiert und Spannungsbogenaufbauend agiert und auch kein Klischee ausgelassen.
Alles in allem dachte ich mir, da sollte was anderes rein in das grundsätzlich ja improvisierte Solo.
Also zuhause nachgedacht und ausgecheckt. Schöne Speedlicks. Ein paar interessantere Töne in die Dur-Chordprogression usw usf

Am Sonntag beim Gig in die Tat umgesetzt. Und auch recht zufrieden gewesen. Das viele Üben zahlt sich also doch aus.

Nun ja. So weit alles gut. Ja. Aber dann:
Mit dem Sänger geplaudert und der meinte. Naja. Das Abschlusssolo wäre wohl sehr aufwendig gewesen und toll gerspielt aber es fehlte doch der Gänsehautfaktor den es sonst hat. Ähnliches habe ich dann auch noch in einem Gespräch mit einer Musikerin ander Bar gehört.

Da haben wir es also wieder: Solange man keine Musik für Musiker macht, muss man sich gut überlegen: Was will mein Publikum hören. Was findet mein Publikum "geil". Weil die sind ja der Grund meiner Anwesenheit als Gitarrist. Und nur weil man es selber schon abgedroschen findet muss es lange noch nicht schlecht sein.

Eigentlich hab ich das gewusst. Aber diesmal hab ich es "Erfahren".

Das gilt sicher nicht in allen Genres denke ich. Aber in vielen wird man wohl als Musiker musikalische Klischees erfüllen müssen.

So long...my thoughts...


Auge
 
auge":2c5p3tn2 schrieb:
Und nur weil man es selber schon abgedroschen findet muss es lange noch nicht schlecht sein.
Danke, Auge!

Das ist eine äußerst hilfreiche Aussage, die ich mir mal hinter den Spiegel stecke. Für den häufigen Fall, dass mich mein eigenes Gedudel wieder mal langweilt, obwohl das Publikum es zu goutieren scheint.
 
auge":2kbbc48c schrieb:
Also zuhause nachgedacht und ausgecheckt. Schöne Speedlicks. Ein paar interessantere Töne in die Dur-Chordprogression usw usf

Denk nicht zuviel - spiel einfach. Es ist nichts verboten - und selbst wenn es so erscheinen mag, lass Dich nicht davon beeindrucken. Du übst, Du probierst - und findest neue Inspiration, das ist alles nicht verkehrt und sogar notwendig und wichtig - wichtig ist es dann aber auch beim Spielen einfach diese Inspiration anzutriggern, den Spass die Freude am "Moment" zu bekommen. Je weniger Du Dich darauf fixierst auf dem Punkt genau abzudrücken, desto besser kannst Du die Musik geniessen.

Weiterhin viel Erfolg!
 
mad cruiser":3geqpg1s schrieb:
auge":3geqpg1s schrieb:
Und nur weil man es selber schon abgedroschen findet muss es lange noch nicht schlecht sein.
Danke, Auge!

Das ist eine äußerst hilfreiche Aussage, die ich mir mal hinter den Spiegel stecke. Für den häufigen Fall, dass mich mein eigenes Gedudel wieder mal langweilt, obwohl das Publikum es zu goutieren scheint.

Absolut! In erster Linie spielt man als Livemusiker ja doch für das Publikum und dort ist manchmal das einfache am effektivsten. Solieren mit Melodie und Witz kommt meist gut da unten an. Technisches Gefrickel befriedigt meist nur ein paar Gesichter, so ist das zumindest in meiner Sparte.

Egal wie alt man ist und wieviele musikalische Jahre man auf dem Buckel hat - man lernt nie aus ;-)
 
Tja, Jazz is the teacher and Blues is the preacher. Da steckt einiges drin. Sein Publikum sollte man halt nicht überfordern.

Spiele ja selber nie mehr als meine fünf Töne. :oops:

Aber: War gestern im Musicstore und hab ein paar Licks beim Ausprobieren von diversen Zerrern und Amps gespielt.
Wurde von einigen Leuten angesprochen, die anscheinend ganz begeistert waren.

Hätte ich versucht irgendwas Schwieriges zu spielen, hätten die mich wahrscheinlich gelynched. ;-)
 
...ob man es nun wahrhaben will oder nicht, Publikum (nicht Musikerpolizei) ist meistens durch und durch "mainstream".
Beispiel: "Smoke on the Water", am Besten noch ohne Solo im Mittelteil ist beim Covern immer noch ein Höhepunkt und bringt selbst 70jährige zum Bangen.

Spielt man für das eigene Ego...echt übel.
Spielt man für das Mainstreampublikum und genießt vielleicht dessen Reaktionen...so übel nun auch wieder nicht!

Mir ist die letztgenannte Variante am Liebsten und ehrlich: Mir fällt kein Zacken aus der Krone.

Experimentieren kann ich im Übungsraum oder bei Sessions.


Zur Beachtung: Ich rede hier vom reinen Amateurmusizieren!
 
auge":1uws0qbs schrieb:
Und nur weil man es selber schon abgedroschen findet muss es lange noch nicht schlecht sein.

Eigentlich hab ich das gewusst. Aber diesmal hab ich es "Erfahren".

Tja - vielleicht wollen Deine Freunde auch nur das hören, was sie von Dir kennen. Warum sollten sie da anders sein, als das Publikum? Wenn Du Deine neuen Licks länger spielst, werden sie vielleicht auch ein Teil der Hörgewohnheit Deiner Freunde.
...und dann sind sie wieder wunderbar abgedroschen. ;-)

Für mich ist das Musizieren immer noch eine Wanderung, bei der ich mir sehr langsam neue Horizonte erarbeite. DAS ist dann mein Niveau und meine Position - bis ich auf dem nächsten Hügel bin.
Ich würde mir nicht so viele Gedanken darum machen. Neues Wissen braucht einige Zeit, bis es in den Fingern und unter der Haut angelangt ist. Dann kommen Deine neuen Konzepte mit der selben Überzeugung. Aber dann findest Du sie vielleicht auch wieder abgedroschen... ;-)
 
Wir als Band und ich allein spielen in der Nische. Maximal fünfzig Leute kommen, wenn wir alleine auf dem Plakat stehen. Ich habe da einen gewissen sportlichen Ehrgeiz, das Publikum mitzunehmen und ihm dabei nicht zu weit entgegenzukommen. Das macht den Einstieg oft schwierig, im konzertanten Rahmen mit der Band weniger als solo im Pub. Aber wenn das Eis gebrochen ist (oft mithilfe der launigen Moderation), ist es extrem befriedigend. Und wenn dann irgendwann Leute kommen, die meine eigenen Stücke mitsingen oder nach einer Ballade vor dem Applaus die Sekunde Stille kommt, ist das wie Weihnachten.

Andererseits habe ich mal ein Interview mit Jörgen Lang von Dán gemacht, die konzertanten Folk auf sehr hohem Niveau in exquisiten Kulissen spielen. da kommt auch nach dem Konzert immer einer und sagt "Ihr seid ja toll, aber wenn ihr The Wild Rover spielen könntet, wäre das richtig klasse."

Ich bin froh, als Amateur das Privileg geniessen zu dürfen, mein Ding zu machen und freue mich über jeden, den ich erreiche. Aber Heart Of Gold spiele ich deswegen nicht.
 
Letzten Monat war ich Gast auf einem kleinen Kneipenkonzert (ca. 30 Leute). Zwei Besetzungen spielten: "Vorband" = ein "Profigitarrist", plus Sänger. "Main Act" = Sänger/Gitarrist, weiterer Gitarrist, eher so n' Lagerfeuertyp.
Der "Profi" hat zu Beginn mega die PA eingestellt, mit allem Drum und Dran, durch den (kleinen) Raum laufen, Compressor/Delay/Reverb-Check - voller Karton AWD-Dome oder so. Top Takamine-Modell, Line6-Floor-FX, ultra-saftiger Spitzen-Acousticsound - muss man sagen!
Und so spielte er denn auch: Man merkte, er ist Musiklehrer etc. - jeder Song war stilistisch ausgearbeitet, mit Slides, Legatolinien, Hammer-Ons, Pull-Offs - you name it - großes Fernsehen eben... allerdings: alles Cover-Nummern, klar...
OK, dann der Main-Act, Eigenkompositionen, schnörkellos, eher Geschichten als Texte - insgesamt "Lagerfeuer".
Als Finale dann beide "Besetzungen" zusammen. Dann treffen in einem "Solo-Battle" der "Profi" und der "Lagerfeuergitarrist" aufeinander - und jetzt Frage ich euch, wer hat das Ding für sich entschieden???
NATÜRLICH der Lagerfeuermucker! Der "Profi" spielte zwar "perfekt", das war aber für Nicht-Mucker einfach "zu hoch" oder was auch immer, für Mucker (wie mich) einfach nur noch langweilig (da ich finde, die "Profis" haben sich in den letzten Jahren alle total angenähert und klingen praktisch alle nach Vai-Petrucci-Satriani... dieser total durchgestylte High-Tech-Legato-Target-Tone-Krams eben...).
Der "Profi" zimmert also los und will dem Lagerfeuerjohnny so richtig eine verpassen, mit Anlauf, sozusagen. Dann ist der Lagerfeuertyp dran... und was macht der? Spielt EINE Note und die lediglich in unterschiedlicher Geschwindigkeit, bzw. unterschiedlich rhythmisiert! Na klar: das war n' Gag! ABER: den haben wirklich ALLE geschnallt und fetter Zwischenapplaus! Der "Profi" hingegen bekam nur bei der "Vorstellung der Band" den üblichen Applaus.
Mir wurde da wieder mal so deutlich, dass man als Musiker stets den Humor behalten sollte und Perfektion vielleicht ins Plattenregal, nicht aber auf die Livebühne gehört...

Grüße!
o:dee
 
o:dee":2zjmh75z schrieb:
und Perfektion vielleicht ins Plattenregal, nicht aber auf die Livebühne gehört...

Wenn Du mich mal auf der Bühne siehst,
sag Bescheid, dann spiel ich Dir auch die eine Note.
Und garantiert unperfekt.

Viele Grüße,
woody
 
o:dee":3k14gfm5 schrieb:
Dann ist der Lagerfeuertyp dran... und was macht der? Spielt EINE Note und die lediglich in unterschiedlicher Geschwindigkeit, bzw. unterschiedlich rhythmisiert! Na klar: das war n' Gag! ABER: den haben wirklich ALLE geschnallt und fetter Zwischenapplaus! Der "Profi" hingegen bekam nur bei der "Vorstellung der Band" den üblichen Applaus.

:shrug:
Es gibt so viele Dinge, die man dazu schreiben kann, aber das wäre nur für Psychologen und Soziologen interessant.

Die "ein-Ton-Musiker" würden eine Botschaft auch dann nicht erkennen, wenn spiegelverkehrt auf ihrer Stirn stünde: " Üben hilft!"
Neenee.. Ein Ton.. B.B. King...
 
Pfaelzer":3qck4trn schrieb:
Ein jeder wie er will, kann und glaubt...aber transportieren nur, was er aufnimmt, fühlt und reflektiert (so man dazu willens und bereit ist).

IMHO Bester Satz dieses Threads! :D

Und das kann eben auch Musik abseits der Lagerfeuerromantik sein.....bleibt einfach wie ihr seit und macht das mit Überzeugung. Musik soll sich ihr Publikum suchen dürfen - nicht umgekehrt.

Und was in meinen Ohren und meinem Gefühl nach Intuition und Spontanität ist - ist in anderen Ohren und Meinungen Perfektion oder zu durchdacht - darauf geb ich einen Scheiss! Soll ich mich selber bescheissen nur das ich in die Norm passe? Nachspielen nur weil es jemand bereits "besser" aufgenommen hat und viele Leute simpel gesagt zu faul sind um andere Dinge zu hören? Bah....mache lieber mein eigenes Ding. All die Coverbands - ist ja toll und das Publikum findet es klasse - vermutlich gebe es ohne all diese Profi-Coverbands nicht mal mehr Publikum (!!!) welches an Konzerte von lokalen & weniger bekannten Musikern pilgert. Aber wieso? Ich sage nicht dass Mainstream schlecht ist - immerhin sind sie ja in der Mehrzahl und ich wäre vermutlich ziemlich auf verlorenem Posten mit meiner Sicht der Dinge - es interessiert mich einfach nicht. ;-)

Ich war über 10 Jahre Sideman... keine Profi- sondern Amateur-Bandgeschichten (jedenfalls sehe ich sie nachträglich so - mit Ausnahme meines halbjährlichen Gastspiels als Ersatz-Tour-Gitarrist bei einer grösseren Kiste....ist aber schon über 12 Jahre her....puuh!). Irgendwann ging mir diese musikalische Prostitution (wie ich das nenne) sowas auf den Kecks, dass ich beschloss künftig nur noch für mich selber zu arbeiten.
Ja - ich hab mir erst Musiker gesucht - um mein Dings durchzuziehen. Gute Musiker gibt es - doch die wollen meist Geld verdienen (ist ja meist auch deren Job und Haupterwerb) - und da geht's dann gleich wieder los. Ne danke....

Wieso wohl heisst mein Debut "Room for a sheep"? Der Name ist Programm....obschon Schafe Herdentiere sind braucht nicht jedes Schaf der Herde nachzurennen. Ich geh meinen Weg - scheissegal - :D

Bezüglich BB
Ich kenne diese Ein-Ton-Mentalität auch.....und ja, es ist sicher so dass ein B.B.King ein toller Musiker ist, unzählige Musiker beinflusst und den elektrischen Blues wohl wie kein anderer geprägt hat.
Aber so toll er auch sein mag - er macht sein Ding, andere machen ihr Ding. Jeder macht bestenfalls was er liebt - und wer es nicht tut, sollte sich mal ernsthaft fragen "wieso" er es dann noch tut?

Und hier wieder zurück zu Christian. Mach was DU liebst - spiel nicht was Du denkst spielen zu müssen nur damit es dann "sicher" jedem gefällt. Bleib einfach Dich selber - und fange ja nicht an zu überlegen "was" Du spielen darfst. Das ist ein "Brainfuck" und kann Dir jegliche Kreativität zerstören. Und selbst wenn Du so endest wie ich - lebe für Deine Überzeugung - DAS macht glücklich!

Viele Worte - aber es tat gut! :lol:

Bin kein Hochvirtuose und auch kein Vorzeigemusiker - brauche ich nicht zu sein. Egal ob Nummer 12340000009825600099267865421 auf der Liste - Spass macht's und das ist die Hauptsache!
 

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