Was ist Klang?
Wir Gitarristen reden jeden Tag darüber, aber wissen wir eigentlich welche Bedeutung sich hinter dem einfachen Begriff "Klang" verbirgt? Daß das Ganze doch nicht so einfach ist und warum häufig Mißverständnisse bei der Benutzung dieses Begriffes entstehen, zeigt der folgende Artikel...
(Der vollständige und stets aktuelle Artikel ist immer in der Knowledge Database der Guitar-Letters zu finden.)
Einleitung
Es gibt wohl kaum einen Begriff, der so häufig im Zusammenhang mit der Elektrogitarre benutzt wird, wie das Wort "Klang" Bevor man sich mit dem Klang einer Elektrogitarre beschäftigt, muß aber unbedingt festgelegt werden, was unter dem Begriff "Klang" eigentlich zu verstehen ist und was im sprachlichen Gebrauch damit gemeint wird. Im Allgemeinen sind mit diesem simplen Begriff sehr komplizierte und vielschichtige Ereignisse und Eigenschaften verbunden, die leicht dazu führen, daß der Begriff "Klang" von ahnungslosen Zeitgenossen sogar mit Esoterik in Verbindung gebracht wird.
Tatsächlich kann man sich dem Phänomen "Klang" aus verschiedenen Richtungen nähern. Da ist zum einen die physikalische Definition von Schallereignissen zu nennen, die sich in der Hauptsache mit deren spektralen Zusammensetzungen beschäftigt. Der "Klang" eines Musikstückes geht über die übliche physikalische Begriffsdefinition eindeutig hinaus, denn hier spielt zusätzlich noch das Konsonanzempfinden eine wichtige Rolle. Schlußendlich muß man sich auch noch generell mit den sprachlichen Bedeutungen auseinandersetzen, denn sehr häufig werden die Begriffe aus dem englischen und deutschen Wortschatz mißverständlich oder sogar falsch benutzt. Fangen wir also an, ein wenig Licht in's Dunkel zu bringen...
1 Bestandsaufnahme
Im Zusammenhang mit Schallereignissen werden eine Menge verschiedener Begriffe benutzt, um den entstehenden akustischen Eindruck verbal zu beschreiben. Gerade in Verbindung mit Musik, ganz besonders unter Musikern aus dem Pop-, Rock- und Jazz-Bereich, haben sich dabei sehr stark Begriffe aus dem englischen Sprachraum etabliert. Während in der deutschen Sprache hauptsächlich von "Ton" und "Klang" die Rede ist, scheint das amerikanische "Tone" und "Sound" ein Äquivalent darzustellen. Daneben gibt es aber noch weitere Begriffe, die zur Anwendung kommen. Die nächste Tabelle zeigt eine kleine Übersicht. Die entsprechenden Übersetzungen wurden aus einem Wörterbuch und mehreren Lexika entnommen.
Tabelle 1: Bekannte Begriffe zum Thema "Klang" und deren Übersetzung/Bedeutung
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Versucht man die Bedeutung der einzelnen Begriffe einmal graphisch gegenüberzustellen, so ergibt sich das folgende Bild:
[img:600x140]http://www.guitar-letter.de/Knowledge/Grundlagen/Images/Klangbegriffe.jpg[/img]
Abbildung 1: Relationen zwischen deutschen und englischen "Klang"-Begriffen
Hier wird das Problem gleich offensichtlich, denn den vier deutschen Begriffen stehen nur drei englischen Begriffe gegenüber. Zusätzlich bestehen innerhalb der englischen Begriffe aber auch noch Mehrdeutigkeiten. So wird "Tone" sowohl für "Ton" als auch für "Klang" verwendet.
Der Begriff "Sound" scheint das ultimative Wort im Zusammenhang mit Schallereignissen zu sein. So wird es nicht nur für "Ton", "Klang" und "Klangcharakter" benutzt, sondern beschreibt auch noch die "Klangwirkung". Wo im Zusammenhang mit "Klang" der Unterschied zwischen "Tone" und "Sound" ist, bleibt ungewiß. Gleichfalls wäre noch zu klären, ob die "Klangwirkung" mit dem "Klangcharakter" aus sprachlicher Sicht gleichzusetzen ist. Zu guter Letzt wird "Sound" auch noch bei der Beschreibung des Stils eines Musikers verwendet. Auch "Timbre" ist in gewisser Weise ein Sammelbegriff und überschneidet sich mit "Sound" und "Tone".
Die aus diesen Mehrdeutigkeiten resultierende unklare Sachlage führt in der Kommunikation natürlich schnell zu Mißverständnissen, da einfach nicht klar ist, worüber gesprochen wird. Aber auch die Bedeutung der deutschen Begriffe ist, zumindest im sprachlichen Gebrauch, vielfach ungewiß. Es scheint daher dringend angebracht, zumindest die deutschen Begriffe einer sauberen Definition gegenüber zu stellen!
2 Definitionen der Schallereignisse
Das menschliche Gehör erzeugt im Gehirn einen Sinneseindruck, wenn es von mechanischen Wellen mit Frequenzen zwischen 16Hz und 20kHz erregt wird. Dieser Frequenzbereich wird auch als "Hörbereich" bezeichnet. Der entstehende Sinneseindruck heißt "Schall" und die erregenden Wellen werden folglich "Schallwellen" genannt. Der Mensch ist in der Lage, diesen Eindruck in "Tonhöhe" und "Lautstärke" zu trennen. Dabei sind die Tonhöhe direkt von der Frequenz der Schallwellen und die Lautstärke von ihrer Intensität abhängig.
Schallwellen kommen durch das abwechselnde Verdichten und Verdünnen eines schwingenden Mediums zustande. Sie breiten sich als sogenannte Längswellen aus. Wie bei allen anderen Wellenvorgängen sind auch bei den Schallwellen die Erscheinung von Brechung, Reflexion, Beugung und Interferenz zu beobachten.
In der klassischen Akustik wird die Vielfalt und Verschiedenartigkeit der Schalläußerungen oder Schallereignisse in vier Hauptarten eingeteilt: Töne, Klänge, Geräusche und Knalle.
2.1 Der Ton - künstliche Unitonalität
Musikalisch wird der Ton häufig mit einem Ereignis verbunden, das eintritt, wenn man zum Beispiel eine Taste auf dem Klavier drückt oder die Saite einer Gitarre anschlägt. Das darauf folgende akustische Ereignis wird im Allgemeinen als "Ton" bezeichnet, dem man auch einen "Klang" zuordnet. Aus der Tatsache, daß auf dem Klavier dann eventuell auch noch andere Saiten zum Mitschwingen angeregt werden - freilich ohne selbst angeschlagen worden zu sein - läßt sich folgern, daß durch das Drücken der Taste noch ein wenig mehr geschieht. Der Begriff "Ton" scheint diesem Ereignis nicht wirklich gerecht zu werden. Aus physikalischer Sicht ist die Definition schon eindeutiger:
Ein Ton ist eine sinusförmige Schwingung und verfügt über zwei Eigenschaften: die Frequenz f und die Amplitude A.
Töne sind im akustischen Sinne Schallwellen, die sich als Längswellen ausbreiten. Ihre Eigenschaften lassen sich jedoch besser darstellen, wenn man sie als Querwellen zeichnet:
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Abbildung 2: Sinuston
Mathematisch läßt sich dieser Verlauf wie folgt beschreiben:
[img:218x37]http://www.guitar-letter.de/Knowledge/Grundlagen/Images/Eq_Sinuston.gif[/img]
Formel 1: Sinuston
Darin ist f die Frequenz der Schwingung, die im Allgemeinen in der Einheit Hertz angegeben wird und t die Zeit. Der Kehrwert der Frequenz f ist die Periodendauer T. Bei gegebener Frequenz läßt sich mit dieser Formel der Verlauf der Schwingung in Abhängigkeit der Zeit angeben. Natürlich kann man statt der Sinus- auch die Cosinusfunktion verwenden. Beide Darstellungsformen werden in der Literatur benutzt. Zwischen beiden Funktionen besteht lediglich ein Phasenunterschied von 90°. Wie noch gezeigt werden wird, stellt der Ton das Basiselement für alle weiteren Schallereignisse dar.
Im alltäglichen akustischen Umfeld kommen reine Töne allerdings nicht vor. Sie lassen sich nur elektronisch erzeugen. In der Alltagssprache wird das Wort "Ton" daher oft fälschlicherweise im Sinne von "Klang" verwendet (zum Beispiel Geigenton statt Geigenklang), aber dazu später mehr.
2.2 Die Ordnung der Schallereignisse
Für den Musiker sind Töne und Klänge von besonderer Bedeutung. Auch sie sind im akustischen Sinne Schallwellen, die allerdings nur einen Teil der möglichen Schallereignisse abdecken. Trotz der unendlichen Vielfalt aller dieser Ereignisse, läßt sich eine Hierarchie angeben, die es erlaubt, Basisereignisse zu definieren, aus denen beliebig komplexe Schallereignisse zusammengesetzt werden können.
[img:600x310]http://www.guitar-letter.de/Knowledge/Grundlagen/Images/Schallereignisse.jpg[/img]
Abbildung 3: Die Hierarchie der Schallereignisse
Alle Basisereignisse lassen sich auf einen gemeinsames Urelement zurückführen: Den Ton. Er ist das Element, aus dem sich alle anderen Schallereignisse aufbauen lassen. Man kann diese Ereignisse daher auch als höherwertige Schallereignisse bezeichnen, die ebenfalls über Eigenschaften verfügen mit deren Hilfe sie eindeutig charakterisiert werden können:
Höherwertigen Schallereignisse verfügen über drei grundlegende Eigenschaften: Den Grundton, die Farbe und den Charakter.
Ausgehend vom "Ton" existieren sogenannte "multitonale" Schallereignisse, welche in zwei Klassen zerfallen. Diese enthalten wiederum zwei Untergruppen, sodas neben dem Ton, insgesamt noch vier Gruppen von Schallereignisse unterschieden werden können. Hier spiegelt sich auch die Einteilung der klassischen Akustik wieder, denn das sogenannte "Geräusch" ist in beiden Untergruppen enthalten.
2.3 Multitonale Schallereignisse
Sind mehrere Töne an einem akustischen Ereignis beteiligt, so kann man das "multitonal" nennen. Solche Ereignisse sind um so komplexer, je mehr Töne daran beteiligt sind. Ein derartiges Frequenzgemisch kann in zwei Kategorien eingeordnet werden. Als Kriterium der Unterscheidung dient die Existens eines mathematischen Zusammenhanges zwischen den einzelnen Frequenzen. Den Bezug für diesen Zusammenhang liefert die im Frequenzgemisch auftretende tiefste Frequenz, die auch als Grundton (engl. Fundamental) bezeichnet wird. Der Grundton bestimmt den Eindruck der Tonhöhe des Frequenzgemisches, wenn seine Amplitude nicht wesentlich kleiner als die der Obertöne ist.
Besteht zwischen Grundton und Obertönen ein mathematischer Zusammenhang, so lassen sich die Obertöne mit Hilfe einer mathematischen Formel aus dem Grundton errechnen. Dieser Zusammenhang kann beliebig sein und stellt immer eine Zahlenfolge dar. Es läßt sich zeigen, daß viele diese Folgen lediglich eine Untermenge der Folge fn=n*f0 sind. Sie heißt "Harmonische Folge" und hat in vielen Bereichen eine besondere Bedeutung.
Werden mehr als zwei Töne zu einem neuen Schallereignis kombiniert, spricht man von einem "Multiton".
Existiert ein Algorithmus zur Berechnung der Obertöne, nennt man den Multiton "algorithmisch". Alle anderen Multitöne sind "nichtalgorithmisch" und in den meisten Fällen sogar "stochastisch".
Über "Klänge" oder allgemein Schallereignisse kann man dicke Bücher schreiben. Tatsächlich sind auch schon viele dicke Bücher darüber geschrieben worden. Wir wollen dieser Liste mit diesem Artikel nicht ein weiteres Element hinzufügen und beschränken uns daher im weiteren Verlauf nur auf die Betrachtung des harmonische Multitons "Klang".
2.3.1 Klang - Der harmonische Multiton, ein algorithmisches Schallereignis
Jedes natürliche Instrument - zu denen auch die Elektrogitarre zählt - erzeugt Frequenzen, die auf der sogenannten Naturtonreihe basieren. Ein solches Schallereignis empfinden wir in der Regel als angenehm und bezeichnen es als "Klang". Im Zusammenhang fallen häufig die Begriffe "Grundton", "Oberton" und "Harmonische". Hier eine kurze Definition:
Der Grundton ist der in einem Klang vorkommende Ton mit der tiefsten Frequenz. Er wird mit f0 bezeichnet. Er ist gleichzeitig der erste Teilton f1. Alle anderen Töne heißen Obertöne (f2, f3,...).
"Harmonische" sind nur ein anderer Begriff für Grundton und Obertöne. Dabei bezeichnet die erste Harmonische den Grundton (f1=1*f0), die zweite Harmonische den ersten Oberton (f2=2*f0) und so weiter.
Führt man eine Frequenzanalyse eines Klangspektrums durch, so kann man feststellen, daß alle Frequenzen gemäß der harmonischen Folge auf einem Grundton basieren. Damit läßt sich der Begriff "Klang" sauber physikalisch definieren:
Sind die in einem Multiton auftretenden Frequenzen ganzzahlige Vielfache eines gemeinsamen Grundtones, so spricht man im physikalischen Sinne von einem Klang. Die Lage der einzelnen Frequenzen entspricht damit der harmonischen Folge.
Man beachte, daß mit dieser Definition nur das Verhältnis der einzelnen Frequenzen zum Grundton festgelegt wurde. Eine Aussage über die Amplitudenverhältnisse wurde (noch) nicht gemacht.
Aus der harmonischen Folge läßt sich ableiten, daß die Periodendauer des Grundtons T0 immer ein ganzahliges Vielfaches der Periodendauer der einzelnen Obertöne Tn ist. Das bedeutet, daß das resultierende Schallereignis ebenfalls periodisch ist, denn T0 stellt das kleinste gemeinsame Vielfache aller TN dar. Die Periodizität ist ein wesentlicher Grund dafür, daß wir den "Klang" als "wohlklingend" empfinden. Ein physikalischer Klang stellt also gewissermaßen ein "natürliches" Ereignis dar.
Aus der Definition des physikalischen Klanges kann man eine weitere interessante Schlußfolgerung ziehen: Nimmt man für den Übertragungsbereich des menschlichen Gehörs 30Hz bis 20kHz an, so kann man in dieser Bandbreite maximal 666 Harmonische unterbringen. Darauf basierend kann man sich 2^666-1=3*10^200 mögliche Kombinationen von Harmonischen vorstellen - eine gigantisch große Zahl! Variiert man die Frequenz des Grundtons bis hoch zu 10kHz, so kann man folgende Kurve ermitteln:
[img:400x200]http://www.guitar-letter.de/Knowledge/Grundlagen/Images/GrundtonUndHarmonische.jpg[/img]
Abbildung 4: Anzahl der Harmonischen und Grundton
Man erkennt, daß mit steigender Frequenz des Grundton eines Klanges die Anzahl der im Hörbereich zur Verfügung stehenden Harmonischen stark abnimmt. Bei einem Grundton von 2kHz stehen nur noch 10 Harmonische zur Verfügung, was einer möglichen Kombination von 1023 entspricht. Bei 3kHz sind es dann noch 100 Möglichkeiten, bei 4kHz nur noch 31 und bei 5kHz gar nur 15. Dieses Verhalten läßt nur eine Schlußfolgerung zu:
Die Fähigkeit des menschlichen Gehörs verschiedene Klänge zu unterscheiden, nimmt mit der Höhe des Grundtons eines Klanges stark ab.
Tatsächlich wird der eine oder andere schon einmal festgestellt haben, daß hohe Töne, auf unterschiedlichen Instrumenten gespielt, irgendwie doch gleich klingen. Zumindest tun wir uns schwer die Unterschiede herauszuhören. Im Umkehrschluß bedeutet das, daß wir klangliche Vielfalt am besten bei niedrigen Grundtönen empfinden können.
2.3.2 Nichtalgorithmische Schallereignisse
Immer dann, wenn sich die einzelnen Töne eines Schallereignisses nicht in einen mathematischen Zusammenhang bringen lassen, spricht man von nichtalgorithmischen Schallereignissen. Im Extremfall ist die Verteilung der einzelnen Frequenzen sogar unvorhersehbar und damit zufällig.
Alle Frequenzgemische, die nicht der Definition des "Klanges" genügen, werden als Geräusch bezeichnet. Das beste Beispiel dafür ist das Rauschen. Hier sind sowohl Frequenzen als auch deren Amplituden sogar stochastisch verteilt und stehen in keinerlei Beziehung zueinander. Aufgrund dieser Eigenschaft kann man einem Geräusch auch keinen Grundton zuordnen. Analog zum Klang kann man einem Geräusch natürlich auch eine Klang- oder besser Geräuschfarbe zuordnen.
Der sogenannte "Knall" stellt eine Sonderform des multitonalen Schallereignisses "Geräusch" dar. Er ist eine kurze, unregelmäßige Erschütterung der Luft, bei der starke Luftverdichtungen und -verdünnungen kurzzeitig aufeinander folgen. Für den Gitarristen hat dieses Schallereignis nur insofern Bedeutung, als das sich der eine oder andere Verstärker gelegentlich mit einem "Knall" verabschiedet. [img:15x15]http://www.guitar-letter.de/forum/styles/GuitarLetter/smilies/wink.gif[/img]
3 Klangfarbe und -charakter
Klänge können sehr verschieden sein. Sowohl eine Geige als auch ein Klavier liefert Klänge und wir sind in der Lage, anhand der Unterschiede die Instrumente zu identifizieren. Wie kommt das?
Das Geheimnis steckt in den Amplituden der einzelnen Harmonischen, das heißt, die einzelnen Töne des Klanges können unterschiedlich laut sein oder sogar ganz fehlen. Man kann sich zum Beispiel zwei Klänge vorstellen, welche die gleichen Vielfachen des Grundtons enthalten, sich aber trotzdem unterscheiden. Das nächste Bild verdeutlicht das:
[img:600x150]http://www.guitar-letter.de/Knowledge/Grundlagen/Images/EinKlangZweiFarben.jpg[/img]
Abbildung 5: Ein Klang, zwei Klangfarben
In beiden Klängen sind die gleichen Vielfachen des Grundtons enthalten. Sie unterscheiden sich jedoch in ihren Amplituden, die durch die Höhe der Balken dargestellt werden.
Die Farbe eines Klanges wird durch das Verhältnis der einzelnen Amplituden zueinander beschrieben und heißt "Klangfarbe" (engl. Timbre).
Diese beiden Eigenschaften des Klanges, also Grundton und Amplitudenverteilung - sprich die Klangfarbe -, kann mathematisch durch eine sogenannte "Fourierreihe" beschrieben werden:
[img:381x56]http://www.guitar-letter.de/Knowledge/Grundlagen/Images/Eq_FourierPhaseform.gif[/img]
Formel 2: Darstellung eines Klangs durch Fourierreihe in der Phasenform
Die Formel beschreibt den zeitlichen Verlauf der Amplitude des Klanges als Summe aller Harmonischen mit den ihnen eigenen Amplituden An und Phasenverschiebungen und berücksichtigt auch einen vorhandenen Gleichanteil A0, der natürlich bei der Saitenschwingung einer Gitarre nicht vorkommt. In der Praxis sind jedoch nicht immer alle An auch vorhanden. Bei einer Rechteckkurve treten zum Beispiel nur Koeffizienten mit ungeradem n auf.
Verändert man die Amplitudenstatistik der Harmonischen, so verändert sich immer die Klangfarbe. Wird eine Harmonische letztendlich komplett unterdrückt, so mündet die Färbung des ursprünglichen Klanges in einen neuen Klang. Der Klang stellt also gewissermaßen die Grundlage dar, die durch die Existenz und Nichtexistenz der einzelnen Harmonischen festgelegt wird. Er kann verschieden Ausprägungen annehmen, die durch die Klangfarbe charakterisiert werden. Der Klang definiert sozusagen eine Klasse von Klangfarben. Klang und Klangfarbe sind daher zwei Begriffe, die untrennbar miteinander verbunden sind.
Bisher haben wir die Amplituden der einzelnen Harmonischen als konstant betrachtet, aber wer sagt denn, daß das so sein muß? Immer mal wieder kann man von "Sounds" hören oder lesen, die förmlich "explodieren" oder sich "entwickeln". Was kann denn damit gemeint sein?
Nun eine Gitarre ist ein gekoppeltes Schwingungssystem. Wird die Saite angeschlagen, so überträgt sich die Schwingung alsbald auf Hals und Korpus. Es dauert unter Umständen eine Weile, bis sich das gesamte System eingeschwungen hat und dieses Einschwingen kann für die einzelnen Harmonischen des Saitenklangs durchaus unterschiedlich lange dauern. Wenn sich aber die Amplitudenverteilung des Schallereignisses mit der Zeit verändert, dann verändert sich eben auch die Klangfarbe in Abhängigkeit der Zeit. Damit beschreibt die Klangfarbe das Schallereignis quasi immer nur als Momentaufnahme. Eine interessante Erkenntnis!
Im Normalfall ist die Saitenschwingung endlich. Sie klingt nach eine bestimmten Zeit aus. Es ist sozusagen eine gedämpfte Schwingung - einfach ausgedrückt. Das zeitabhängige Ein- und Ausschwingen kann man auch als Hüllkurve auffassen, mit der die Zeitfunktion des Schallereignisses bewertet wird. Sieht man sich den Lautstärkeverlauf verschiedener Instrumente einmal etwas genauer an, so erkannt man, daß die Hüllkurve sogar in vier Teile unterteilt werden kann:
Eine Hüllkurve hat also ein sogenanntes ADSR-Verhalten (Attack, Decay, Sustain, Release). Elektronische Orgeln und Synthesizer verfügen über einen solchen ADSR-Generator, um dem erzeugten Frequenzgemisch eine bestimmte Hüllkurve aufzuprägen und so den gewünschten Verlauf zu erzeugen. Im besten Fall muß ein solcher Generator für jeden einzelnen Oszillator, der jeweils eine Harmonische erzeugt, vorhanden sein.
[img:600x304]http://www.guitar-letter.de/Knowledge/Grundlagen/Images/ADSR_Envelope.jpg[/img]
Abbildung 6: ADSR-Hüllkurve
Mathematisch muß dieses Verhalten durch drei exponentielle Faktoren mit eigenen Abklingkonstanten beschrieben werden, die. Sie werden mit geeigneten Sprung- und Rechteckfunktionen bewertet, die dafür sorgen, daß die Faktoren nur zu den gewünschten Zeiten einen von 0 verschiedenen Wert liefern. Da die entstehende komplizierte Funktion nichts zum weiteren Verständnis beiträgt, soll auf eine Darstellung verzichtet werden. Bezeichnet man die Funktion der Hüllkurve allgemein mit ADSR, so kann man mit Formel 2 schreiben:
[img:609x56]http://www.guitar-letter.de/Knowledge/Grundlagen/Images/Eq_FourierPhaseformEnvelope.gif[/img]
Formel 3: Darstellung eines Klangs durch Fourierreihe in der Phasenform mit ADSR-Hüllkurve
Damit ist die mathematische Beschreibung eines Klanges vollständig. Die Parameter der Funktion sind pro Harmonische die Amplitude An, die drei Abklingkonstanten, die Phasenverschiebung und der Gleichanteil. Mit diesen Parametern läßt sich eine unendliche Vielzahl verschiedener Klänge mit unterschiedlichen Klangfarben beschreiben.
Ergebnis:
Die Verteilung der Amplituden - die sogenannte Amplitudenstatistik - und die Hüllkurven der einzelnen Töne liefern die Ursache für einen wahrgenommenen Klangunterschied. Dabei charakterisiert die Amplitudenstatistik den Klang mit seiner Farbe im Frequenzbereich zu einem bestimmten Zeitpunkt, während ihn die Hüllkurve im zeitlichen Verlauf beschreibt.
Diese Feststellung ist nicht nur für die Musik von elementarer Bedeutung, denn jegliche akustische Kommunikation basiert auf Klangunterschieden. Unsere Sprache zum Beispiel, besteht aus einer Folge von Klangunterschieden aus denen wir die verschiedenen Laute formen, die schließlich die Worte bilden. Der Klang dient hier als eine Art Code mit dessen Hilfe verschiedenste Informationen übertragen werden.
Ulf
(Weiter geht es in ein paar Tagen)
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Wir Gitarristen reden jeden Tag darüber, aber wissen wir eigentlich welche Bedeutung sich hinter dem einfachen Begriff "Klang" verbirgt? Daß das Ganze doch nicht so einfach ist und warum häufig Mißverständnisse bei der Benutzung dieses Begriffes entstehen, zeigt der folgende Artikel...
(Der vollständige und stets aktuelle Artikel ist immer in der Knowledge Database der Guitar-Letters zu finden.)
Einleitung
Es gibt wohl kaum einen Begriff, der so häufig im Zusammenhang mit der Elektrogitarre benutzt wird, wie das Wort "Klang" Bevor man sich mit dem Klang einer Elektrogitarre beschäftigt, muß aber unbedingt festgelegt werden, was unter dem Begriff "Klang" eigentlich zu verstehen ist und was im sprachlichen Gebrauch damit gemeint wird. Im Allgemeinen sind mit diesem simplen Begriff sehr komplizierte und vielschichtige Ereignisse und Eigenschaften verbunden, die leicht dazu führen, daß der Begriff "Klang" von ahnungslosen Zeitgenossen sogar mit Esoterik in Verbindung gebracht wird.
Tatsächlich kann man sich dem Phänomen "Klang" aus verschiedenen Richtungen nähern. Da ist zum einen die physikalische Definition von Schallereignissen zu nennen, die sich in der Hauptsache mit deren spektralen Zusammensetzungen beschäftigt. Der "Klang" eines Musikstückes geht über die übliche physikalische Begriffsdefinition eindeutig hinaus, denn hier spielt zusätzlich noch das Konsonanzempfinden eine wichtige Rolle. Schlußendlich muß man sich auch noch generell mit den sprachlichen Bedeutungen auseinandersetzen, denn sehr häufig werden die Begriffe aus dem englischen und deutschen Wortschatz mißverständlich oder sogar falsch benutzt. Fangen wir also an, ein wenig Licht in's Dunkel zu bringen...
1 Bestandsaufnahme
Im Zusammenhang mit Schallereignissen werden eine Menge verschiedener Begriffe benutzt, um den entstehenden akustischen Eindruck verbal zu beschreiben. Gerade in Verbindung mit Musik, ganz besonders unter Musikern aus dem Pop-, Rock- und Jazz-Bereich, haben sich dabei sehr stark Begriffe aus dem englischen Sprachraum etabliert. Während in der deutschen Sprache hauptsächlich von "Ton" und "Klang" die Rede ist, scheint das amerikanische "Tone" und "Sound" ein Äquivalent darzustellen. Daneben gibt es aber noch weitere Begriffe, die zur Anwendung kommen. Die nächste Tabelle zeigt eine kleine Übersicht. Die entsprechenden Übersetzungen wurden aus einem Wörterbuch und mehreren Lexika entnommen.
Tabelle 1: Bekannte Begriffe zum Thema "Klang" und deren Übersetzung/Bedeutung
[img:600x242]http://www.guitar-letter.de/Knowledge/Grundlagen/Images/WasIstKlang_Tabelle1.gif[/img]
Versucht man die Bedeutung der einzelnen Begriffe einmal graphisch gegenüberzustellen, so ergibt sich das folgende Bild:
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Abbildung 1: Relationen zwischen deutschen und englischen "Klang"-Begriffen
Hier wird das Problem gleich offensichtlich, denn den vier deutschen Begriffen stehen nur drei englischen Begriffe gegenüber. Zusätzlich bestehen innerhalb der englischen Begriffe aber auch noch Mehrdeutigkeiten. So wird "Tone" sowohl für "Ton" als auch für "Klang" verwendet.
Der Begriff "Sound" scheint das ultimative Wort im Zusammenhang mit Schallereignissen zu sein. So wird es nicht nur für "Ton", "Klang" und "Klangcharakter" benutzt, sondern beschreibt auch noch die "Klangwirkung". Wo im Zusammenhang mit "Klang" der Unterschied zwischen "Tone" und "Sound" ist, bleibt ungewiß. Gleichfalls wäre noch zu klären, ob die "Klangwirkung" mit dem "Klangcharakter" aus sprachlicher Sicht gleichzusetzen ist. Zu guter Letzt wird "Sound" auch noch bei der Beschreibung des Stils eines Musikers verwendet. Auch "Timbre" ist in gewisser Weise ein Sammelbegriff und überschneidet sich mit "Sound" und "Tone".
Die aus diesen Mehrdeutigkeiten resultierende unklare Sachlage führt in der Kommunikation natürlich schnell zu Mißverständnissen, da einfach nicht klar ist, worüber gesprochen wird. Aber auch die Bedeutung der deutschen Begriffe ist, zumindest im sprachlichen Gebrauch, vielfach ungewiß. Es scheint daher dringend angebracht, zumindest die deutschen Begriffe einer sauberen Definition gegenüber zu stellen!
2 Definitionen der Schallereignisse
Das menschliche Gehör erzeugt im Gehirn einen Sinneseindruck, wenn es von mechanischen Wellen mit Frequenzen zwischen 16Hz und 20kHz erregt wird. Dieser Frequenzbereich wird auch als "Hörbereich" bezeichnet. Der entstehende Sinneseindruck heißt "Schall" und die erregenden Wellen werden folglich "Schallwellen" genannt. Der Mensch ist in der Lage, diesen Eindruck in "Tonhöhe" und "Lautstärke" zu trennen. Dabei sind die Tonhöhe direkt von der Frequenz der Schallwellen und die Lautstärke von ihrer Intensität abhängig.
Schallwellen kommen durch das abwechselnde Verdichten und Verdünnen eines schwingenden Mediums zustande. Sie breiten sich als sogenannte Längswellen aus. Wie bei allen anderen Wellenvorgängen sind auch bei den Schallwellen die Erscheinung von Brechung, Reflexion, Beugung und Interferenz zu beobachten.
In der klassischen Akustik wird die Vielfalt und Verschiedenartigkeit der Schalläußerungen oder Schallereignisse in vier Hauptarten eingeteilt: Töne, Klänge, Geräusche und Knalle.
2.1 Der Ton - künstliche Unitonalität
Musikalisch wird der Ton häufig mit einem Ereignis verbunden, das eintritt, wenn man zum Beispiel eine Taste auf dem Klavier drückt oder die Saite einer Gitarre anschlägt. Das darauf folgende akustische Ereignis wird im Allgemeinen als "Ton" bezeichnet, dem man auch einen "Klang" zuordnet. Aus der Tatsache, daß auf dem Klavier dann eventuell auch noch andere Saiten zum Mitschwingen angeregt werden - freilich ohne selbst angeschlagen worden zu sein - läßt sich folgern, daß durch das Drücken der Taste noch ein wenig mehr geschieht. Der Begriff "Ton" scheint diesem Ereignis nicht wirklich gerecht zu werden. Aus physikalischer Sicht ist die Definition schon eindeutiger:
Ein Ton ist eine sinusförmige Schwingung und verfügt über zwei Eigenschaften: die Frequenz f und die Amplitude A.
Töne sind im akustischen Sinne Schallwellen, die sich als Längswellen ausbreiten. Ihre Eigenschaften lassen sich jedoch besser darstellen, wenn man sie als Querwellen zeichnet:
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Abbildung 2: Sinuston
Mathematisch läßt sich dieser Verlauf wie folgt beschreiben:
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Formel 1: Sinuston
Darin ist f die Frequenz der Schwingung, die im Allgemeinen in der Einheit Hertz angegeben wird und t die Zeit. Der Kehrwert der Frequenz f ist die Periodendauer T. Bei gegebener Frequenz läßt sich mit dieser Formel der Verlauf der Schwingung in Abhängigkeit der Zeit angeben. Natürlich kann man statt der Sinus- auch die Cosinusfunktion verwenden. Beide Darstellungsformen werden in der Literatur benutzt. Zwischen beiden Funktionen besteht lediglich ein Phasenunterschied von 90°. Wie noch gezeigt werden wird, stellt der Ton das Basiselement für alle weiteren Schallereignisse dar.
Im alltäglichen akustischen Umfeld kommen reine Töne allerdings nicht vor. Sie lassen sich nur elektronisch erzeugen. In der Alltagssprache wird das Wort "Ton" daher oft fälschlicherweise im Sinne von "Klang" verwendet (zum Beispiel Geigenton statt Geigenklang), aber dazu später mehr.
2.2 Die Ordnung der Schallereignisse
Für den Musiker sind Töne und Klänge von besonderer Bedeutung. Auch sie sind im akustischen Sinne Schallwellen, die allerdings nur einen Teil der möglichen Schallereignisse abdecken. Trotz der unendlichen Vielfalt aller dieser Ereignisse, läßt sich eine Hierarchie angeben, die es erlaubt, Basisereignisse zu definieren, aus denen beliebig komplexe Schallereignisse zusammengesetzt werden können.
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Abbildung 3: Die Hierarchie der Schallereignisse
Alle Basisereignisse lassen sich auf einen gemeinsames Urelement zurückführen: Den Ton. Er ist das Element, aus dem sich alle anderen Schallereignisse aufbauen lassen. Man kann diese Ereignisse daher auch als höherwertige Schallereignisse bezeichnen, die ebenfalls über Eigenschaften verfügen mit deren Hilfe sie eindeutig charakterisiert werden können:
Höherwertigen Schallereignisse verfügen über drei grundlegende Eigenschaften: Den Grundton, die Farbe und den Charakter.
Ausgehend vom "Ton" existieren sogenannte "multitonale" Schallereignisse, welche in zwei Klassen zerfallen. Diese enthalten wiederum zwei Untergruppen, sodas neben dem Ton, insgesamt noch vier Gruppen von Schallereignisse unterschieden werden können. Hier spiegelt sich auch die Einteilung der klassischen Akustik wieder, denn das sogenannte "Geräusch" ist in beiden Untergruppen enthalten.
2.3 Multitonale Schallereignisse
Sind mehrere Töne an einem akustischen Ereignis beteiligt, so kann man das "multitonal" nennen. Solche Ereignisse sind um so komplexer, je mehr Töne daran beteiligt sind. Ein derartiges Frequenzgemisch kann in zwei Kategorien eingeordnet werden. Als Kriterium der Unterscheidung dient die Existens eines mathematischen Zusammenhanges zwischen den einzelnen Frequenzen. Den Bezug für diesen Zusammenhang liefert die im Frequenzgemisch auftretende tiefste Frequenz, die auch als Grundton (engl. Fundamental) bezeichnet wird. Der Grundton bestimmt den Eindruck der Tonhöhe des Frequenzgemisches, wenn seine Amplitude nicht wesentlich kleiner als die der Obertöne ist.
Besteht zwischen Grundton und Obertönen ein mathematischer Zusammenhang, so lassen sich die Obertöne mit Hilfe einer mathematischen Formel aus dem Grundton errechnen. Dieser Zusammenhang kann beliebig sein und stellt immer eine Zahlenfolge dar. Es läßt sich zeigen, daß viele diese Folgen lediglich eine Untermenge der Folge fn=n*f0 sind. Sie heißt "Harmonische Folge" und hat in vielen Bereichen eine besondere Bedeutung.
Werden mehr als zwei Töne zu einem neuen Schallereignis kombiniert, spricht man von einem "Multiton".
Existiert ein Algorithmus zur Berechnung der Obertöne, nennt man den Multiton "algorithmisch". Alle anderen Multitöne sind "nichtalgorithmisch" und in den meisten Fällen sogar "stochastisch".
Über "Klänge" oder allgemein Schallereignisse kann man dicke Bücher schreiben. Tatsächlich sind auch schon viele dicke Bücher darüber geschrieben worden. Wir wollen dieser Liste mit diesem Artikel nicht ein weiteres Element hinzufügen und beschränken uns daher im weiteren Verlauf nur auf die Betrachtung des harmonische Multitons "Klang".
2.3.1 Klang - Der harmonische Multiton, ein algorithmisches Schallereignis
Jedes natürliche Instrument - zu denen auch die Elektrogitarre zählt - erzeugt Frequenzen, die auf der sogenannten Naturtonreihe basieren. Ein solches Schallereignis empfinden wir in der Regel als angenehm und bezeichnen es als "Klang". Im Zusammenhang fallen häufig die Begriffe "Grundton", "Oberton" und "Harmonische". Hier eine kurze Definition:
Der Grundton ist der in einem Klang vorkommende Ton mit der tiefsten Frequenz. Er wird mit f0 bezeichnet. Er ist gleichzeitig der erste Teilton f1. Alle anderen Töne heißen Obertöne (f2, f3,...).
"Harmonische" sind nur ein anderer Begriff für Grundton und Obertöne. Dabei bezeichnet die erste Harmonische den Grundton (f1=1*f0), die zweite Harmonische den ersten Oberton (f2=2*f0) und so weiter.
Führt man eine Frequenzanalyse eines Klangspektrums durch, so kann man feststellen, daß alle Frequenzen gemäß der harmonischen Folge auf einem Grundton basieren. Damit läßt sich der Begriff "Klang" sauber physikalisch definieren:
Sind die in einem Multiton auftretenden Frequenzen ganzzahlige Vielfache eines gemeinsamen Grundtones, so spricht man im physikalischen Sinne von einem Klang. Die Lage der einzelnen Frequenzen entspricht damit der harmonischen Folge.
Man beachte, daß mit dieser Definition nur das Verhältnis der einzelnen Frequenzen zum Grundton festgelegt wurde. Eine Aussage über die Amplitudenverhältnisse wurde (noch) nicht gemacht.
Aus der harmonischen Folge läßt sich ableiten, daß die Periodendauer des Grundtons T0 immer ein ganzahliges Vielfaches der Periodendauer der einzelnen Obertöne Tn ist. Das bedeutet, daß das resultierende Schallereignis ebenfalls periodisch ist, denn T0 stellt das kleinste gemeinsame Vielfache aller TN dar. Die Periodizität ist ein wesentlicher Grund dafür, daß wir den "Klang" als "wohlklingend" empfinden. Ein physikalischer Klang stellt also gewissermaßen ein "natürliches" Ereignis dar.
Aus der Definition des physikalischen Klanges kann man eine weitere interessante Schlußfolgerung ziehen: Nimmt man für den Übertragungsbereich des menschlichen Gehörs 30Hz bis 20kHz an, so kann man in dieser Bandbreite maximal 666 Harmonische unterbringen. Darauf basierend kann man sich 2^666-1=3*10^200 mögliche Kombinationen von Harmonischen vorstellen - eine gigantisch große Zahl! Variiert man die Frequenz des Grundtons bis hoch zu 10kHz, so kann man folgende Kurve ermitteln:
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Abbildung 4: Anzahl der Harmonischen und Grundton
Man erkennt, daß mit steigender Frequenz des Grundton eines Klanges die Anzahl der im Hörbereich zur Verfügung stehenden Harmonischen stark abnimmt. Bei einem Grundton von 2kHz stehen nur noch 10 Harmonische zur Verfügung, was einer möglichen Kombination von 1023 entspricht. Bei 3kHz sind es dann noch 100 Möglichkeiten, bei 4kHz nur noch 31 und bei 5kHz gar nur 15. Dieses Verhalten läßt nur eine Schlußfolgerung zu:
Die Fähigkeit des menschlichen Gehörs verschiedene Klänge zu unterscheiden, nimmt mit der Höhe des Grundtons eines Klanges stark ab.
Tatsächlich wird der eine oder andere schon einmal festgestellt haben, daß hohe Töne, auf unterschiedlichen Instrumenten gespielt, irgendwie doch gleich klingen. Zumindest tun wir uns schwer die Unterschiede herauszuhören. Im Umkehrschluß bedeutet das, daß wir klangliche Vielfalt am besten bei niedrigen Grundtönen empfinden können.
2.3.2 Nichtalgorithmische Schallereignisse
Immer dann, wenn sich die einzelnen Töne eines Schallereignisses nicht in einen mathematischen Zusammenhang bringen lassen, spricht man von nichtalgorithmischen Schallereignissen. Im Extremfall ist die Verteilung der einzelnen Frequenzen sogar unvorhersehbar und damit zufällig.
Alle Frequenzgemische, die nicht der Definition des "Klanges" genügen, werden als Geräusch bezeichnet. Das beste Beispiel dafür ist das Rauschen. Hier sind sowohl Frequenzen als auch deren Amplituden sogar stochastisch verteilt und stehen in keinerlei Beziehung zueinander. Aufgrund dieser Eigenschaft kann man einem Geräusch auch keinen Grundton zuordnen. Analog zum Klang kann man einem Geräusch natürlich auch eine Klang- oder besser Geräuschfarbe zuordnen.
Der sogenannte "Knall" stellt eine Sonderform des multitonalen Schallereignisses "Geräusch" dar. Er ist eine kurze, unregelmäßige Erschütterung der Luft, bei der starke Luftverdichtungen und -verdünnungen kurzzeitig aufeinander folgen. Für den Gitarristen hat dieses Schallereignis nur insofern Bedeutung, als das sich der eine oder andere Verstärker gelegentlich mit einem "Knall" verabschiedet. [img:15x15]http://www.guitar-letter.de/forum/styles/GuitarLetter/smilies/wink.gif[/img]
3 Klangfarbe und -charakter
Klänge können sehr verschieden sein. Sowohl eine Geige als auch ein Klavier liefert Klänge und wir sind in der Lage, anhand der Unterschiede die Instrumente zu identifizieren. Wie kommt das?
Das Geheimnis steckt in den Amplituden der einzelnen Harmonischen, das heißt, die einzelnen Töne des Klanges können unterschiedlich laut sein oder sogar ganz fehlen. Man kann sich zum Beispiel zwei Klänge vorstellen, welche die gleichen Vielfachen des Grundtons enthalten, sich aber trotzdem unterscheiden. Das nächste Bild verdeutlicht das:
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Abbildung 5: Ein Klang, zwei Klangfarben
In beiden Klängen sind die gleichen Vielfachen des Grundtons enthalten. Sie unterscheiden sich jedoch in ihren Amplituden, die durch die Höhe der Balken dargestellt werden.
Die Farbe eines Klanges wird durch das Verhältnis der einzelnen Amplituden zueinander beschrieben und heißt "Klangfarbe" (engl. Timbre).
Diese beiden Eigenschaften des Klanges, also Grundton und Amplitudenverteilung - sprich die Klangfarbe -, kann mathematisch durch eine sogenannte "Fourierreihe" beschrieben werden:
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Formel 2: Darstellung eines Klangs durch Fourierreihe in der Phasenform
Die Formel beschreibt den zeitlichen Verlauf der Amplitude des Klanges als Summe aller Harmonischen mit den ihnen eigenen Amplituden An und Phasenverschiebungen und berücksichtigt auch einen vorhandenen Gleichanteil A0, der natürlich bei der Saitenschwingung einer Gitarre nicht vorkommt. In der Praxis sind jedoch nicht immer alle An auch vorhanden. Bei einer Rechteckkurve treten zum Beispiel nur Koeffizienten mit ungeradem n auf.
Verändert man die Amplitudenstatistik der Harmonischen, so verändert sich immer die Klangfarbe. Wird eine Harmonische letztendlich komplett unterdrückt, so mündet die Färbung des ursprünglichen Klanges in einen neuen Klang. Der Klang stellt also gewissermaßen die Grundlage dar, die durch die Existenz und Nichtexistenz der einzelnen Harmonischen festgelegt wird. Er kann verschieden Ausprägungen annehmen, die durch die Klangfarbe charakterisiert werden. Der Klang definiert sozusagen eine Klasse von Klangfarben. Klang und Klangfarbe sind daher zwei Begriffe, die untrennbar miteinander verbunden sind.
Bisher haben wir die Amplituden der einzelnen Harmonischen als konstant betrachtet, aber wer sagt denn, daß das so sein muß? Immer mal wieder kann man von "Sounds" hören oder lesen, die förmlich "explodieren" oder sich "entwickeln". Was kann denn damit gemeint sein?
Nun eine Gitarre ist ein gekoppeltes Schwingungssystem. Wird die Saite angeschlagen, so überträgt sich die Schwingung alsbald auf Hals und Korpus. Es dauert unter Umständen eine Weile, bis sich das gesamte System eingeschwungen hat und dieses Einschwingen kann für die einzelnen Harmonischen des Saitenklangs durchaus unterschiedlich lange dauern. Wenn sich aber die Amplitudenverteilung des Schallereignisses mit der Zeit verändert, dann verändert sich eben auch die Klangfarbe in Abhängigkeit der Zeit. Damit beschreibt die Klangfarbe das Schallereignis quasi immer nur als Momentaufnahme. Eine interessante Erkenntnis!
Im Normalfall ist die Saitenschwingung endlich. Sie klingt nach eine bestimmten Zeit aus. Es ist sozusagen eine gedämpfte Schwingung - einfach ausgedrückt. Das zeitabhängige Ein- und Ausschwingen kann man auch als Hüllkurve auffassen, mit der die Zeitfunktion des Schallereignisses bewertet wird. Sieht man sich den Lautstärkeverlauf verschiedener Instrumente einmal etwas genauer an, so erkannt man, daß die Hüllkurve sogar in vier Teile unterteilt werden kann:
- Einschwingen oder auch Ansprache (Attack),
- Halten (Sustain),
- Abklingen (Decay) und
- Ausschwingen (Release).
Eine Hüllkurve hat also ein sogenanntes ADSR-Verhalten (Attack, Decay, Sustain, Release). Elektronische Orgeln und Synthesizer verfügen über einen solchen ADSR-Generator, um dem erzeugten Frequenzgemisch eine bestimmte Hüllkurve aufzuprägen und so den gewünschten Verlauf zu erzeugen. Im besten Fall muß ein solcher Generator für jeden einzelnen Oszillator, der jeweils eine Harmonische erzeugt, vorhanden sein.
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Abbildung 6: ADSR-Hüllkurve
Mathematisch muß dieses Verhalten durch drei exponentielle Faktoren mit eigenen Abklingkonstanten beschrieben werden, die. Sie werden mit geeigneten Sprung- und Rechteckfunktionen bewertet, die dafür sorgen, daß die Faktoren nur zu den gewünschten Zeiten einen von 0 verschiedenen Wert liefern. Da die entstehende komplizierte Funktion nichts zum weiteren Verständnis beiträgt, soll auf eine Darstellung verzichtet werden. Bezeichnet man die Funktion der Hüllkurve allgemein mit ADSR, so kann man mit Formel 2 schreiben:
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Formel 3: Darstellung eines Klangs durch Fourierreihe in der Phasenform mit ADSR-Hüllkurve
Damit ist die mathematische Beschreibung eines Klanges vollständig. Die Parameter der Funktion sind pro Harmonische die Amplitude An, die drei Abklingkonstanten, die Phasenverschiebung und der Gleichanteil. Mit diesen Parametern läßt sich eine unendliche Vielzahl verschiedener Klänge mit unterschiedlichen Klangfarben beschreiben.
Ergebnis:
Die Verteilung der Amplituden - die sogenannte Amplitudenstatistik - und die Hüllkurven der einzelnen Töne liefern die Ursache für einen wahrgenommenen Klangunterschied. Dabei charakterisiert die Amplitudenstatistik den Klang mit seiner Farbe im Frequenzbereich zu einem bestimmten Zeitpunkt, während ihn die Hüllkurve im zeitlichen Verlauf beschreibt.
Diese Feststellung ist nicht nur für die Musik von elementarer Bedeutung, denn jegliche akustische Kommunikation basiert auf Klangunterschieden. Unsere Sprache zum Beispiel, besteht aus einer Folge von Klangunterschieden aus denen wir die verschiedenen Laute formen, die schließlich die Worte bilden. Der Klang dient hier als eine Art Code mit dessen Hilfe verschiedenste Informationen übertragen werden.
Ulf
(Weiter geht es in ein paar Tagen)
(Der vollständige und stets aktuelle Artikel ist immer in der Knowledge Database der Guitar-Letters zu finden.)