Tacheles,
mit 9 Jahren bekam ich Geigenunterricht. Mein Vater spielte virtuos Klavier, liebte Bach, und ich fand jagende Solisten klasse.
Als ich 11 war, entlarfte mich meine Lehrerin des musikalischen Analphabetentums, da die Etüden so lang wurden, daß ich vergaß an der richtigen Stelle umzublättern. Bist dahin hatte ich mit meinem Vater geübt. Er spielte die Medodie mit der rechten Hand und legte mit der Linken Akkorde darunter. Ich spielte nach wenigen Durchgängen auswändig.
Heute hätte man vermutlich für ein solches Kind ein pädagogisches Konzept. In den 70ern war das eine Form des betrügerischen Ungehorsams und ich flog raus. Ende.
Mit 16 kam ich auf die Grille, E-Gitarre spielen zu wollen. Meine Eltern, traurig über den bisherigen Misserfolg, schenkten mir eine Asco Les Paul Kopie, die sich nach wenigen Wochen als Brennholz erwies.
Kurz darauf hörte ich bei einem Freund die legendäre "Friday Night In San Francisco" Al Di Meola, John Mc Laughlin und Paco De Lucia. Ich war wie vom Donner gerührt! So, genau soooo mußte man Gitarre spielen können! Ich kaufte mir eine schwarze (!) Paulakopie von Pearl und spielte alles, was ich von Meola bekommen konnte Monatelang auf 16 UpM, um mir die Läufe heraus zu hören. Ich war völlig besessen und wollte nur spielen. Für Bücher hatte ich keine Zeit - musste an die Gitarre packen, spielen!!!
Unterricht und Hintergrund hat mich nicht interessiert. In meinem Leben hatte ich 4 Unterrichtsstunden. Ein Umstand, den ich inzwischen oft bedaure. Vielfalt und Weitsicht kann man sich nur als Genie allein erarbeiten. Das bin ich nicht. Aus mir ist nicht mal ein kleiner Meola gewoden, aber doch ein Gitarrist, der sich über 24 Jahre die suchthafte Begeisterung für dieses Instrument erhalten hat.
Ich bewundere Picker und klassische Gitarristen, die mitunter stundenlang ihr Repertoire abspulen können und offenbar gaaaanz anders an die Gitarre gegangen sind. Und dann denke ich: Wie schön, dass wir Menschen so unterschiedlich sind!
Grüße aus dem milden Westen.
W°°