Bandreise nach Litauen: Erfahrungsbericht...

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Anonymous

Guest
Hi!

In der letzten Woche gabs von mir nichts zu hören, weil es mich mit der Bigband in der ich zupfe ins ferne Litauen verschlagen hat.
Wer nicht exakt weiß wo das liegt, keine Sorge! Bis zum Januar 2004 wusste ich das auch nicht genau, denn da war ich das erste mal dort. Ich wollte einfach mal eben ein paar meiner Erfahrungen zum besten geben und euch versuchen ein wenig an meinen Eindrücken teilhaben zu lassen :)

Mal eben die kleine Vorgeschichte.
Die "Jazzy Stone Bigband" ist die Bigband unseres Gymnasiums, welche für eine Schulband jedoch ein sehr hohes Niveau hat und auch in der Gegend einen recht guten Ruf genießt. Wir haben zB auch für Gerhard Schröder gespielt, als er hier in Hamm war und einer seiner Tourmanager war von uns so angetan, dass er uns für den damaligen NRW Wahlkampf als musikalische Begleitung fest angagieren wollte. Ging aber nicht, weil man das als Schulband nicht darf ;-)
Naja... auf jeden Fall fahren wir mehrmals im Jahr irgendwohin für einwöchige Intensivproben. Und auf einer dieser Fahrten trafen wir einen Busfahrer, welcher über die Malteser engere Kontakte nach Litauen hatte. Er unterhielt sich mit unserm Bandleader darüber ob wir nicht prinzipiell Interesse hätten usw.
Daraus entstand dann mehr und mehr eine konkrete Idee und ein halbes Jahr später fuhren der besagte Busfahrer (oder besser Hobbybusfahrer, da er eigentlich Polizist ist und nur aus Spaß nebenher Bus fährt) unser Bandleader und ich zu dritt nach Litauen um zu sehen ob das ganze überhaupt durchsetzbar ist.

Nachdem nun einige Zeit ins Land gegangen war, wurde geplant, Termine festgelegt und Termine wieder verworfen, bis es vor ein paar Monaten fest stand: Ende September ist es soweit!

Unser Ziel war die kleine Stadt Kaysadoris, eine kleine 16.000 Seelenstadt und die dortige Schule. 3/4 der Einwohner wohnen in riesigen Blocks von alten russischen Plattenbauten...
Generell kann man sagen, dass die finanzielle Lage des Landes alles andere als vergleichbar mit Deutschland ist. Die Leute sind viel ärmer als wir und leben unter völlig anderen Bedingungen, besonders in diesen Plattenbauten. Die Bandmitglieder waren alleine oder zu zweit in diesem Familien untergebracht....
Und egal wie wenig die Leute auch dort haben: Ich habe in meinem Leben noch niemals eine solche Gasfreundschaft erlebt wie dort. Wir wurden so offen begrüßt und vom ersten Tag an wie Familienmitglieder behandelt und die Leute gaben sich wirklich eine Riesen Mühe um uns alles so angenehm wie möglich zu machen, egal ob es die Gasteltern oder unsere Gastgeschwister waren (als Schulband ist der Großteil der Band so zwischen 16 und 20).

Zum musikalischen/kulturellen Teil:
Wir hatten insgesamt 4 Konzerte in dieser Woche. 2 in Kaysadoris selber, 1 in einem viiiiiiieeeeel kleineren Nachbarort) und eins auf der kurischen Nehrung in Nidden (bekannterer Ort in dem Günther Jauch auch regelmäßig Urlaub macht).
Die Stimmung bei diesen Konzerten war unbeschreiblich gut. Bei dem ersten Konzert in der Schulaula war der Saal komplett voll! Die Leute standen zwischen den Reihen bis in den Flur hinaus und waren am jubeln, tanzen, lachen und mitsingen wie ich es bei deutschem Publikum noch nie erlebt habe! Bei dem JUbelansturm nach unserem letzten Stück fühlte man sich beinahe wie ein Superstar... ;-)

Ein besonders schönes Erlebnis war, wie nach einem Auftritt, ein alter Mann um die 70 auf unserem Bandleader zukam, ihm die Hand schüttelte und sich auf litauisch für diesen wunderschönen Abend bedankte. Er konnte weder Englisch noch Deutsch und somit brauchten wir unsere Dolmetscherin, eine junge litauische Deutschlehrerin, um ihn zu verstehen. Aber es war schon ein schönes Gefühl das angefangen von den Jugendlichen bis hin zu den alten Leuten sich alle über unsere Musik freuten, besonders da in den Städten dort generell nur sehr wenig bis gar nichts an kulturellen Veranstaltungen stattfindet und mit ausländischen/westlichen Bands noch weniger!

Donnerstag morgen verließen wir das Land somit mit einem lachenden und einem weinenden Auge.
Lachend, weil man sich doch wieder auf einige Annehmlichkeiten wie Fernsehen, gut asphaltierte Straßen oder das gewohnte Essen freute.
Weinend, weil man in der kurzen Zeit doch viele neue Freunde gefunden hatte die man wieder verlassen musste und das ganze "Abenteuer" doch viel zu schnell wieder vorbei war!

Alles in allem war diese letzte Woche ein mehr als schönes und interessantes Erlebnis in der man eine europäische Kultur kennenlernen durfte, weit abseits des Massen- und Ballermanntourismuses! Wir als Band hatten definitiv eine Menge Spaß dort! Ich würde diesen Trip jederzeit gerne wieder machen!

In den nächsten Tagen werde ich, wenn ich die Zeit finde, vielleicht noch ein paar Bilder online Stellen um euch einfach mal einen besseren Eindruck vom Land und so zu vermitteln!

Entschuldigt bitte, falls ich übermäßig viele Rechschreibfehler gemacht habe, aber aufgrund der Tatsache, dass wir ca. 24 Stunden mit dem Bus gebraucht haben und ich letzte Nacht nur sehr wenig Schlaf hatte, hatte ich beim Schreiben dieses Beitrags gerade ernsthafte Probleme meine Augen noch offen zu halten und gehe nun auch (endlich) wieder in mein eigenes Bett ;-) ;-)

Gruß
Simon
 
Hi Simon,

ein wunderbarer Bericht von einer sehr schönen Sache!!
Und das Schönste daran ist, daß es dir immer unvergeßlich bleiben wird.

Ich bin schon auf Pix gespannt.
 
Sodele...

Hier mal eben ein ganz paar Bilder um einen gaaaanz kurzen Eindruck zu bekommen:

http://burntime.crowdserver.org/litauen/DSCN0732.JPG

Ein Bild aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Kaysadoris. Solche Bilder bietet fast jede Stadt dort. Halb- oder nur unfertige Häuser sind völlig normal. Meistens sind die Häuser auch von außen nicht verputzt, weil das nur unnötig Geld kosten würde, welches die Leute dort nicht haben.

http://burntime.crowdserver.org/litauen/DSCN0768.JPG

Der Saal in der Schule in dem wir gespielt haben nach dem Konzert. Während wir gespielt haben waren in diesem Saal zwischen 300-400 Leute. Er war also brechend voll und selbst im Eingang standen die Leute dicht gedrängt aneinander

http://burntime.crowdserver.org/litauen/DSCN1038.JPG

Kleines Panorama der Stadt Kaysadoris... Der Großteil der Bevölkerung wohnt in diesen russischen Plattenbauten. Ebenso war ein großer Teil der Band dort untergebracht. Als ich im Januar dort war wohnte ich auch in solch einer Wohnung. Sie bestehen aus 2 Schlafzimmern, 1 Wohnzimmer, Bad&WC (SEHR klein und getrennt), kleiner Küche und einem kleinen Flur der alle Räume verbindet. Die besseren dieser Wohnungen haben noch einen kleinen Balkon. Übrigens: Ich habe direkt am Fuße dieses Wasserturms in einem Haus gewohnt. Meine Gastfamilie war etwas wohlhabender als die meisten anderen.

http://burntime.crowdserver.org/litauen/DSCN1039.JPG

Nochmal ein Bild der Plattenbauten... wie bereits erwähnt stammen sie noch aus der Zeit der russischen Besatzun.

http://burntime.crowdserver.org/litauen/DSCN1145.JPG

Unsere Band vor der Wasserburg Trakai. Trakai war die Hauptstadt im Mittelalter und der Sitz des Königs. Eine wunderschöne Gegend.


Hoffe einen kurzen Eindruck vermitteln zu können. In der nächsten Woche will unser Bandleader auf unserer HP noch eine Galerie hochladen. Dort kann man sich dann noch mehr Bilder ansehen, wenn Interesse besteht.

Gruß
Simon
 
Hi Simon,

das Umfeld, welches du beschreibst, erinnert mich sehr an meinen Gastaufenthalt in Niregyhaza, einer mittelgroßen, doch sehr sowjetisch geprägten Stadt ganz im Osten von Ungarn. Dort verbrachte ich im Rahmen des Schüleraustauschs (Geschichte LK) ca. 2 Wochen bei einer Gastfamilie, welche mich trotz der herrschenden Armut, die den meisten von uns wohl kaum realisierbar ist, gradezu verwöhnte. Trotz katastrophaler Ereignisse, die unsere jungen Gemüter doch sehr belasteten (Todesfall wegen Raserei usw.), finde ich es auch heute noch äußerst bemerkenswert, mit welcher Selbstverständlichkeit und Offenheit ich dort aufgenommen wude.


Übrigens schließt man dort nicht die Türen ab....
 
Ahab Lincoln":12vr3jws schrieb:
Hi Simon,

Dort verbrachte ich im Rahmen des Schüleraustauschs (Geschichte LK) ca. 2 Wochen bei einer Gastfamilie, welche mich trotz der herrschenden Armut, die den meisten von uns wohl kaum realisierbar ist, gradezu verwöhnte.

GENAU DAS wars was mich am meisten beeidruckte! Die Leute dort sind alles andere als wohlhabend, aber das bisschen was sie haben teilen sie gerne mit großer Freude!
Was sie teilweise für Umstände auf sich genommen haben um uns auzunehmen, sowas wär in Deutschland nicht möglich gewesen.

Als ich letztes Jahr zum Beispiel da war ist der Mann für eine Woche ausgezogen, damit wir genug Platz in der Wohnung hatten!

Generell hab ich mit den Ostländern (Polen, Tschechien, Litauen) bis jetzt nur unglaublich gute Erfahrungen gemacht was die Leute dort anging. Zum einen sind sie unglaublich gastfreundlich und zum anderen sind sie das beste Publikum, das ich bis jetzt erlebt habe!

Gruß
Simon
 
Hallo Simon,

vielen Dank für Deinen eindrucksvollen Bericht.

Manchmal sollten wir vielleicht darüber nachdenken, dass es den meisten von uns immer noch ziemlich gut geht.
 

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