Hi,
nachdem immer wieder dieses Problem auftaucht, jetzt mal eine umfassendere Betrachtung dazu.
Magman, deine Erfahrung und deine Heilmittel in Ehren, aber es ist auf Dauer der falsche Ansatz.
Es gibt drei Herangehensweisen zu diesen Überlastungssyndromen.
Palliativ : Wenn das Kind im Brunnen liegt, behandelt man die wahrnehmbare Symptomatik. Sobald der Schmerz weg ist und die Finger wieder Dienst tun, geht es weiter bis zum nächsten mal. ( So zieht man sich die wirtschaftlich beste Kundschaft; kommen immer wieder, bringen oft Geld und irgendwann kann man dann auch noch operieren )
Curativ : Es werden nicht nur die unmittelbaren Symptome behandelt, auch die nach eingehender klinischer Untersuchung ( Bildgebende Verfahren bringen hier in der Regel ausser Kosten nicht viel ) festgestellten Symptome am Muskel und Bindegewebe werden behandelt.
Präventiv : Nach Erreichen eines " gesunden " Zustandes wird durch regelmäßige " Pflege " des anfälligen Gebietes auf eine Erhaltung des problemfreien Zustandes und der Vermeidung der Chronifizierung hingearbeitet.
Im Akutstadium also beginnend eine Schmerztherapie, die dann in eine curative Therapie mit Manualtherapeutischer Behandlung einhergehen sollte. Weiterführend dann, nach erfolgter Aufklärung und Anweisung, eigeninitiativ präventiver Langzeitansatz.
So, und jetzt wird es ausführlicher :
Wenn man als motiviert bis besessener Gitarrist drei bis vier Stunden täglich übt, dann geht das schon in den Leistungssportbereich für die beanspruchten Muskeln. Dazu kommt die berufliche/schulische Belastung auf die Unterarm- und Handmuskulatur.
Diese Belastungen kann ein Muskel bzw. Muskel-Sehnen-Komplex nur dann bewältigen, wenn er ideale Voraussetzungen vorfindet.
Einige Faktoren :
Belastungs / Entlastungsverhältnis
Ernährung / Stoffwechsel
Haltung / intermuskuläres Zusammenspiel
Belastung / Entlastung :
Muskeln können nach kurzzeitiger Maximalbeanspruchung am besten entspannen. Dauernde Belastungen, auch gerade wenn sie nicht von maximaler Intensität sind, führen zu einem erhöhten dauerhaften Tonusaufbau im Muskel. Ein konkretes Beispiel sind viel arbeiten am Rechner, monotone Fertigungstätigkeiten in Fabriken/Handwerk etc. . Es muß also ein Gleichgewicht zwischen Dauerbelastung / Spitzenbelastung auf der einen und Ruhe / Dehnung auf der anderen Seite sein.
Ernährung / Stoffwechsel :
Ein weiterer Faktor ist die Ernährung, die sich auch im Muskelstoffwechsel niederschlägt. Ein großes Problem bei falscher Ernährung ist die Übersäuerung des Körpers. Da der Blut-pH kaum Toleranzen hat, sondern vom Körper immer bei 7,4 gehalten werden muß, braucht der Körper im Falle einer Übersäuerung( Acidose ) basischer Puffermaterial zum Ausgleich des pH-Wertes. Dabei wird dem Muskel z. Bsp. viel Magnesium entzogen. Ist also der ganze Körper übersäuert, wirkt sich das auch auf den Unterarm und seine Muskeln aus.
Der intramuskuläre Stoffwechsel spielt natürlich auch eine erhebliche Rolle. Ein verspannter Muskel hat das Problem, daß keine ausreichende Versorgung des Muskels durch das kapillare System erfolgen kann. Der Muskel kann also nicht ausreichend frisch versorgt werden und auch nicht ausreichend von den Stoffwechselabfallprodukten entsorgt werden.
Haltung / Intermuskuläres Zusammenspiel :
Es gibt ein- und zwei/mehrgelenkige Muskulatur. Für beide gilt, daß sie in zu sehr angenähertem Zustand sehr ungern und uneffektiv arbeiten. Der zweigelenkige Muskel will idealerweise an einem Gelenk eine angenäherte und am anderen Gelenk eine gedehnte Stellung. Und da liegt das Problem bei zu tief hängenden Gitarren. Man kann nicht mehr physiologisch sinnvoll greifen.
Das nächste große Kapitel ist die gesamte Körperhaltung. Bestehen muskuläre Dysbalancen, so hat das Auswirkungen auf den gesamten Haltungsstatus und das physiologische System von Agonist und Antagonist. Heisst im Klartext, daß ein Furunkel am Allerwertesten Auslöser für eine Sehnenscheidenentzündung am Unterarm sein kann. Wohlgemerkt Auslöser nicht Ursache !!!!!!!!
Wer also ernsthaft etwas gegen immer wieder auftretende Überlastungserscheinungen tun will, der muß den langen Weg der Prävention gehen und wird nicht um eine Behandlungsserie bei einem in Manueller Therapie / Maitland / Cyriax ausgebildeten Physiotherapeuten kommen.
Noch eine kleine Anmerkung zum Üben :
Hat sich eigentlich schon einmal jemand Gedanken gemacht, warum wir eigentlich üben müssen ?
Das Gedächtnis funktioniert doch in anderen Bereichen viel schneller. Wenn ich einmal etwas gerochen oder gesehen habe, kann ich mir das doch auch viel schneller merken und umsetzen.
Es liegt also an der Schnittstelle zwischen Gedächtnis und Motorik. Und die heißt Kleinhirn !!
Und das funktioniert eben mal so, daß alles sehr viele male wiederholt werden muß, bis es automatisiert ist. Das macht aus durchaus Sinn, denn so ist uns auf der anderen Seite auch die Freiheit gegeben, willkürlich zu handeln und nicht auf alles reflexartig zu reagieren.
Man kann also nichts erzwingen, man muß es eben geduldig wieder und wieder, und vor allem bewußt, wiederholen.
Ein paar Tricks gibt es aber auch noch.
Von Anfang an mit möglichst geringem Kraftaufwand üben. Lieber das Tempo drosseln und darauf achten, daß es eine leichte flüssige Bewegung wird. Geschwindigkeit ist das Resultat und nicht das Trainingsmittel.
Und noch etwas wird viel zu selten praktiziert. Die Visualisierung !
Im Sport schon lange etabliert, wird es in der Musikpädagogik viel zu selten erwähnt. Wenn ihr abends im Bett liegt oder am chill-outen seid, geht in Gedanken eure aktuellen Übungen durch, und zwar in Echtzeit und sehr streng. Beim kleinsten Fehler wieder starten. Und versucht auch, das Gefühl für Geschwindigkeit zu verbessern. Wer also ein paar Läufe mit 80 bpm für die Achtel geübt hat, versucht dieses Tempo auch gedanklich zu halten. Metronom nebendran gelegt und immer wieder überprüfen.
Sollte Interesse bestehen, werde ich mich, sobald wieder mal Zeit, daran machen, auf Haltung im Gesamten und Speziellen näher einzugehen. Ich will mich aber auf keinen Fall aufdrängen, ich mach die ganze Woche über nichts anderes, da kann ich mich in meiner Freizeit eigentlich gut zurückhalten.